St. Galler Kirche pflegt Kinder- und Jugendarbeit

Die St. Galler reformierte Kirche will Kinder und Jugendliche geistlich begleiten und sie hinführen zum "„erwachsenen Christenleben“". Am 28. Juni diskutierte die Synode ein Konzept des Kirchenrats. Darin plädiert er für altersgerechte Gottesdienste, obligatorische Erlebnistage und die Verbindung von Kinder- und Elternarbeit. Zu reden gab den Synodalen namentlich die Verbindlichkeit von Angeboten.

Der Kirchenrat hatte einen 44-seitigen Bericht erstellt und darin eine „"Gesamtschau aller Aspekte der geistlichen Begleitung von Kindern und Jugendlichen"“ versucht. Als grundlegend drängte sich für den Kirchenrat "„eine Diskussion dessen auf, was Konfirmation, Taufe und Abendmahl je für sich bedeuten und wie sie sich zueinander verhalten"“. Die Taufe solle nicht als Zulassungsbedingung für die Konfirmation gesetzt werden. Doch könnten Unterricht und Konfirmation "„eine wichtige Rolle in der Taufvergewisserung und in der Taufhinführung übernehmen"“.

Konfirmation als Übergang gestalten
Bei der Konfirmation betonte der Kirchenrat im Bericht „"den Übergang von der Zeit des Begleitetwerdens in die Zeit der Selbstverantwortung und des selber Begleitens"“. Im Konfirmandenjahr sollen daher Pfarrerinnen mit den Konfirmanden "„individuell Möglichkeiten erarbeiten, sich nach der Konfirmation zu engagieren und kirchliches Leben aktiv mitzugestalten"“. Selbstkritisch heisst es im Bericht: "„Eine kontinuierliche, altersgemässe Hinführung zum evangelischen Gottesdienst und zur Teilnahme am Gemeindeleben ist in der aktuellen Form der Kirchenordnung zumindest in einer verbindlichen Form nicht zu finden".“ Und ganz unverblümt: „"Der Jugendgottesdienst beispielsweise steckt in einer gravierenden Krise".“

Schulischer Unterricht allein genügt nicht
Zwar können die anerkannten Kirchen im Ostschweizer Kanton von der 1. bis zur 9. Klasse schulischen Religionsunterricht erteilen. Diesen allein für die Konfirmation zur Vorbedingung zu machen, genüge aber nicht mehr. „"Das Erleben und ausserschulische Aktivitäten sollen grösseres Gewicht erhalten".“ Der Kirchenrat fordert von den Kirchgemeinden des Kantons, dass sie sich „"der Herausforderung eines durchgehenden, alle Altersstufen begleitenden, altersgemässen Gottesdienstangebots für und mit Kindern und Jugendlichen neu stellen"“.

Kinder in der Wiler Gemeindewoche.

Begleiten, stabilisieren, erneuern
Der Bericht bezieht pädagogische Gesichtspunkte ein: „"Die geistliche Begleitung der Entwicklungsstufen soll grosses Gewicht legen auf die Gestaltung der Übergänge und Übergangszeiten...… Es ist wichtig, den Kindern und Jugendlichen in diesen Zeiten innerer Umorientierung genügend Spiel- und Experimentierraum zu gewähren…... Geistliche Begleitung, die sich gleichzeitig als Stabilisierungs- und Erneuerungsarbeit versteht, setzt tragfähige Beziehungen voraus...… Geistliche Begleitung, die dem rebellischen, widerständigen Umlernen gerecht wird, erfordert eine starke emotionale Beteiligung der in diesen Kontexten handelnden Personen…“..."

Herausgehobene Erlebnisqualität
„"Die Entwicklung der persönlichen Identität ist auf ein Leben in Gemeinschaft angewiesen“", betont der St. Galler Kirchenrat. „"Kirchliche Gefässe bieten Möglichkeiten zu wichtigen und auch korrektiven Beziehungserfahrungen. Solche vermag die Familie allein nicht zu bieten. Trotzdem ist eine religiöse Entwicklung ohne die bewusste, aktive Unterstützung der Familie nur schwer zu haben".

