Welsches Manifest: Erneuerung für die Reformierten
Den reformierten Kirchen wächst von Jesus Christus Zukunft zu - durch Hören auf sein Reden und geistgewirkte Erneuerung. Umkehr tut Not. Reformierte in der Romandie empfinden dies besonders stark angesichts der Entwicklung ihrer Kirchen. Am 14. April hat das «Rassemblement pour un renouveau réformé» R3 sein Manifest vorgestellt. Es ist ein kräftiger Weckruf, ebenso freundlich wie eindringlich gehalten, weit über die welschen Grenzen hinaus. Der im November 2015 gegründete Verein R3 hielt in Saint-Loup VD die erste Mitgliederversammlung ab.
Das «Manifeste bleu» reklamiert Blau, die Farbe des Himmels und des Wassers, des Unbegrenzten und der Treue, als die Farbe jener Christen in der reformierten Kirche, die aufgrund der Bibel und der reformatorischen Tradition ihre geistliche Erneuerung ersehnen und darauf hinwirken. Es gebe viele Farben in der Kirche und auch Blau habe mehrere Nuancen, schreiben die Autoren im Eingang zum 24-seitigen bekenntnishaften Papier. Man wolle mit den anderen Farben (liturgische Bewegung, sozial Engagierte, Liberale und Charismatiker werden genannt) im Dialog sein und von ihren Vertretern anerkannt werden.
Am Tisch des Herrn
Der Abend in Saint-Loup bei Pompaples begann mit einer Abendmahlsfeier, die Pfr. Martin Hoegger leitete. Dann stellte Prof. Shafique Keshavjee das in einer Gruppe erstellte und von ihm redigierte blaue Manifest vor. Der Professor, der bis 2010 in Genf ökumenische und Religions-Theologie lehrte, unterstrich seine positive Stossrichtung: Das Manifest soll jene reformierten Gläubigen stärken und vernetzen, die an den genannten Wahrheiten und Werten festhalten, und zweitens das Gespräch mit denen, die sie nicht (ganz) teilen, anregen. Drittens will man durch klare Positionierung zu Vertrauen und Wertschätzung in der Kirche beitragen. Die Präambel steht unter dem Wort, das bei der Verklärung Jesu aus dem Himmel erging: «Celui-ci est mon Fils bien-aimé; écoutez-le.»
Halt!
Das Manifest setzt ein mit einem Stopp-Ruf, den die Autoren in einer Retraite hörten: «Haltet an! Es ist dringend! Betet, fastet und kehrt um zu mir, spricht der Herr.» Christus will die Frustrierten, Müden und Bedrückten entlasten. Sie sollen darum ringen, dass der Herr ihnen alles gibt, was sie brauchen, und sie von sich selbst frei macht (das Gebet von Niklaus von Flüe wird zitiert). Im ersten Teil stehen zwei altkirchliche Bekenntnisse neben der Proklamation, dass die aktuelle Krise der Reformierten in der Romandie nicht zum Zerfall der Kirche führen muss. Im Vertrauen auf den dreieinigen Gott und die Berufung der Kirche wollen die Blauen es sich von ihm schenken lassen, «die Wahrheit zu bekennen in Liebe, Demut und Frieden».
Hoffnungsvoll und kantig
Der zweite Teil des Manifests entfaltet mit zahlreichen Bezügen zur ökumenischen Tradition, Kirchenvätern und Theologen der Neuzeit eine hoffnungsvolle Vision reformierter Kirche. R3 stellt sich in ihren Dienst: «Wir wollen gleichzeitig verwurzeln, ermutigen und weiten.» Die Bewegung verweigert sich «Entmutigung und Defaitismus, autoritärem Gehabe oder sektiererischem Verhalten». Kirche darf nicht verstanden werden als Unternehmen oder als etwas zu Verwaltendes. Sie zeigt sich in Gemeinschaft, Gottesdienst, Diakonie, Bildung und Zeugnis.
Ehrfurcht
Im dritten Teil des Manifests konkretisieren die Blauen ihre Anliegen. Ihre theologischen Fixpunkte sind: die «vielfarbige Gnade Gottes», Jesus Christus als einzige Grundlage (1. Korinther 3,11), die Autorität der Schrift («Nur eine betende und befreite Vernunft vermag ihren Sinn aufzunehmen») und ihre Auslegung mit Rücksicht auf andere Kirchen und auf aktuelle Kontexte, mithin ein Verstehen, das sich nicht am rationalistischen «Siècle des Lumières» (Jahrhundert der Aufklärung) orientiert, sondern ständig wartet auf das «Licht Gottes, das durch die Jahrhunderte strahlt».
Wichtig sind für R3 zudem der Einsatz für die Ehe von Mann und Frau und die Familie, eine kritische Haltung zum gesellschaftlichen Mainstream und zum Staat (ohne sich zu verabschieden!) und Hoffnung und Ehrfurcht im Blick auf Gottes Handeln am Ende der Zeit. Alle diese Punkte werden biblisch unterlegt, mit Bekräftigungen und Ablehnungen profiliert und mit einer Empfehlung zum Handeln abgerundet. Das Manifest soll ins Englische und ins Deutsche übersetzt werden.
Aufbruchstimmung
Nachdem Shafique Keshavjee eloquent Schlaglichter auf das Manifest geworfen und seine Stossrichtung skizziert hatte, leiteten er und Co-Präsident Martin Hoegger die erste Mitgliederversammlung des R3. Der Verein sammelt erneuerungswillige Reformierte aus der Romandie; in ihm geht das mit dem Landeskirchen-Forum verbundene "Forum évangélique réformé" auf. Der frühere Präsident der EPFL Jean-Claude Badoux appellierte an die Anwesenden, die Kräfte in der Romandie zu bündeln. Der Lausanner Pfarrer Daniel Fatzer, Vorstandsmitglied, stellte das Budget vor.
R3 unterstützt die welsche Theologische Fachhochschule (Haute Ecole de Théologie, HET), deren Eröffnung für 2017 geplant ist. Die Mitglieder billigten einen Beitrag an den Ankauf einer grossen Bibliothek, die der HET günstig angeboten wurde. Sie nahmen Kenntnis von den geplanten Arbeitsgruppen des Rassemblement und ermächtigten den Vorstand, ein Teilzeit-Sekretariat einzurichten. Die Website www.ler3.ch ist im Aufbau. Ausser bei Wahlen und Budget wurde nicht abgestimmt, sondern der Konsens erfragt. Die meisten der aktuell 60 Mitglieder des R3 leben in der Waadt. Shafique Keshavjee rief junge Christen auf, sich im Verein zu engagieren.
Webseite des Rassemblement pour un renouveau réformé R3