Werte von Christus, Orientierung für die Gesellschaft
Wie bringen Christen in die Gesellschaft ein, was sie leitet und motiviert? Was ist glaubwürdiger und nachhaltiger Einsatz für christliche Werte? Damit befasst sich die Zürcher Landeskirche an den sieben Kirchenpflegetagungen 2012. Am ersten Februar-Wochenende ging es um Werte in der Kirche. SEK-Ratspräsident Gottfried Locher rief die Teilnehmenden auf, bei Christus Orientierung zu suchen und sich auf die Vermittlung von Glaubensinhalten zu konzentrieren.
Er glaube nicht an Werte, sagte Locher im Zentrum Boldern in Männedorf am 4. Februar 2012 in Männedorf pointiert. "Ich glaube an eine Person: Jesus Christus". Für die Kirche stünden Glaubensinhalte im Vordergrund. "Die Kirche produziert Werte - und zwar nicht aus sich heraus". Aus der Person Jesus Christus stammten die christlichen Werte, sagte SEK- Ratspräsident, und an ihm seien sie festzumachen.
Laster, Tugenden, Werte
Locher sprach zum Thema "Werte in der Kirche" im vierten Durchgang der Zürcher Kirchenpflegetagung vor hundert Teilnehmenden in Männedorf (die anderen Durchgänge widmen sich Werten in Politik, Wirtschaft, Schule, Sport, Medien und Medizin). Von Matthias Krieg, dem Leiter Erwachsenenbildung der Zürcher Landeskirche, auf den Wert Einheit angesprochen, bezeichnete Gottfried Locher ihn als ein Mittel zum Zweck. Es komme auf den christlichen Glaubensschatz an. "Er ist viel grösser, als was wir in der eigenen Tradition kennengelernt haben. Ihn in den Blick zu bekommen hilft uns für die Zukunft".
Die abendländische Tradition nennt sieben Laster. Er erkenne sie auch in seiner Natur wieder, sagte Locher: Völlerei, Geiz, Neid, Wollust, Habgier, Trägheit, Zorn, Stolz. Wenn von christlichen Werten gesprochen werde, seien sie das Gegenstück zu den sieben Lastern. Werte wie Demut und Fleiss änderten sich nicht je nach Kontext. "Sie gelten immer". Und darüber solle man mit den Leuten reden. Die Geschichten der Bibel gäben dazu Anschauungsunterricht.
Der Schatz des Glaubens macht glücklich
Dies erfordere theologische Arbeit und die Beschäftigung mit Menschen der Kirchengeschichte, sagte Gottfried Locher. "Die Kirche hat etwas zu vermitteln, was über das Weltliche hinausgeht. Einer kam in die Welt und stellte das Glück dar. Die Kirche hat den Auftrag, das zu vermitteln". Wenn die Leute merkten, dass die Kirche sich nicht darum bemühe, gingen sie auf Distanz. "Wenn die Kirchgemeinde nicht mehr glücklich macht, wird sie eingehen", spitzte Locher seine frühere Aussage "Kirche macht glücklich" zu. Um den Schatz des Glaubens mit Werten überhaupt deutlich zu machen, ist laut Locher eine neue Sprache zu suchen. (Der SEK will ein Glaubensbuch erarbeiten, das Inhalte des Glaubens erläutert.)
Politisch unverwechselbar reden
Wie politisch ist die Kirche? Mit Verweis auf das Gespräch, das er für die Zeitschrift 'reformiert'. mit SVP-Nationalrat Christoph Mörgeli geführt hatte, bestand Locher darauf, dass Kirche sich mit den Glaubensinhalten, mit Christus einbringt. Sie müsse sich zu Grundfragen äussern. Bei den meisten Abstimmungen hätten Christen Gründe für ein Ja und ein Nein. Wenn sich aber die Kirche ohne Bezug zum Glauben politisch einmische, "spüren die Leute instinktiv, dass sie an einem Ort grast, wo sie nichts verloren hat". Es gehe darum, christliche Werte an Christus festzumachen und sich wiedererkennbar zu äussern: nicht bloss von Solidarität zu reden, sondern dies z.B. anhand des barmherzigen Samariters zu verdeutlichen.
