Unterwegs zu einem stärkeren Kirchenbund

Die Schweizer Reformierten mühen sich um eine zeitgemässe gemeinsame kirchliche Gestalt. Wie sind sie Kirche, wie handeln und reden sie gemeinsam als Kirche, so dass man sie in der spätmodernen Mediengesellschaft als solche wahrnimmt und ihre Botschaft hört? Die Arbeiten für eine neue Verfassung des Kirchenbundes bergen viel Konfliktpotenzial, da das Selbstverständnis der Kirchen im Spiel ist. Am Dienstag, 17. Juni, suchten die Abgeordneten der SEK-Mitgliedkirchen an ihrer Sommerversammlung Differenzen auszuräumen.

Das Ringen um die gemeinsame Gestalt der Schweizer Reformierten konzentriert sich seit Jahren in den Debatten um die Revision der Verfassung des SEK von 1950. Ein Entwurf des Rats des SEK mit dem Ziel, eine „"Evangelische Kirche Schweiz"“ zu schaffen, wurde letztes Jahr von der Mehrheit der Mitgliedkirchen in vielen Punkten abgelehnt. Darauf verlängerte der Kirchenbund die Sommer-Abgeordnetenversammlung in Schuls um einen ganzen Tag, um Grundfragen der Revision zu diskutieren.
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Ein Schritt zurück
Im Vorfeld listete der Rat des SEK die Rückmeldungen aus den Kantonalkirchen auf, ohne sie qualitativ auszuwerten und Folgerungen zu ziehen. Anderseits präsentierte er seine Gesichtspunkte nochmals in sechs Teilen, als Diskussionsgrundlage für den Dienstag, 17. Juni. Doch wurde in Schuls zu Beginn ein Antrag angenommen, der verlangte, einen Schritt zurückzugehen und erst die drei 2010 präsentierten Modelle (gestärkter Kirchenbund, „"umfassende"r“ Kirchenbund, Schaffung einer Evangelischen Kirche Schweiz) zu erörtern.

"Das Wichtigste ist noch nicht gelungen“"
Der Tag begann mit Pendenzen. Delegierte kritisierten mehrere Vorhaben des Rats zum Reformationsjubiläum. Dann blickte Gottfried Locher, am Vortag für eine zweite vierjährige Amtszeit wiedergewählt, auf die letzten Jahre zurück. Das Wichtigste sei noch nicht gelungen: die veränderte gesellschaftliche Situation als Chance zu erfassen. Die Reformierten werden weniger, und dies könne Angst machen. Aber er, sagte Locher, sei „"nicht bereit, so zu arbeiten, dass wir ständig eine Bedrohung im Mittelpunkt haben"“. Es gelte nach den Chancen einer kleineren Kirche mit weniger Geld zu fragen. "„Seid wachsam für die Zeit, denn sie hat sich geändert. Wir sprechen in eine veränderte Schweiz hinein".“

Drei Ebenen gehören zusammen
Die drei Ebenen (lokal, regional und national) machen miteinander Kirche aus, betonte Locher. Er verdeutlichte dies am Beispiel der Seelsorge, welche die Ortspfarrerin, der Spitalpfarrer wie auch der Seelsorger unter Asylsuchenden leisten. "„Fast immer sind wir miteinander gefragt. Wir brauchen einander".“ Heute sei ein anderes Zusammenspiel als vor 50 Jahren erforderlich, um glaubwürdig zu sein. „"Ich träume von einer Kirche, die Jesus bewusst nachfolgt. Wir müssen die Einheit stärken. Alle haben den einen Auftrag: das Evangelium in Wort und Tat zu verkündigen".“

In den falschen Hals
Nach dem Wort des Ratspräsidenten trug der PR-Berater Philippe Welti, als Moderator für den Tag eingeladen, eine Aussensicht der Reformierten vor. Zu persönlichen Erfahrungen stellte er Einschätzungen. Die Strukturen der Kirche seien nicht mehr zeitgemäss. Holzschnittartige Bemerkungen Weltis („"Die Gläubigen wissen nicht, wofür ihre Kirche steht"“) gerieten Delegierten in den falschen Hals. Darauf wurde in emotionaler Stimmung der Antrag gestellt, ohne ihn weiterzufahren. Er fand eine deutliche Mehrheit. Später bat der Antragsteller, sein Vorgehen zu entschuldigen.

