Spannungsfelder der Ökumene

hc. Für die römisch-katholische Lehre sind ihr spezifisches Amtsverständnis und die Sukzession unaufgebbar. Primat, Lehramt und Priesterschaft schützen das heilige Geschehen in der Kirche – das Geheimnis der Eucharistie –vor Profanierung, Säkularisierung und Beliebigkeit. "Man werfe die Perlen nicht vor die Säue." Aber: Darf in der Kirche Jesu die Institution der Bewegung vorgeordnet werden? Führt nicht ein zu rigides Kirchenregiment leicht zu Pervertierung von Macht, indem es z. B. Andersdenkende ausgrenzt? Sind andere Organisationsmodelle nicht auch denkbar?

MfE, Haaf

Wenn nicht mehr unterschieden wird ...

Die Reformatoren stellen Christus und die Bibel in die Mitte. Es ist der Geist Gottes, der sich Kirche baut. Er ist es, der Diener und Dienerinnen am Wort beruft, vorangehen lässt und befähigt, der Guten Nachricht in einer Welt des Unrechts eine Stimme zu verschaffen. Protestieren heisst auch auftreten und bezeugen (pro-testare = "für-zeugen"). Der Schöpfer und Erlöser hat Anrecht auf alle Bereiche. Vernunft und Reflexion sind unverzichtbar. Die Trennung von Klerus und Laien erscheint Reformierten als künstlich. Aber: Führt der Verzicht auf ein Lehramt nicht zwangsläufig zu einem "Laientum der Priester", wo nicht mehr unterschieden wird zwischen heilig und profan und bald jede Kirche tut und glaubt, was sie will?

Freikirchen und Bewegungen berufen sich auf Bekehrung und Hingabe. Nachfolge muss sichtbar werden im Lebensstil und hat ihren Preis. Keine Kirche ohne Umkehr des Sünders. Die Erwartung von Endgericht und Vollendung drängt zur Missionierung der Völker, um ihnen das Evangelium zu bringen. Aber: Verleitet die sichtbare Einteilung in "bekehrt" und "unbekehrt" nicht leicht zu einer pharisäischen Haltung mit Ghettobildung und Verachtung der Gesellschaft?

Institution vs. Bewegung

Im Spannungsfeld zwischen Kirchen und Bewegungen gilt es, weder die eine noch die andere Seite auf Kosten der anderen zu favorisieren. Denn jede Bewegung entwickelt, wenn sie wächst, Strukturen. Das Urbild der christlichen Gemeinschaft, die „ein Herz und eine Seele“ ist (Apostelgeschichte 4,32), wird zum Trugbild, wenn es zum Massstab für eine Kirche ohne Strukturen herhalten muss, und führt auf der Suche nach der ursprünglichen Gemeinschaft zu immer neuen Abspaltungen.

Andererseits geraten etablierte Kirchen, die auf Besitzstandwahrung aus sind, in die Machtfalle, setzen auf Allianzen mit den Herrschenden, krallen sich an Privilegien. Der schmale Weg (Matthäus 7,14) wird breit. Grosse Kirchen brauchen Erneuerung aus dem Geist Gottes.

Minderheiten sind oft unbequem, eilen voraus und stellen manches in Frage. Prophetische Stimmen mahnen zur Umkehr. Kann eine mächtige Kirche umkehren? Lässt sich die Bewegung einer Hauskirche einbinden oder verkommt sie zur Sekte?

P. Dettwiler: Thesen zum Verhältnis von Kirche, Institution und Charisma