Sollen Steine reden?
In der Gemeinde sollen alle zugerüstet werden, von Jesus zu reden. Dafür plädierte Pfrn. Viviane Baud. Die Kirche ist dazu da, Hoffnung in die Gesellschaft hineinzutragen, sagte Andreas Boppart von Campus. Die Reformierten könnten eine Schlüsselrolle wahrnehmen. «Überall bewegt Gott etwas – die Frage ist, mit oder ohne uns?» Der Zürcher Kirchenratspräsident Michel Müller fragte, wie Christen im Gespräch über den Glauben mit der Wahrheit umgehen.
Mission ist dringlich – und sie darf nicht an Einzelne in der Kirche delegiert werden. Dass die Reformierten von Freikirchen und Werken lernen können, räumte Pfr. Hansurs Walder vom LKF in der Einleitung der Tagung im KGH Winterthur-Seen ein.
Der Referent Andreas Boppart fragte, ob jemand im Saal anwesend sei, der nicht von einem anderen den Glauben bezeugt bekam. Dies zeige die Bedeutung der Verkündigung.
Der Campus-Leiter betonte zu Beginn, sein Herz schlage für die reformierte Kirche. Sie stehe mitten in der Gesellschaft. Doch hätten sich die Reformierten Christus rauben lassen. Nun seien sie herausgefordert, mutig «eine Basisbewegung zu schaffen, die Christus ins Zentrum stellt». Das würde ihnen wieder Profil geben.
Apple käme nicht auf die Idee, das Iphone aus dem Regal zu nehmen, sagte Boppart. Er gab sich überzeugt, «dass die Landeskirche in einem kommenden Aufbruch entweder eine Schlüsselrolle spielt … oder gar keine». Fürs erste brauche es Menschen, die aufstehen und andere motivieren.
Erneuerung durch Verkündigung
In der unübersichtlichen Gesellschaft mangelt Hoffnung. Doch für Boppart ist das eigentliche Problem eine Kirche, «die verlernt hat, Hoffnung in die Gesellschaft hineinzutragen». Die Erneuerung der Kirchen im säkularen Westen hange an der Verkündigung: «Christus ist entweder Torheit oder Gotteskraft.» Ein Aufbruch sei da und dort in Europa im Werden, sagte Andreas Boppart und erwähnte die anglikanische Kirche. «Überall bewegt Gott etwas – die Frage ist, mit oder ohne uns?»
Zu erkennen sei in verschiedensten Kirchen eine «starke Ausweitung der christuszentrierten Mitte … Wenn wir für diese Mitte sind, belebt es die eigene Kirche.» Der Campus-Leiter ermahnte die 90 Anwesenden, die Kirche (die eigene und andere) nicht mehr schlecht zu reden, sondern die Braut zu sehen. Sie sei nicht perfekt – «trotzdem ist Christus in sie verliebt.»
Muss Gott andere Wege finden?
Der Zürcher Kirchenratspräsident Pfr. Michel Müller griff in einem Grusswort das Tagungsthema «Sollen Steine reden?» (Lukas 19,40) auf. Angebracht am Kirchgemeindehaus, wo er in den Konf ging und CEVI-Leiter wurde, habe es ihn als Mahnung seither begleitet. «Wenn wir das Reden von Jesus verleugnen, vergessen, dann muss Gott andere Wege finden.» Dies habe ihn als 18-Jährigen bewogen, Pfarrer zu werden.
In der Verkündigung gehe es immer um Begegnung, sagte Müller; dabei komme es auf die Haltung an: «Haben Sie die Wahrheit und wollen Sie diese so gut wie möglich – modern, begeisternd oder auch klar und kompromisslos – verkündigen, weil es die Wahrheit ist und die Menschen ein Recht darauf haben, sie zu erfahren?» Dies sei eine verständliche Haltung in einer unübersichtlich gewordenen postmodernen Welt. Doch wer mit ihr in die Begegnung mit Menschen gehe, gebe der Begegnung ein Gefälle. Die meisten Zeitgenossen, so Müller, fühlten sich dabei nicht ernst genommen; denn sie wollten selbst über die Wahrheit für sich entscheiden. «Das ist das Risiko. Sie werden an Mauern stossen.»
Wahrheit als Begegnung
Michel Müller skizzierte eine zweite Haltung: ergriffen von der Wahrheit, dass Jesus der Weg und das Leben ist, persönlich Zeugnis zu geben. Das Gegenüber sei vielleicht von einer anderen Wahrheit ergriffen und zeuge davon; da ergebe sich die Möglichkeit der Begegnung, um herauszufinden, was verbindet und was trennt – «und was uns beeindruckt von dem, was der andere glaubt». Michel Müller verwies auf «Wahrheit als Begegnung»; das Buch von Emil Brunner sei hoch aktuell: «Man riskiert die Wahrheit in der Begegnung. Wir begegnen Menschen auf Augenhöhe, nicht mit einem Gefälle, wir verzichten auf eine objektive Sicherheit, bezeugen unsere subjektive Gewissheit – was uns bewegt und ergreift – und riskieren es, dass wir in der Begegnung Neues lernen.»