Geistliche Fragen auch national erörtern
Nach der Pause gingen die Delegierten in drei Gesprächsgruppen. Die Ergebnisse des Austausches wurden am Nachmittag präsentiert und kommentiert. Da zeigte sich, dass manche Vorschläge des Rats von 2013 in Mitgliedkirchen aufgenommen und differenziert gewürdigt werden. Laut Wilfried Bührer (TG) braucht der Schweizer Protestantismus eine Synode auf nationaler Ebene, welche Fragen des Kirche-Seins, etwa die Taufe, besprechen und regeln kann. Und auch „"jemanden, der der Kirche ein geistliches Gesicht gibt“". Man hörte, dass die vom Rat vorgeschlagene Leitung durch Synode, Rat und Präsident eher Akzeptanz findet, wenn die drei Glieder für die Einheit, Verbindlichkeit und Vernehmbarkeit des Protestantismus stehen.

Unterschiede zwischen Kirchen wahrnehmen
Die erste Gesprächsgruppe mahnte beim Kirchenbund „"ein stärkeres Bewusstsein für die unterschiedliche Stärke und Kultur in unseren Kirchen"“ an. Die Romands müssten eingebunden bleiben, sagte die Berichterstatterin Theres Meierhofer-Lauffer. Die Schweizer Reformierten hätten zu mehr theologischer Verbindlichkeit zu gelangen. Es gehöre zur geistlichen Leitung, theologische Aussagen des internationalen Protestantismus an die Basis zu bringen. Wie die Ressourcen gebündelt werden sollen, führte der Berner Synodalratspräsident Andreas Zeller anhand von Ergebnissen einer Strukturkommission aus.

Herausgehobenes Präsidium?
Die Romands, welche die zweite Gruppe gebildet hatten, wünschten auf dem Weg zur Kirchengemeinschaft weiterzugehen; die Punkte, in denen Einigkeit erreicht worden sei, sollten aufgelistet werden. Eine dreigliedrige Leitung lehnten die Romands ab. In der dritten Gruppe wurde festgestellt, es habe bisher im Verfassungsprozess zu viele Überraschungen gegeben. Er sei nicht partizipativ genug verlaufen. Anzustreben sei ein gestärkter Bund von starken Kirchen (zweites Modell). Zur Sprache kam ein Zweikammersystem (Abgeordnete der Mitgliedkirchen, Kirchenpräsidien). Eigentlich werde eine Gemeinschaft der evangelischen Kirchen in der Schweiz gewünscht, sagte die Berichterstatterin Claudia Haslebacher.

Gottfried Locher konstatierte, dass zunehmend vom „"geistlichen Amt"“ gesprochen werde -– nicht im klerikalen Sinne. Andreas Zeller wiederholte die Meinung seines Synodalrats, ein spezielles geistliches Amt sei nicht nötig, attestierte aber dem von ihm 2010 portierten Locher, er vertrete "„den Protestantismus in hervorragender Weise"“ auf dem internationalen Parkett, in der Schweizer Öffentlichkeit und in den Medien.

Zuversicht und Mahnung
Zeller gab sich zuversichtlich, dass ein „"starker Kirchenbund auf der Basis starker Kantonalkirchen"“ geschaffen werden könne. Die Abgeordneten billigten einen Antrag der Zentralschweizer Kirchen. Danach soll der Rat die Ergebnisse der Aussprache mit den kantonalen Kirchenpräsidenten erörtern und der nächsten Versammlung im November „"Grundüberlegungen für die Weiterarbeit"“ vorlegen. Gottfried Locher befand zum Abschluss des Tages, der Geist habe geweht. Nun könne man weiterarbeiten. In manchen Punkten sei kein Konsens da. "„Versuchen wir uns mutig an das zu halten, was Konsens ist".“

Die Schweizer Reformierten: für immer föderalistisch?
Berichte und Dokumente der Sommer-Abgeordnetenversammlung in Schuls