EKS-Synode: Misstrauen und Moria-Resolution
Die ausserordentliche Synode der Evangelisch-reformierten Kirche Schweiz (EKS) hat Schritte zur Bewältigung der Krise getan. Das seit April geschürte Misstrauen gegenüber EKS-Gremien belastete die Versammlung in der Bernexpo. Die Überlastung hat zum Rückzug der designierten Synodepräsidentin Barbara Damaschke-Bösch geführt: Innert weniger Wochen müssen die Reformierten einen Ersatz finden. Die Synodalen verabschiedeten eine Resolution zu Moria und berieten ihre eigene Geschäftsordnung.
Die Synode der Evangelisch-reformierten Kirche Schweiz muss ihr Präsidium für die nächsten zwei Jahre neu bestellen. Die dafür vorgesehene Barbara Damaschke-Bösch, Pfarrerin in Hemberg SG, Familienfrau und Kirchenrätin, steht aufgrund der übermässigen Belastung der letzten Monate für 2021-22 nicht zur Verfügung. Dasselbe teilte Heinz Fischer, der als zweiter Vizepräsident amtiert, den Synodalen zu Beginn der Versammlung am 13. September in der Bernexpo mit. Die zweijährige Amtszeit von Präsident Pierre de Salis läuft Ende Jahr aus.
Zwei Kandidatinnen für den EKS-Vorsitz
Neben ihrem eigenen Präsidium wird die EKS-Synode nach dem Rücktritt von Sabine Brändlin und Gottfried Locher im Frühjahr Anfang November auch jenes des Rates wählen. Für den Ratsvorsitz bewerben sich (Stand 15. September) die Pfarrerin Rita Famos, Leiterin der Spezialseelsorge der Zürcher Kirche, die bereits 2018 antrat, und Isabelle Graesslé. Graesslé, derzeit Pfarrerin in der Waadt, arbeitete in Genf, habilitierte sich als Privatdozentin für Praktische Theologie in Bern und leitete 2004-16 das Genfer Reformationsmuseum. Für den zweiten vakanten Sitz kandidiert die Methodistenpfarrerin Claudia Haslebacher, die die SEK-Abgeordnetenversammlung 2017-18 präsidierte.
Mandat der Untersuchungskommission erweitert
Mehrere Stunden brauchte die Synode, um das Mandat ihrer Untersuchungskommission zum Doppelrücktritt zu erörtern und deren Mitglieder zu wählen. Der Aargauer Kirchenratspräsident Christoph Weber-Berg drang mit dem Antrag durch, die Synode müsse das Mandat (Aufgaben, Zeitplan und Kostenrahmen) genehmigen. Gemäss dem noch geltenden AV-Reglement hatte das Synodepräsidium es entworfen und zur Kenntnisnahme vorgelegt.
In der Folge wurde das Mandat noch erweitert. Auf Antrag der Nordwestschweizer Kirchen sollen auch die Divergenzen zwischen dem GPK-Bericht zum Vorgehen des Rates und dessen Stellungnahme dazu (beide am 15. Juni abgegeben) ausgeleuchtet werden. Zudem sei ausdrücklich festzuhalten, dass die Kommission der Synode Bericht zu erstatten habe. Dem stimmten die Synodalen deutlich zu.
Auch Nicht-Synodale wählbar
Lange zu reden gab die Frage, ob nur Synodale der Kommission als Mitglieder mit Stimmrecht angehören können oder auch Personen aus EKS-Konferenzen, in diesem Fall der Frauenkonferenz. Das alte Reglement und auch die neue EKS-Verfassung sehen dies, wie GPK-Präsident Johannes Roth festhielt, nicht vor. Doch mehrere Synodale plädierten dafür, das Fachwissen aus Konferenzen zu nutzen und Gabriela Allemann von der Frauenkonferenz zu wählen.
In der geheimen Wahl erhielten neben Allemann Rolf Berweger, ZG, Corinne Duc, ZH, Barbara Hirsbrunner, GR, Roland Stach, BE, Lars Syring, ARAI, und Marie-Claude Ischer, VD, am meisten Stimmen. Der Frauenfelder Pfarrer Hansruedi Vetsch, der ebenfalls kandidierte, erreichte das absolute Mehr, schied aber als überzählig aus. Die seit einem Jahr amtierende Waadtländer Synodalratspräsidentin Marie-Claude Ischer, die 76 von 77 Stimmen erhielt, wird die Kommission leiten.
Kosten des Doppelrücktritts
Der Rat antwortete auf Fragen von kantonalen Kirchenleitern zu den bis Juni aufgelaufenen Kosten des Doppelrücktritts. Die Anwälte und Kommunikationsfachleute, die ab Januar für Esther Gaillard und Sabine Brändlin arbeiteten, und jene, die Mitte April vom Rat beauftragt wurden, stellten 198'000 Franken in Rechnung.