Das Open Forum Davos, eine Plattform für Wertedebatten, habe der Kirchenbund 2012 nicht mehr mitorganisiert, weil er "trotz Geld aus Zürich" sparsam haushalten müsse, sagte Locher. Die Diskussion, an der er teilnahm, habe gezeigt, "dass wir froh sein können, wenn wir religiöse Spannungen aushalten". Die Religionen hätten unterschiedliche Werte; das zeige sich etwa im Verhältnis der Geschlechter und im Umgang mit Minderheiten. Nüchtern erinnerte Locher daran, dass die Eidgenossen sich noch 1847 aus Mangel an religiöser Toleranz die Köpfe einschlugen ...
Umstrittene Wegweiser
Die Zürcher Kirchenpflege-Tagung, an der die Behörden vieler Kirchgemeinden teils fast vollzählig und mit ihren Angestellten teilnehmen, findet zum letzten Mal im Zentrum Boldern statt. Die sieben Durchgänge von Freitag 16 Uhr bis Samstag 16 Uhr sind gleich strukturiert: Auf die Begrüssung durch ein Mitglied des Kirchenrats folgt das Referat "Christliche Werte: Wegweiser gesucht!" von Stefan Grotefeld, dem Beauftragten der Landeskirche für Fragen der Wirtschaft.
Nach einem kabarettistischen Ausklang (und Zeit für Gespräche) folgt am Samstag Morgen der Vortrag zu einem der genannten sieben Bereiche (unter den Referenten die kantonale Bildungsdirektorin Regine Aeppli und FCZ-Präsident Ancillo Canepa). Vor und nach dem Mittagessen können zwei von acht Workshops zu den Werten Toleranz, Freiheit, Nachhaltigkeit, Solidarität, Zivilcourage, Kollegialität, Glück und Unternehmungslust besucht werden. Ein Plenum schliesst die Tagung ab.
"Werte verstehen, verkörpern, vermitteln und vertreten"
Koordinator Stefan Grotefeld spricht in seinem Vortrag von Wert-Konflikten, die entstehen, "wenn Werte konkretisiert und gegeneinander abgewogen werden müssen". Er braucht für Werte das Bild von Leuchttürmen, die Ziele markieren, wogegen Normen wie Bojen Grenzen setzen. "Unsere Werte drücken aus, was wir für wünschenswert halten, wonach wir streben, was wir uns unter einem guten Leben vorstellen". Die Kirchenleute ruft Grotefeld dazu auf, Werte zu verstehen, glaubwürdig zu verkörpern, differenziert zu vermitteln und in gesellschaftlichen Debatten selbstbewusst zu vertreten. Gegenüber dem LKF unterstreicht er den Bezug, den Gottfried Locher herstellte: Die Christen hätten sich stärker bewusst zu machen, was sie denn eigentlich glauben, um Fragen beantworten zu können.
Nötig und diffus
Grotefeld räumt ein, dass der Wertebegriff diffus sei und leicht missverstanden werden könne. Doch wenn Menschen aus verschiedenen Kulturen zusammenkämen, könnten Werte Unterschiede bewusst machen. "Wir merken, dass der eine, wenn er von Gerechtigkeit spricht, anderes meint als die andern". Für ihr Wertebarometer befragt die Zürcher Landeskirche die Tagungsteilnehmenden. Grotefeld findet es "eindrücklich, wie stark immer wieder dieselben sechs Werte oben aus schwingen: Liebe, Frieden Gerechtigkeit, Respekt, Ehrlichkeit und Freiheit".
Die Tagung lebt laut dem Koordinator auch von den Workshops. In den Plenen spüre er Interesse. "Die Leute setzen sich damit auseinander. Was hinterher in der Gemeinde passiert, wird sich zeigen". Die Landeskirche will mit ihrer Webseite weitere Impulse geben und "der Wertedebatte, die der Kirchenrat lancieren will, noch etwas Stoff liefern".