Martin Voegelin. Migrationskirchen in unseren Städten, Gottesdienste mit afrikanischen Rhythmen und Latino-Lebensfreude zeigen an: Das Evangelium kommt zurück! Das ist eines der wesentlichen Merkmale der neuen Missions-Situation.
Die Migranten haben ihren Glauben in die Schweiz mitgebracht. Viele von ihnen sind engagierte Christen. Manche kamen mit dem erklärten Ziel zu uns, bei der Wieder-Evangelisierung Europas mitzuhelfen. So entstanden in unserem Land während der letzten Jahre Hunderte von christlichen Gruppen und Kirchen.
Dieser Wandel in der Missionsgeschichte stellt unser Missionsverständnis auf den Kopf: Gestern sandten wir als christliches Land Missionare in nichtchristliche Gebiete aus. Heute werden wir von den dort entstandenen Gemeinden als Missionsland wahrgenommen.
Millionen Menschen werden Christen
Das Evangelium geht von überall nach überall! Die Zahl der bewusst Jesus Nachfolgenden nahm in den letzten 10 Jahren weltweit um rund 300 Millionen zu. 10 Millionen dieser neuen Christen stammen aus Nordamerika und Europa, 290 Millionen aus der sog. 2/3-Welt, z.B. Nigeria, Brasilien, Indien, China
Heute leben fast 80% der praktizierenden Christen in der nichtwestlichen Welt!
Zwar sind von den 16'000 Volksgruppen der Erde immer noch rund 6'600 vom Evangelium unerreicht. Sie sind darauf angewiesen, dass Gesandte von aussen mit dem Evangelium in ihre Kultur hineinfinden. Heute gibt es beinahe in jedem Land christliche Gemeinden, die in der Lage sind, das Evangelium in ihrer Umgebung weiter zu geben. Von 450'000 interkulturellen Missionierenden kommen heute mehr als die Hälfte aus der nichtwestlichen Welt – bis in 20 Jahren könnten es 70% sein!
Sind also kulturüberschreitende Missionare aus dem Westen ein Auslaufmodell? Nein, aber sie bestimmen eindeutig nicht mehr den Lauf der weltweiten Mission. Mission ist ein globales Unternehmen, in dem die verschiedenen Begabungen und Ressourcen für ein gemeinsames Ziel zusammengelegt werden: Aus allen Stämmen und Völkern werden solche gesammelt, die Gott anbeten.
Noch keine Generation konnte Gottes weltweites Wirken so direkt miterleben wie die unsrige. Auch wir westlichen Christen dürfen daran teilhaben. Ein neues Missionsverständnis, das uns Westlern gut ansteht, ist das des Dienens: Das einbringen, was Gott uns mit unserer reichen Geschichte, unseren Fachkenntnissen und mit unserer wirtschaftlichen Kraft anvertraut hat.
Befreiende Botschaft – kulturübergreifend
Kultur- und Missionsverständnis, Strategien und Möglichkeiten haben sich verändert. Es ist faszinierend, dass das Evangelium seit 2000 Jahren in jeder geschichtlichen Epoche seine befreiende Botschaft wirksam werden liess. Zuerst wurde es im orientalischen Kulturraum erfahren, aber für Christen war es von Beginn an Botschaft aus der Ewigkeit.
Jesus war nicht kulturgebundener Religionsstifter. Das Evangelium hat die Kraft, sich in jede geschichtliche und kulturelle Situation hineinzubegeben, ohne an Substanz zu verlieren. Beim Evangelium geht es zuerst um Beziehung und Leben mit dem dreieinigen Gott, dem Schöpfer und Erlöser, dann auch um System und Form.
Jesus selbst hat uns die kulturelle Identifizierung vorgelebt (Phil 2,5-8). Diese Kulturüberschreitung als erklärte Absicht Gottes zu verstehen, war eine der schwierigsten Lektionen für die frühen Christen (Apg 11,15-18 / Eph 2,11-14 / 1. Kor 9,19-22). Höchste Flexibilität einerseits tiefste Verwurzelung andrerseits: Das ist gute Nachricht für den Menschen einer globalisierten, multikulturellen, sich schnell verändernden Welt!
Ob Mission im lokalen oder im globalen Kontext geschieht – immer geht es darum, in Respekt, Wertschätzung und Liebe die Welt(anschauung) des Gegenübers kennen und verstehen zu lernen, um da hinein Gottes unveränderliche Liebe zu übersetzen. In diesem dialogischen Prozess werden die Sinne für eigene Kulturbefangenheit geschärft, und die Konturen des globalen und persönlichen Schöpfergottes werden klarer.