Versöhnung macht Christen zur Kraft in Europa

Zum Abschluss des Kongresses von «Miteinander für Europa» in München haben am 2. Juli 5000 Personen in einer Kundgebung ein öffentliches Zeichen für Verständigung und Versöhnung gesetzt. Die Christen aus 200 Gemeinschaften und Bewegungen in 32 Ländern kamen zusammen, um ihre konfessionsübergreifende Gemeinschaft zu vertiefen und sichtbar zu machen.

«Wenn wir die drängenden Fragen Europas nicht klären, werden sie uns überrollen», erklärte Gerhard Pross vom internationalen Leitungskomitee des Netzwerks «Miteinander für Europa» zu Beginn des Kongresses. «Europa muss lernen zu teilen!» Der fünfzehnjährige Prozess der christlichen Gemeinschaften und Bewegungen habe durch Versöhnung dazu geführt, dass «Verschiedenheit als Bereicherung erlebt wird». Dies befähigt, so Pross, die Gemeinschaften, den Fliehkräften in Europa einen Weg zu einem neuen Miteinander entgegen zu setzen.

Ein Podium hatte den programmatischen Titel «Europas Zukunft liegt in seinen Wurzeln». Auf ihm sagte der deutsche Kardinal Reinhard Marx, das Christentum sei dazu da, die Welt «in ein neues Licht zu setzen». Dazu gehöre auch die politische Einflussnahme. Christen sollten sich nichts mehr darauf einbilden, dass die Menschenrechte oder auch das Grundgesetz Deutschlands wesentliche Wurzeln in der Botschaft Jesu hätten. Vielmehr hätten sie demütig daran zu gehen, diese Botschaft in der Welt konkret sichtbar zu machen. So trügen sie dazu bei, die neue Gefahr eines primitiven Nationalismus zu überwinden.

Hoffnung in der Systemkrise
Michael Hochschild, Postmoderne-Forscher am TimeLab in Paris, unterstrich die Bedeutung der Bewegungen und geistlichen Gemeinschaften für die Zukunft des Kontinents. Ihre Gesellschaften steckten in einer tiefen Systemkrise. In einer Zeit der Ratlosigkeit und der Visionsarmut böten Gemeinschaften alternative Lebensmodelle.

«Sie als Bewegungen schaffen das nötige Vertrauen in die Zukunft. Dafür müssen Sie sich aber noch stärker als kulturelle Gestaltungskräfte verstehen und zeigen. Sie müssen ‹soziale Bewegungen› werden», sagte Hochschild. Das Miteinander sei entscheidend: «Nur eine versöhnte Kirche kann einen glaubwürdigen Beitrag zur Versöhnung leisten. Wo sie sich zu ihrer kulturellen Gestaltungskraft bekennen, machen Sie deutlich, dass es zur aktuellen Krise eine Alternative, ja ein Morgen gibt.»

Über alte Grenzen hinweg
Linke und Freidenker, Theologen und Philosophen christlicher Bewegungen diskutierten die «Mystik der Begegnung». Der österreichische Kommunist Walter Beier rief die Christen auf, keine Angst vor der Säkularisierung zu haben: «Was die letzten Sinnfragen betrifft, sind wir einander näher als wir denken, es geht um Menschsein in Fülle.»

An der öffentlichen Abschlusskundgebung waren Kirchenführer in Videobotschaften präsent. «Euer Miteinander ist eine Kraft der Kohäsion und hat das klare Ziel, die Grundwerte des Christentums in konkrete Antworten auf die Herausforderungen eines Kontinents in Krise umzusetzen», sagte Papst Franziskus. Vielleicht habe es noch nie eine solche Notwendigkeit gegeben, zusammenzustehen und solidarisch zu handeln, ergänzte Patriarch Bartholomäus I. aus Konstantinopel.

«Die Tränen und die Hoffnungen des Kontinents umfangen»
Der EKD-Ratsvorsitzende Heinrich Bedford-Strohm, in München anwesend, freute sich über die sichtbare Einheit. «Diese Christen bekommen wir nicht mehr auseinander, sie gehören zusammen», sagte Kardinal Reinhard Marx. Metropolit Serafin Joanta, Kardinal Kurt Koch und der württembergische evangelische Landesbischof Otfried July baten in einem gemeinsam verlesenen Gebet um Vergebung und um neue Wege im Miteinander. Sie umarmten sich als Zeichen der Versöhnung.

Das Netzwerk «Miteinander für Europa» will Christen einander näher bringen und wirkt darauf hin, dass sie sich gemeinsam in die Gesellschaft einbringen. Laut Maria Voce von der Fokolar-Bewegung wird Einheit bereits erfahren: «Uns eint die Liebe Gottes, die unsere Augen und Herzen geöffnet hat, um die Ängste, die Tränen und die Hoffnungen dieses Kontinents zu umfangen.» Marco Impagliazzo von der Bewegung Sant’Egidio rief zum Einsatz auf, damit der Kontinent «ein Europa für unsere Kinder wird.»

Nach jedem Beitrag wurde ein Brett vor dem grossen «Tor zur Zukunft» auf der Bühne entfernt, bis es mit dem «Schlüssel der Versöhnung» ganz geöffnet wurde. Einen symbolischen Schlüssel bekam zum Schluss jeder Teilnehmende mit nach Hause.

Bilder: C Miteinander für Europa, Grill / Haaf