Als Sprecher des Rats betonte Pierre-Philippe Blaser, dieser habe um seiner Handlungsfähigkeit (Art. 69 ZGB) willen Entscheide fällen müssen, ohne sie vorab der Vereinsversammlung vorzulegen. Bis heute leite der Rat seine Kommunikation selbst. Über die Abfindung für Gottfried Locher gab der Rat keine Auskunft; das Stillschweigen sei eine Bedingung für die einvernehmliche Auflösung des Arbeitsvertrags gewesen. Im Unterschied zu Locher (Vollamt) hatte Sabine Brändlin keinen Arbeitsvertrag.
Namens der Interpellanten wunderte sich Christoph Weber-Berg, wofür denn die Fachleute beinahe 300 Stunden gearbeitet hätten. Das vereinbarte Stillschweigen sei nachvollziehbar. Der Rat solle «grösstmögliche Transparenz schaffen». Man sei einen Schritt weiter als im Juni.
Einsetzung der Synodalen
Zwischen den Beratungen am Sonntag Nachmittag und am Montag fand am Abend in der Berner Johanneskirche der Gottesdienst zur Einsetzung der Synodalen statt. Den Rahmen gaben Orgelstücke von Bach und Couperin, Kirchenlieder und eine dreisprachige Liturgie mit ungewohnten Formulierungen («Mögen unsere zornigen Herzen den Frieden finden, den sie brauchen, um voranzukommen. Trotz unserer enttäuschten Perspektive, möge dein Geist uns helfen, uns nicht in Bedauern und Bitterkeit zu verzetteln»).
Der abtretende Berner Synodalratspräsident Andreas Zeller predigte über 2. Timotheus 1,7. «Unsere Kirche braucht Ermutiger», sagte Zeller: den Geist der Kraft, der im Miteinander wirkt, Liebe, die «nicht zurechnet und nicht abrechnet – mit niemandem». Und Besonnenheit. Der Weg aus der Krise erfordere Zeit und Geduld. Die Synodalen gelobten mit den Worten «Ja, mit Gottes Hilfe», ihre Aufgabe wahrzunehmen.
Kirche in der Finsternis
Zu Beginn der Synode hatte Pierre-Philippe Blaser namens des Rats über die letzten Monate reflektiert, ausgehend von der Frage, was überhaupt geschehen sei. Der Murtener Pfarrer brauchte das Bild der Sonnenfinsternis – «en plein jour, en plein temps de Pâques». War die Finsternis vorhersehbar? Die Bibel, Kant und Bonhoeffer hätten als Warnung dienen können, meinte Blaser. «Haben wir uns, was uns betrifft, in Illusionen gewiegt? Etwa unseren Reglementen, unseren Kompetenzen oder unserer sakrosankten Fähigkeit zur Analyse zu sehr vertraut?»
Was die Krise für die «foi protestante» bedeute, sei erst noch zu formulieren, sagte Pierre-Philippe Blaser. Und fügte die Frage an, ob Gott in den Diskussionen der Verantwortlichen Raum gefunden habe, angesichts von Verrechtlichung, Politisierung, Selbstbezogenheit und Narzissmus in der Gesellschaft, welche auch die Kirche beträfen. Der Rat wolle niemand belehren, meinte Blaser, hoffe aber, mit den Überlegungen die Synodalen auf einem «terrain commun» wiederzufinden. Er schloss mit Sätzen aus Bonhoeffers Ethik zum Handeln in aussergewöhnlichen Situationen.
Moria-Resolution
Am Montag verabschiedete die Synode mit 68 zu 5 Stimmen bei zwei Enthaltungen eine Resolution zum Elend der Flüchtlinge in Griechenland. «Die Schweiz kann und muss mehr tun», heisst es im vom Rat vorgelegten Text, den die Synode nach Anträgen aus Zürich zuspitzte.
Synode und Rat der EKS fordern angesichts des Elends auf den griechischen Inseln von der Eidgenossenschaft «einen Akt der Humanität»: Sie solle «sich sowohl dafür einzusetzen, dass die auf den Inseln festsitzenden Menschen schnellstmöglich evakuiert werden, als auch selber ein Kontingent aufzunehmen». Ihnen solle «umgehend Zugang zu einem fairen Asylverfahren sowie adäquate Unterbringung und Betreuung gewährt werden». Der Bundesrat solle «alles in seiner Macht Stehende … tun, um eine möglichst hohe Zahl von Menschen aufnehmen zu können».
Hausordnung
Am späten Montag Vormittag nahm die Synode endlich die Beratung des lange anstehenden Hauptgeschäftes auf: ihrer eigenen Geschäftsordnung. Am Nachmittag – nach den Berichten der Stiftungsratspräsidenten von HEKS und Brot für alle, Walter Schmid und Jeanne Pestalozzi, der Kenntnisnahme der beiden Jahresrechnungen und dem Ja zu den Zielsummen – wurde die erste Lesung fortgeführt und beendet. Dabei billigten die Synodalen Änderungsanträge namentlich von Aargauer Seite. Nach der vorangehenden Diskussion wurde festgeschrieben, dass als Mitglieder von nichtständigen Kommissionen «in Fällen, die ihren Fachbereich betreffen», auch Delegierte von Konferenzen gewählt werden können. Und unter den nichtständigen Kommissionen, welche die Synode einsetzen kann, sind Untersuchungskommissionen explizit aufgeführt.