Ruedi Reich gestorben

Nach schwerer Krankheit ist Ruedi Reich, bis 2010 Vorsteher der Zürcher reformierten Landeskirche, am 12. August verstorben. Der Kirchenratspräsident, der die Reformatoren liebte und den Täufern die Hand reichte, unterstützte das Landeskirchen-Forum als Mitglied des Patronatskomitees.

Zum 10. Geburtstag 1955 schenkte Ruedi Reichs fromme Mutter ihm eine Bibel. Sie wurde sein Schatz und half ihm, als sein Vater starb, seinen Weg zu finden. Im Theologiestudium vertiefte er sich in die Schriften der Reformatoren. Ruedi Reich arbeitete 21 Jahre als Gemeindepfarrer in Marthalen im Zürcher Weinland. Er war verheiratet und Vater von vier Kindern. 1973 wurde er in die Kirchensynode und 1983 in den Kirchenrat gewählt, den er ab 1993 präsidierte.

Kirche und Staat entflochten
Sohn eines Regierungsrats, rang der Pfarrer diplomatisch, unbeirrbar und zäh um eine Neuregelung des Verhältnisses zwischen Kirche und Staat. Nach dem Nein zur Trennungsinitiative 1995 gelang es ihm zusammen mit dem Zürcher Justizdirektor Markus Notter, eine Entflechtung auf den Weg zu bringen und so die öffentlich-rechtliche Stellung der Reformierten im multikulturellen Umfeld zu erhalten. 2010 trat das kantonale Kirchengesetz in Kraft, das reformierte und katholische Kirchen erstmals gleich behandelt.

In der Beratung der neuen Kirchenordnung (2009) setzte sich Ruedi Reich als strukturkonservativer Kirchenleiter für gehaltvolle Verkündigung und ein starkes Pfarramt ein. Während seiner 17-jährigen Amtszeit hielt er seine Hand über der zeitweilig umstrittenen Neuübersetzung der Zürcher Bibel, die 2007 erschien.

Licht und Schatten der Reformation
Bei der Diskussion um die künftige Gestalt der Kirche verwies er oft auf die wegweisenden Impulse von Huldrych Zwingli und Heinrich Bullinger. Dieses theologische Erbe sei neu zu überdenken und für die heutige Zeit fruchtbar zu machen. In der Spur seines Lehrers Fritz Blanke stellte sich Ruedi Reich auch der dunklen Seite der Reformation: der Täuferverfolgung des 16. und 17. Jahrhunderts.

Bei einem historischen Begegnungstag mit Täufern im Juni 2004 sprach er für die Kirchenleitung ein Bekenntnis. Dabei nannte er die Unterdrückung der ersten neuzeitlichen Freikirche "„einen Verrat am Evangelium"“ und hielt fest: "„Wir anerkennen die Gläubigen der täuferischen Tradition als unsere Schwestern und Brüder und ihre Gemeinden als Teil des Leibes Christi, dessen unterschiedliche Glieder durch den einen Geist miteinander verbunden sind".“ Die Geschichte der Täuferbewegung sei „als "Teil unserer eigenen Geschichte zu akzeptieren"“, ihr radikaler Ansatz, Salz der Erde und Licht der Welt zu sein, zu achten.

Mann des Gesprächs
Der Vorsteher der Zürcher Kirche nutzte seine Stellung im Schweizer Kirchenbund, um 2009 ein Nachdenken über Bekenntnis und Bekennen anzustossen (Ergebnis). Er pflegte freundschaftliche Beziehungen zu Leitern der römisch-katholischen Kirche und setzte sich für ökumenisches Einvernehmen und gemeinsame Projekte ein. Er gründete den Interreligiösen Runden Tisch, der der Verständigung unter den Religionsgemeinschaften dient, reiste in den Nahen Osten und setzte sich persönlich für bedrängte Christen ein.

Gelassener Glaube und Mitmenschlichkeit
Kirche verstand Ruedi Reich als Geschenk des menschenfreundlichen Gottes, als Ort, „"wo Menschen zum Glauben und zur Mitmenschlichkeit befreit werden"“. Theologisch gelehrt, bewahrte er sich einen klaren, herzlichen Glauben an Jesus Christus. Auf ihn zu hören, mahnte er seine Kirche zu vielen Malen und machte sich Heinrich Bullingers Wahlspruch ‚'Solus Christus audiendus'‘ zu eigen. „"Christlicher Glaube ist Christusglaube, nicht allgemeine Religiosität"“, betonte er in seinem bekenntnishaften Beitrag zum Buch „"Was der Mensch braucht"“.

Geduldig ertragenes Leiden
Einer Tumorerkrankung konnte mit einer ersten Operation 2004 gewehrt werden. Ihr erneuter Ausbruch zwang den Kirchenratspräsidenten im Oktober 2010, sein geliebtes Amt abzugeben. An den Rollstuhl gefesselt, suchte er in der Gemeinschaft seiner Kirche zu bleiben.

Am 12. August wurde Ruedi Reich in Zürich von seinem Leiden erlöst. Die Familie hat das Wort aus dem Losungsbuch zum Todestag über die Anzeige gesetzt: „"Aus seiner Fülle haben wir ja alle empfangen, Gnade um Gnade“" (Johannes 1,16).

Neujahrspredigt 2004 von Ruedi Reich: So Gott will

Zürcher Kirchenordnung 2009
Bullinger-Jahr 2004 und Täufer-Tag