Achten will die Kirche "auf niederschwellige Alltagsorientierung einerseits und auf herausgehobene Erlebnisqualität andererseits. Feiern, Abenteuer, Herausforderung und Bewährung spielen eine wichtige Rolle. Dennoch kann geistliche Begleitung mit einzelnen Events oder spektakulären Einzelaktionen allein nicht gewährleistet werden".“

Mit den Eltern kontinuierlich arbeiten
Der Kirchenrat will funktionierende Modelle der Arbeit mit Vorschulkindern stärken und weiteren Kirchgemeinden empfehlen. Erfahrungen mit „"Familien- und Generationenkirche"“ sollten Gemeinden vermehrt miteinander teilen. Die Kirchenleitung will die Elternarbeit entschieden stärken, schon deswegen, weil Eltern „"heute nur noch eingeschränkt religiös und kirchlich sozialisiert sind"“. Dazu trage bei, dass schon vor zehn Jahren bloss jede achte Ehe im Kanton zwei evangelische Partner hatte.

Die Taufe ist einzig kostbar, doch genügt sie nicht: „"Eine konsequent durchgeführte Eltern- und Beziehungsarbeit in allen Aspekten der an sie anknüpfenden geistlichen Begleitung -– vom ersten Taufgespräch bis hin zur Konfirmation -– macht Väter, Mütter und deren Kinder zu einer Schicksals- und Weggemeinschaft".“

Vor dem Konf 8-10 Blocktage
Das Konzept baut auf die vier Säulen Feiern, Bilden, Begleiten und Erleben und zielt auf vielfältigere Formen der Kinder- und Jugendarbeit. Konkret schlägt der Kirchenrat vor, dass Schülerinnen und Schüler der 7. und 8. Klasse jährlich an vier bis fünf Erlebnistagen teilzunehmen haben. Dies anstelle der zweiten Wochenlektion Religionsunterricht, die vom Regierungsrat auf 2012 gestrichen wurde -– nachdem viele Kirchgemeinden diese Lektion gar nicht mehr erteilt hatten.

Synode: Obligatorien zumuten?
In der neu konstitutierten Synode wollten sich zahlreiche Angehörige zum Bericht äussern. Die meisten Voten und Anträge drehten sich um die Verbindlichkeit. Wie stark sind Kinder und Jugendliche zum Besuch von Religionsunterricht, Jugendgottesdiensten oder Erlebnistagen zu verpflichten, um schliesslich konfirmiert zu werden? „"Kindern und Jugendlichen sind Obligatorien zuzumuten"“, gab sich Beatrice Baumberger überzeugt. Schon der Besuch des Religionsunterrichtes während der Primarschule sollte obligatorisch sein. Pfr. Christoph Casty widersprach. Ausgangpunkt der Vorlage sei der (problematische) obligatorische Besuch von Jugendgottesdiensten gewesen. „"Nun diskutieren wir wieder über Obligatorien".“

Kantonalkirche unterstützt Gemeinden
Ein anderer Pfarrer argumentierte, die Kirche dürfe nicht über Obligatorien wahrgenommen werden. Zu hohe Verbindlichkeit könne die Kirchgemeinden überfordern, gab ein Synodale zu bedenken. Erlebnistage seien aufwändig und personalintensiv. Zudem bestünden in einigen Kirchgemeinden bereits bewährte Modelle der Begleitung von Kindern und Jugendlichen. „"Durch eine Verlagerung der Vorgaben besteht die Gefahr, diese nicht mehr anbieten zu können".“

Der Kirchenrat verstand die Botschaft: Er wird in den nächsten Monaten eine kirchenrechtliche Vorlage ausarbeiten, die den Gemeinden viel Gestaltungsfreiheit lässt. Zudem sollen die Gemeinden durch die Arbeitsstellen der Kantonalkirche unterstützt sowie verschiedene Modelle in der Praxis getestet werden.

Der Bericht, Übersicht auf der letzten Seite