Evangelisch-reformierte Kirche Schweiz in Sicht
Die Abgeordneten der 26 Mitgliedkirchen des SEK berieten in Schaffhausen die neue Verfassung in zweiter Lesung. Dabei bestätigten sie ihre wesentlichen Elemente, brachten aber etliche Retuschen an. Zur geistlichen Leitung hält die Verfassung fest: «Die Synode, der Rat und die Präsidentin oder der Präsident der EKS fördern das geistliche Leben der EKS.» Neu in den Rat gewählt wurde der Freiburger Pfarrer Pierre-Philippe Blaser.
Wichtige Neuerungen in der künftigen Verfassung des Kirchenbundes sind:
- Die Namensänderung zur Evangelisch-reformierten Kirche Schweiz (EKS), verstanden als Kirchengemeinschaft
- Dreigliedrige Leitung: nationale Synode (anstelle AV), Rat und Präsident/Präsidentin der EKS
- Konferenz der kantonalen Kirchenpräsidien als beratendes Gremium
- Handlungsfelder für Themen, die alle Mitgliedkirchen bewegen
- Offenheit für kleine evangelische Kirchen als Mitglieder
- Assoziierung für evangelische Kirchen und Gemeinschaften
Von über 30 Änderungsanträgen genehmigte die Versammlung die Mehrheit und brachte damit etliche Retuschen an der neuen Verfassung an. Darunter war das Begehren der SEK-Frauenkonferenz und der Evangelischen Frauen Schweiz für einen Gleichstellungsartikel. Ein Diskriminierungsverbot reiche nicht aus, sagten ihre Vertreterinnen. Laut dem neuen Artikel 12 fördert die EKS die Gleichstellung der Geschlechter und eine ausgewogene Vertretung der Geschlechter in ihren Gremien.
Änderungen und Bekanntes
Die Innerschweizer Kirchen hatten Erfolg mit dem Begehren, im Grundsatz festzuhalten, dass die Kirche durch «Wort und Sakrament» (statt Gottesdienst, Sakramente) Christus verkündigt (Art. 2,2). Weiter ging der Berner Antrag durch, die drei Ebenen des Kirche-Seins konkreter – und traditionell? – zu benennen: Kirchgemeinde, Mitgliedkirche und Kirchengemeinschaft (statt: kommunal, kantonal, national, Art. 4,1). Von derselben Kirche kam das Ansinnen, beim Subsidiaritätsprinzip mit den Kantonalkirchen auch ihre Verbände zu erwähnen: Was diese zu leisten vermögen, ist nicht der EKS aufzugeben (Art 5,4).
Den Romands gelang es zu verstärken, was die EKS im Miteinander der Schweizer Kirchen anstreben soll: nicht nur Verständigung, sondern «gutes Einvernehmen» (bonne entente, Art 6,2). Sie hatten auch Erfolg mit dem Antrag, den jüdisch-christlichen und interreligiösen «Dialog» in die Verfassung zu setzen (statt «Beziehungen», Art. 7,2). Die Berner brachten mit Erfolg ihren in erster Lesung abgelehnten Antrag nochmals ein, die Amtsdauer der Ratsmitglieder auf dreimal vier Jahre zu begrenzen; im Alter von 70 Jahren haben sie zurückzutreten (Art. 26,2.3).
Geistlich leiten – eine Aufgabe aller
Abgelehnt wurde der Antrag der Nordwestschweizer Kirchen, dass der Präsident förmlich als der «Präsident des Rates der EKS» bezeichnet werde (Art. 16,1 etc.). Sie drangen zudem nochmals darauf, für Synode und Rat gesondert festzuschreiben, dass diese «das geistliche Leben der EKS» fördern. In der Redaktion der ersten Lesung vom April war diese Bestimmung einleitend für alle drei Leitungsglieder (Synode, Rat und Präsident) gesamthaft festgehalten worden.
Die redigierte Fassung des betreffenden Art. 16,3 genügte den Abgeordneten: «Die Synode, der Rat und die Präsidentin oder der Präsident der EKS fördern das geistliche Leben der EKS.» Für den Präsident hält Art. 30 die Zuständigkeit fest, die EKS in der Öffentlichkeit zu repräsentieren, die Gemeinschaft zwischen den Mitgliedkirchen zu fördern und «Anregungen zum kirchlichen Leben und zur kirchlichen Auftragserfüllung» zu formulieren.
Mit der Genehmigung in zweiter Lesung machte die Versammlung den Weg frei für die Schlussabstimmung am 18. Dezember. Wann die neue Verfassung in Kraft tritt, ist noch nicht klar.
