Was die Kirche im Innersten zusammenhält
Wie entgehen reformierte Kirchen der profillosen Beliebigkeit – und andererseits der Versuchung, sich als nicht-katholisch oder nicht-evangelikal zu definieren? An seiner nationalen Tagung befasste sich das LKF am 7. Juni 2008 mit dem Selbstverständnis der Reformierten und den Grundlagen, die der Genfer Reformator Jean Calvin dafür bereitstellte.
Im Schweizer Föderalismus betonen die reformierten Kirchen ihre kantonalen Eigenheiten. Und seit der Reformation haben sie sich abgegrenzt: gegenüber Rom und den Täufern, weiteren Freikirchen, reformierten Evangelikalen ... Dies genügt nicht, wie der Zürcher reformierte Ökumene-Beauftragte Pfr. Peter Dettwiler in Bern darlegte. Kirche als Christus-Gemeinschaft kann „es im Grunde genommen nur in der Einzahl geben“. Doch, so fragte Dettwiler, „ist nicht jede Kirche … letztlich davon überzeugt, doch etwas mehr von Christus zu haben als die andern, Christus besser verstanden zu haben, Christus besser zu bezeugen, ihm mehr Raum zu geben?“ Nicht einfach sei es zu akzeptieren, „dass die andern den gleichen Christus haben, geschweige denn in diesem gleichen Christus eins zu sein“. Doch genau da, so Dettwiler, beginnt eine echte Ökumene.
Identität nicht durch Abgrenzung
Der Referent erinnerte daran, dass reformierte Gläubige dazu neigen, sich einzeln als Sonderfall zu verstehen (Werbeslogan: ‚Selber denken. Die Reformierten‘). Im 1848 gegründeten Bundesstaat Schweiz hätten die reformierten Kantonalkirchen zwar seit 1920 einen Kirchenbund. Weiterhin halte sich die Überzeugung, „dass die ‚nach Gottes Wort reformierte Kirche‘ in Form und Inhalt dem Evangelium näher steht als die römische“. Abgrenzung gebe es auch gegenüber bekennenden und erwecklich orientierten Christen: Peter Dettwiler stellte die Frage, ob die Landeskirche „nur Volkskirche sein kann, wenn sie ein leichtverdauliches Christentum vertritt und alles, was etwas zu fromm, zu radikal, zu verbindlich ist, sofort ausgrenzt“.
Die Vielfalt der Kirchen mache dann Sinn, wenn sie ihre je eigenen Akzente im Blick auf die gemeinsame Berufung einsetzten, sagte Dettwiler. Christen sind berufen, im anderen Christus zu sehen. Und „jede Kirche muss sich mit dem Zusammenhang zwischen real-existierender Kirche und der Kirche Jesu Christi beschäftigen – sofern sie wirklich christliche, d.h. Christus-bezogene, Christus-zentrierte und von Christus geleitete Kirche sein will“.
Calvin: Auf Gott hören und ihm gehorchen …
Der erste Teil der Tagung galt Jean Calvin, dessen 500. Geburtstag 2009 begangen wird (Bild: Drama "Genève en flammes", 2009). Für Calvin ist Kirche Gottes Geschenk und im Hören auf sein Wort zu gestalten. Pfr. Martin Hoegger, der Ökumene-Beauftragte der Waadtländer Reformierten, wies in seinem Vortrag die Aktualität Calvins auf – im Kontrast zum verwirrenden aktuellen Pluralismus. Calvin wollte keine andere Kirche gründen, sondern der bestehenden das Hören auf das Wort Gottes, den Glauben und die herzliche Gemeinschaft der Urkirche zurückgeben. Bei der Trennung, die aus der Ablehnung der Reformation durch Rom folgte, bewahrte er sich den Sinn für die Einheit der Kirche. Diese ist – vor und durch alle konkreten Gestalten – Gemeinschaft in Christus, gegründet auf dem Willen des Vaters im Himmel.
… in allen Bereichen des Lebens
Der Reformator sah in der Kirche eine Schule des Heiligen Geistes, wo das Wort Gottes verkündigt und gehört, im Abendmahl gefeiert, für alle Lebensbereiche angenommen und umgesetzt wird. Zu seiner Zeit trafen sich, wie Hoegger darlegte, alle Pastoren Genfs wöchentlich, um miteinander und mit den theologischen Lehrern die Bibel zu lesen. Die Diener der Kirche wurden auf kollegiales Wirken verpflichtet. Unterschiedlich begabt, sollten die Christen einander dienen.