Kirchenbund wandelt sich zur «Evangelisch-reformierten Kirche Schweiz»
Die Klammer um die 24 reformierten Kantonalkirchen, die Methodistenkirche in der Schweiz und die Eglise évangélique libre de Genève wird neu gefasst. Am 18. Dezember wurde die neue Verfassung in der Schlussabstimmung genehmigt. Deutschschweizer und Romands haben sich in einem langwierigen Prozess auf eine Grundlage geeinigt, welche die Verfassung von 1950 ersetzt.
Die Reformierten wollen auf nationaler Ebene nicht nur zusammenarbeiten und eine Vertretung gegenüber dem Bund haben, sondern miteinander Kirche sein, die Evangelisch-reformierte Kirche Schweiz (EKS). Diesem neuen Selbstverständnis – Kirche sein auch auf Bundesebene, nicht nur lokal und kantonal – gibt eine nationale Synode Ausdruck. Geleitet wird die Kirche von ihr, dem Rat und seinem Präsidenten. Diese dreigliedrige Leitung zu etablieren, war ein Ziel des Ratsvorsitzenden Gottfried Locher; es wurde über Umwege erreicht. 2019 wird die Synode gewählt; in ihr werden die grossen Kirchen stärker vertreten sein.
Verankerung in den Bekenntnissen der Kirche
Die EKS bekennt in der Präambel der Verfassung den dreieinigen Gott; die Bibel ist ihr «das Zeugnis der göttlichen Offenbarung». Sie weiss sich den Grundaufgaben jeder Kirche verpflichtet: Verkündigung, Diakonie, Sammlung der Menschen, Eintreten für Gerechtigkeit und Frieden und Verständigung. Eine Anknüpfung ans weltweit übliche Kirchenverständnis markiert § 3: «Die EKS teilt mit der ganzen Christenheit den Glauben, wie er in den altkirchlichen Glaubensbekenntnissen formuliert ist.»
Die EKS beansprucht, die Reformation, der ihre Kirchen entstammen, in Achtung ihrer frühen Bekenntnisschriften weiterzuführen; zugleich will sie «den christlichen Glauben in zeitgemässer Weise zum Ausdruck» bringen. Sie bezeichnet sich als «Teil der einen, heiligen, allgemeinen und apostolischen Kirche» und strebt, international vernetzt und zusammen mit anderen Kirchen, «ein glaubwürdiges christliches Zeugnis in der Gesellschaft an».
Mit Anregungen leiten
Die Abgeordneten der Mitgliedkirchen sorgten in den Beratungen dafür, dass die nationale Kirchenleitung nicht zu grosse Sprünge macht. Es obliegt ihr, den Zusammenhalt unter ihnen – über den Röstigraben hinweg – und das Einvernehmen zu fördern. «Die EKS bezieht bei ihrem Wirken die Mitgliedkirchen mit ein» (§ 5,3). Sie übernimmt Aufgaben nur, wenn die Mitgliedkirchen und ihre Verbände sie nicht erledigen können (Subsidiarität, § 5,4). Zudem kann sie Aufgaben nach dem Vorortsprinzip an einzelne Mitgliedkirchen abgeben.
Leitung geschieht nicht mit Weisungen, sondern mit «Anregungen zum kirchlichen Leben und zur kirchlichen Auftragserfüllung», mit theologischer und ethischer Grundlagenarbeit, die in Stellungnahmen gegossen werden, und Impulsen fürs «geistliche Leben» der Reformierten (§ 6). Wie bisher der SEK wird die EKS die Mitgliedkirchen beim Bund vertreten, als sein Gegenüber nationale Aufgaben (etwa in den Asylzentren) übernehmen und international ökumenische Beziehungen pflegen.
Auch Assozierung möglich
Die EKS ist ein Verein gemäss Art. 60 ff. ZGB. (Der Versuch, ein eigenes evangelisches Kirchenrecht zu etablieren, scheiterte 2013.) Die Mitgliedschaft steht weiteren evangelischen Kirchen offen, die Verfassung und Präambel anerkennen, körperschaftlich organisiert und nicht Teil einer Mitgliedkirche sind. Evangelische Kirchen und Gemeinschaften in der Schweiz, die nicht Mitglieder sind, können sich mit der EKS assoziieren, um mit ihr einen «strukturierten Austausch» zu pflegen.
Das geistliche Leben fördern
Die Abgeordneten legten in der Beratung fest, dass Synode, Rat und Präsident/in – das heisst alle drei Glieder der EKS-Leitung – dem Auftrag der Kirche «in all ihrem Tun» verpflichtet sind und miteinander «das geistliche Leben» der EKS zu fördern haben.
Die Synode ist das oberste Organ der EKS, der siebenköpfige Rat das leitende und vollziehende Organ. «Im Rat sind Ordinierte und Nichtordinierte, die Geschlechter sowie die Sprachregionen angemessen vertreten» (§ 27,4). Die Synode kann Handlungsfelder festlegen; der Rat setzt für jedes Handlungsfeld einen Ausschuss eins, der von einem seiner Mitglieder geleitet wird. Der Präsident des Rats moderiert neu die bereits bestehende Konferenz der Präsidenten der Kantonalkirchen; diese soll beratend und koordinierend wirken soll und kann auch Themen aufbringen.
Festgottesdienst
Die Abgeordneten billigten die neue Verfassung in der Schlussabstimmung am 18. Dezember in Bern mit 62 zu 1 Stimmen bei einer Enthaltung. Sie beschlossen, sie erst auf Anfang 2020 in Kraft zu setzen. Der Abschluss der Arbeiten wurde mit einem Festgottesdienst in der Französischen Kirche gefeiert.
Eine adhoc-Kommission der Abgeordnetenversammlung (AV) wird 2019 das Reglement der Synode entwerfen, während die Mitgliedkirchen die Synodalen wählen. Den Übergang zur EKS leitet als AV-Präsident der Neuenburger Pfarrer Pierre de Salis; er wirkte bisher als Vize von Claudia Haslebacher. Der Berner Methodistenpfarrerin dankten die Abgeordneten für die überlegte Leitung der Verhandlungen mit einer Standing Ovation. Als neue Vizepräsidentin wählten sie die Hemberger Pfarrerin Barbara Damaschke-Bösch. Sie wird de Salis Anfang 2021 im Synode-Vorsitz ablösen.
Bild Festgottesdienst: SEK/N. Rauscher