Als Seelsorger, so Müller, könne er Menschen helfen zu entdecken, «was sie lange übersehen haben, was am Wegrand steht, was sie von Gott, dem Herrn, der ihnen Gutes tut, bekommen haben». Die Kirche sei dann «ein Raum der Begegnung, wo man miteinander um Wahrheit ringt». Michel Müller skizzierte von daher die Anlage des Zürcher Reformationsjubiläums: Kunstschaffende im Kanton seien motiviert worden, sich mit der Reformation auseinanderzusetzen.
Viele sollen vom Glauben reden
Mit der Tagung unterstrich das Landeskirchen-Forum die Dringlichkeit der Weitergabe des Evangeliums in der Gemeinde – durch viele ihrer Mitglieder, nicht bloss durch einzelne. Alle sind dafür zu motivieren und auszurüsten. In ihrem Vortrag ging Viviane Baud, Pfarrerin in der gastgebenden Gemeinde Winterthur-Seen, vom Auftrag von Jesus (Matthäus 28,18-19) aus.
Wie sind andere auszurüsten? «Wir müssen bei uns selbst anfangen», antwortete Baud. Und knüpfte bei Paulus und bei Zwingli an. Paulus habe sich in Haft befunden – und doch andere ermutigt, denn Christus habe ihm alles bedeutet (Philipper 1,12-21). «Sind wir selbst von dieser Botschaft des Evangeliums angezündet und begeistert – oder tun wir nur so, weil wir Christen sind?»
Zwinglis Begegnung mit Christus, seine Hinwendung zur Schrift, habe ihn zum Reformator gemacht. Viviane Baud zitierte die Zürcher Kirchenordnung (Art. 31): «Die Verkündigung des Evangeliums geschieht in Wort und Tat. Sie berührt das ganze Leben.»
Gerade bei Abdankungen vergegenwärtige sie sich die Hoffnung auf ein Leben nach dem Tod immer neu, um «den Mut zu haben, zu jeder Zeit, ob gelegen oder ungelegen, das Wort des Evangeliums weiterzugeben».
Klartext – weil der Geist im Wort wirkt
Christen sollten sich der Botschaft nicht schämen und Klartext reden. «Wie macht es Sinn, von Rettung zu sprechen, wenn keine Not ist?» Viviane Baud verwies auf das Vertrauen, das Zwingli in den Heiligen Geist setzte – dass dieser «im Wort ist und Glauben und Verständnis für die Schrift gibt. Es ist der Heilige Geist, der den Menschen zieht.»
Von derselben Botschaft, die Paulus und Zwingli angezündet habe, sei auch sie bewegt, sagte die junge Pfarrerin. «In diesem Wort ist eine übernatürliche Kraft, die unseren Verstand übersteigt, Zweifel niederreisst, Mauern zertrümmert, Menschen befreit.» Daher ist das Evangelium auch ständig innerhalb der Gemeinde zu verkündigen. Viviane Baud appellierte an die Anwesenden, Evangelisation zu thematisieren und Gemeindeglieder einzubeziehen in Glaubenskurse, wo sie das Weitersagen üben könnten.
Dem Leben auf der Spur
Am Nachmittag konnten zwei von fünf angebotenen Workshops belegt werden. Pfr. Richard Stern stellte Befunde der deutschen Studie «Wie finden Erwachsene zum Glauben?» vor. Die Forscher fanden grosse Unterschiede: Menschen, die nichts vom Glauben gewusst hatten, erlebten eine alles verändernde Wende ihrer Biografie. Andere entdeckten neu, was ihnen in der Kindheit gegeben worden war, oder konnten sich des Glaubens wieder vergewissern.
Bei manchen vollzog sich das Finden des Glaubens in Etappen. Richard Stern machte Mut, mit Menschen – wenn Gelegenheiten ergeben – im Gespräch auf existentielle Fragen zu kommen und es nicht abreissen zu lassen.
Jürg Schaufelberger (MyFriends) steckte seine Zuhörer mit seiner Begeisterung als Jesus-Nachfolger an. Daniel Zwahlen (SwissChaps) stellte vor, was Firmenseelsorger zu einem besseren Betriebsklima beitragen. Simon Walder lud die Teilnehmenden ein, kreativ Möglichkeiten zum vertieften Gespräch zu schaffen. Er stellte Werkzeuge für das Mitteilen des Glaubens vor. In einer Gruppe, die Jonas Bernhard leitete, wurde das Gebet für Heilung geübt.
Jesus Christus ist durch unser Reden und Handeln als der auferstandene Herr zu erfahren. Es ist Zeit, dass dies wieder mehr geschieht – auch in der reformierten Kirche. Und dass viele dazu ermutigt und ausgerüstet werden.