Eine evangelische Fachhochschule für die Romandie
Theologen in der Romandie lancieren das Projekt einer evangelischen Fachhochschule. Sie reagieren damit auf die Krise der Pfarrerausbildung in der Westschweiz. Im Mai hat die Gruppe das Konzept einer Haute école de théologie protestante (HET-PRO) zu Papier gebracht. Nun soll es in Kirche und Öffentlichkeit diskutiert werden.
Die Krise, die zum Projekt geführt hat, hat schon vor Jahren am Lac Léman öffentliche Debatten ausgelöst. An der Universität Lausanne hat die Religionswissenschaft die Theologie verdrängt; die grösste Hochschule der Romandie verzeichnet kaum noch Studienanfänger in Theologie. Ihr bekanntester Professor, der Systematiker Pierre Gisel, ist zum Religionsphilosophen mutiert. Die schrumpfenden theologischen Fakultäten Lausanne, Genf und Neuenburg fügen sich nicht zu einem harmonischen Ganzen. Dabei steht den welschen Kirchen ein Pfarrmangel ins Haus.
Denken und Glauben
Zum Initiantenkreis der HET-PRO gehören Jean-Claude Badoux, Ex-Präsident der ETH Lausanne und des Waadtländer Synodalrats, Shafique Keshavjee, bis 2010 Professor für Religionstheologie in Genf, der Freiburger Alttestamentler Yohanan Goldman, Pierre Bader, Redner am Christustag 2010 und weitere Pfarrer. Die Initianten beziehen die protestantische Theologie auf eine biblisch verwurzelte Spiritualität. Es geht ihnen um "die erneuerte Liebe zu Gott und seinem Wort, zu Christus und der Kirche, zum Heiligen Geist und zur Welt".
Bachelor und Master
Gemäss dem Konzeptpapier will die HET-PRO den christlichen Glauben (biblische Offenbarung, Leben und Lehre von Christus, christliche Dogmatik und Ethik) wie auch das jüdisch-christliche Erbe "treu und kreativ" vermitteln. Angeboten werden ein Bachelor- und ein Master-Studiengang in christlicher Theologie sowie Weiterbildungen. Pfarrer, Diakone, Gemeindeleiter, Seelsorger, Missionare, Evangelisten Erwachsenenbildner und Katecheten sollen ihr Rüstzeug erhalten.
Theologie näher an der Gemeinde
Die evangelische Fachhochschule nimmt neue Ansätze der gemeindenahen Pfarrerausbildung auf, wie sie das anglikanische St. Mellitus College in London verwirklicht. Grundlage ist nach dem Papier das altkirchliche Glaubensbekenntnis aus dem 4. Jahrhundert (Nicäno-Konstantinopolitanum), aktualisiert in der Glaubensbasis der Reformierten Weltgemeinschaft und den Erklärungen der Lausanner Bewegung.
Christliches Erbe bewusst machen
Als zweiter Schwerpunkt wird ein Master in "Advanced Studies en culture chrétienne" konzipiert, "für alle, die ihr Engagement in der Gesellschaft vom jüdisch-christlichen Erbe befruchten lassen möchten". Die Initianten haben Journalisten, Lehrer, Künstler, Manager und Intellektuelle der säkularen Gesellschaft im Blick. Doziert wird französisch und englisch: Die HET-PRO will offen sein für Studierende aus der ganzen Welt. Sie will sich auch mit den Migrationskirchen vernetzen, die aus dem Boden schiessen.
Unterstützung gesucht
Den Initianten ist bewusst, dass ein langer Weg vor ihnen liegt. Zuerst wollen sie das Projekt mit den reformierten Kirchen der Westschweiz erörtern. Vorgesehen sind auch Gespräche mit Freikirchenvertretern, denen der Erhalt und die Aufwertung der bewährten Ausbildungsstätte in St-Légier (Institut biblique et missionnaire Emmaüs) am Herzen liegt.
Konzeptpapier der HET-PRO
Thesen von Prof. Shafique Keshavjee: Vers une société sans théologie?