«Healing of memories»
Wie gehen die Kirchen der Reformation nach dem Jubiläum 2017 in der grosskirchlichen Ökumene weiter? In der Antwort auf ein Postulat von Zürcher Michel Müller und weiteren Abgeordneten schrieb der Rat SEK: «Der Weg der Einheit soll bewusst und ernsthaft weiter beschritten werden, und die Reformationsjubiläen in der Schweiz sollen ökumenisch genutzt werden.»
Einen «ökumenischen Prozess» will der Rat als Legislaturziel für 2019-2022 anpeilen: «Wir pilgern gemeinsam zur Mitte.» Dem ökumenischen Gottesdienst in Zug am 1. April 2017, vom Rat SEK und Bischofskonferenz gestaltet, soll ein weiterer folgen. Für die Studientage 2018 in Fribourg wurde das Patronat gemeinsam übernommen. Die beiden Gremien wollen 2019 auch eine gemeinsame Retraite durchführen.
Was hat auf dem ökumenischen Weg Priorität?
Michel Müller merkte zur Antwort des Rates an, dass das interkonfessionelle Streiten durchaus auch ein Weg sein könne, die Wahrheit hervortreten zu lassen. Mit Verweis auf das Judentum, Heinrich Bullinger und Johannes Paul II. meinte Müller, in Meinungsunterschieden kämen auch Reichtümer zu Tage.
Kritisch kommentierte der Zürcher Kirchenratspräsident die Zielsetzung des Rates, im internationalen Dialog der Evangelischen mit Rom über Kirchengemeinschaft «eine Voraussetzung (zu) schaffen für die Abendmahls- und Eucharistiegemeinschaft und somit die sichtbare Einheit der Kirche». Dies als Ziel zu nennen, so Müller, sei zwar löblich, aber naiv. Vielmehr sei (sichtbare) Einheit evangelisch zu bestimmen, von der Taufe und vom «Unser Vater» her. Das Bild des «Pilgerwegs der Versöhnung und der Einheit» gefalle ihm, sagte Müller. Pilgern sei «auch eine strenge Sache: dass wir austauschen, was uns belastet».
Der Basler Kirchenratspräsident Lukas Kundert hielt dagegen fest, gemäss der Leuenberger Konkordie von 1973 werde die Einheit der evangelischen Kirchen in Europa durch die Abendmahlsgemeinschaft sichtbar – jene allerdings nicht katholisch verstanden: «Wir schaffen nichts selbst Versöhnung, sondern bitten um Versöhnung und erleben sie beim Abendmahl.» Für Evangelische stehe darum das Abendmahl am Anfang des Versöhnungsprozesses.
Reformationsjubiläum – lieb und teuer
Der Präsident des Schweizerischen Israelitischen Gemeindebundes (SIG) Herbert Winter dankte in einem Grusswort für die langjährigen vertrauensvollen Beziehungen mit dem Kirchenbund. «Dialog ist für uns die nachhaltigste und wirksamste Antwort auf Unsicherheit, Unwissenheit und Vorurteile.»
Die SEK-Abgeordneten genehmigten die Jahresrechnung 2017. Dass die 13 SEK-Projekte zum Reformationsjubiläum viel mehr als geplant kosteten, gab zu reden: knapp 5 Millionen statt 2,2 Millionen Franken. Besonders ins Gewicht fielen dabei der Auftritt an der Reformationsausstellung in Wittenberg und die Kosten für Beratung und Kommunikation – weil die koordinierte Vorbereitung der Projekte lange nicht gelang, war endlich eine Agentur engagiert worden.
Mehr für Asylbewerber in Bundeszentren tun
Ein Jurist des Bundesamtes für Migration erläuterte, wie Asylverfahren vereinfacht und beschleunigt werden. Er unterstrich die Bedeutung der Dienste, welche die Kirchen für Asylbewerber in den Zentren des Bundes leisten. Die Erhöhung des Lastenausgleichs für die Seelsorge (zugunsten der Kirchen, in deren Gebiet die Zentren sich befinden) von 350‘000 auf 420‘000 Franken jährlich war nicht umstritten. Der 57-seitige Rechenschaftsbericht 2017 des SEK-Rates wurde für seine Informationsdichte gelobt.
Gegen die Kultur des Todes
Pfr. Heinz Fäh, Rapperswil, gab einen differenzierten Bericht von der ÖRK-Konferenz über Weltmission und Evangelisation in Arusha, Tansania (8.-13. März). Ihr Schlussdokument «Ruf zur Jüngerschaft» strebt eine Gegenkultur zur vorherrschenden Kultur des Todes an, namentlich inklusive Gemeinschaft.
Die Abgeordnetenversammlung wählte zwei Stiftungsräte für die beiden kirchlichen Hilfswerke «Brot für alle» und HEKS, den Bündner Kirchenratspräsidenten Andreas Thöny und die Berner Pfarrerin Simone Fopp Müller.
Traktanden, Materialien und Beschlüsse der Abgeordnetenversammlung