Schritte zum Miteinander der Generationen
Kirche ist für alle, doch sie könnte gastlicher werden. Für wen? Die Positive Fraktion der Berner Kirchensynode befasste sich am 11. September an einer öffentlichen Tagung in Bern mit dem, was Alte und Junge zusammenbringt.
Was prioritär zu tun ist, um Menschen aller Generationen in der reformierten Kirche zu beheimaten, war dabei nicht unumstritten. Die Familienarbeiterin Lisbeth Zogg Hohn (im Bild rechts) stellte im Hauptvortrag ihre Sicht der "Familien-Generationenkirche" vor und plädierte für einen Wandel. Kirchgemeinden sollten Räume schaffen, in denen an Wochentagen gespielt, geruht, gelesen, meditiert und geplaudert werden kann.
Niederschwellige Angebote würden Menschen anziehen. Menschen sollten Kirche erleben "wie eine Familie, die respektiert, wo man sagen darf, wann man Lust hat und wann nicht", führte Zogg aus.
Geborgenheit - und Wahlmöglichkeiten
Statements von Befragten in Kirchgemeinden lassen erkennen, dass Menschen sich in einem weiten Raum geborgen fühlen und unter Optionen ungezwungen auswählen, dabei sich selber sein möchten. "Gemeinschaft ermöglicht, dass Leute eigenständig werden".
Manche Befragte gaben allerdings einer Familienkirche mit den von Lisbeth Zogg favorisierten Begegnungsangeboten wenig Chancen. Eine Teenagerin äusserte, sie habe ihre Freunde und wolle nicht mit Fremden in Kontakt treten. Es hiess auch, man könne es nicht allen recht machen, jede Altersgruppe habe andere Interessen. Schlechte Erfahrungen mit anderen Generationen und Vorurteile stehen dem Miteinander entgegen. "Die Kirche muss Generationen verbinden - aber wie"? fragte die Referentin.
Kirche im Alltag gestalten
Christliche Grundwerte wie Respekt und Nächstenliebe ergeben in der Festtagskirche Spannungen: Kleine Kinder sollten ausserhalb betreut werden, sagte eine 55-jährige Frau in der Umfrage; sie wolle keinen Lärm in der Kirche. Für Zogg "kann die gleichgerechtigte Generationenverbindung nicht gelebt werden, wenn der Wortgottesdienst als alleiniges und wichtigstes Zentrum der reformierten Kirche gesehen wird".
Sie plädiert für niederschwellige Treffpunkte, mit Räumen oder Spielplätzen für Kinder. Für Talente und Interessengruppen seien Orte der Begegnung zu schaffen. "Generationenkirche verlangt die Erweiterung des Kirchenbildes". Die Reformierten müssten Alltagsorte schaffen. "Festtage genügen nicht".
Plaudern und essen
Am Nachmittag wurden drei Projekte vorgestellt. Pfr. Samuel Hug gestaltet in Wattenwil bei Thun an jedem zweiten Sonntag des Monats mit einem grossen Team den "7vor7"-Gottesdienst, der alle Generationen ansprechen soll. Der Morgengottesdienst fällt aus; Jungen wird dadurch signalisiert, dass "7vor7" vollwertig ist.
Freiwillige gestalten verschiedene Elemente; Hug führt mit einer jungen Frau durch den Gottesdienst. Vor- und nachher ist das Bistro offen: Besucher können zu Abend essen. Dass das neue Format auch bei Älteren in Wattenwil Zuspruch gefunden hat, ermutigt die Jungen, die Hug "anleiten, freisetzen und ermutigen" will.
Elisabeth Loosli, Kirchgemeindepräsidentin im Berner Vorort Ittigen, schilderte den Umbau eines Raums zum Bistro, das nun von Freiwilligen mit viel Kreativität betrieben wird. Sie hob das Potenzial des Raums als niederschwellige "Plattform für spezielle Angebote" hervor - und dass auch mal ein aus der Kirche Ausgetretener vorbeikommt und ins Gespräch findet.
Lisbeth Zogg erzählte, wie die Kirchgemeinde Solothurn ihr Gotteshaus mit dem baumbestandenen Park als "Sommerkirche" vielfältig nutzt, namentlich mit kulturellen Akzenten und Spielgelegenheiten für Kinder. An vier Donnerstagen im Juni gabs ein Bistro mit Grill-Möglichkeiten. Die Offene Mittagskirche bietet Erwerbstätigen eine "Kunst-Pause". Der Pfarrer genoss laut Zogg die Arbeit als Barkeeper.
"Kraft kommt aus dem Gottesdienst"
Im abschliessenden Podium unter Leitung von Johannes Josi diskutierte auch der Synodalrat und designierte SEK-Ratspräsident Gottfried Locher mit, der der Positiven Fraktion angehört. Der Wunsch nach dem Miteinander dürfe nicht dazu führen, dass gemeinsame Zeit im Bistro an die Stelle der Gottesdienst-Gemeinschaft trete.
Locher sprach von einem kategorialen Unterschied, nicht weil das Bistro weniger wäre, sondern weil christliche Gemeinschaft - die von der wir reden - im Gottesdienst anfängt. In allem, was wir tun, muss ausstrahlen, dass die Kraft aus dem Gottesdienst kommt".
Der Jegenstorfer Gemeindepfarrer Alfred Aeppli erzählte von einer Mitarbeiterretraite, die die Zugänge zur Gemeinde untersuchte. Es komme darauf an, "dass Menschen innerlich eine Veränderung erleben". Und dies geschehe entlang Beziehungslinien. "Wo wir Beziehungslinien haben, kann das Evangelium weitergehen".
Der Fraktionsvorsitzende Iwan Schulthess, Kandidat der Positiven für die Nachfolge Lochers im Synodalrat, erwähnte den biblischen Bericht von Müttern, die ihre Kinder zu Jesus brachten. Heute habe es die Kirche mit suchenden Menschen zu tun, die sich verankern möchten, aber die biblischen Geschichten nicht kennen.