EKS: «Wichtige Debatten vom Tisch gewischt»
Als langjähriger Abgeordneter der Zürcher Kirche, Vizepräsident
der Abgeordnetenversammlung und Mitglied des Rats von Kirchenbund/EKS setzte sich Daniel Reuter für die Sache der Reformierten ein. Eines der kompliziertesten Geschäfte, die Zusammenführung von HEKS und BFA, schloss er erfolgreich ab.
Wie sieht er die Reformierten nach seiner Abwahl im Juni?
Daniel Reuters Kandidatur für eine dritte Amtszeit im Rat der EKS war nicht erfolgreich, weil für zwei Sitze drei Mitgliedkirchen (BE, AG, LU) Kandidaten portierten und sich dabei gegenseitig unterstützten. Eine Abwahl, wie sie an der Sommersynode in Sitten geschah, gab es bisher auf nationaler Ebene nie. Er habe sich nicht dazu äussern mögen, sagt Reuter und zitiert Ernst Jünger: «Wer sich selbst kommentiert, geht unter sein Niveau.»
Als einer der Vizepräsidenten hatte Daniel Reuter nach dem Rücktritt Gottfried Lochers den Rat geleitet. Als Quittung dafür könne er die Abwahl nicht sehen, sagt er nun im Gespräch mit dem evangelischen Wochenmagazin IDEA. «Esther Gaillard und ich haben in der letzten Zeit gut zusammengearbeitet und wir sind beide in der Lage, unterschiedliche Meinungen auszuhalten.» SRF habe seine Aussage damals verkürzt wiedergegeben und man habe nicht bei ihm nachgefragt. Er habe erlebt, was in Medien häufig geschehe: «Die Blinde schreibt auf, was der Taube gehört hat.»
Mangelnde Kompetenz in Klimafragen
Auf die Frage, ob sein Vertrauen in die Kirche erschüttert sei, hält Daniel Reuter fest, er setze sein Vertrauen nicht auf «die Kirche», sondern auf den lebendigen Gott. «Ich gehe nie ohne meine Bibel zum Gottesdienst.» Als Kirchenpolitiker will Reuter nach allem nicht bezeichnet werden. «Die Kirche hat den Auftrag, das Evangelium Jesu Christi in Wort und Tat zu verkündigen.» Er könne dem Engagement fürs Klima auf kirchlicher Ebene wenig abzugewinnen, sagt Reuter, da die Kompetenz dazu den Kirchen fehle. Sie sei in der Politik und der Wirtschaft besser aufgehoben.
Das ändere nichts daran, dass Christenmenschen die Schöpfung bewahren sollen. «Ich habe den Verdacht, dass dabei vom Schöpfer nicht gerne geredet wird; aber ohne Schöpfer keine Schöpfung und ohne Gebieter kein Gebot.»
«Viele haben den Auftrag aus den Augen verloren»
Reuter gibt zu denken, dass «viele kirchlich engagierte Menschen den eigentlichen Auftrag aus den Augen verloren haben. Wenn nicht mehr klar ist, dass es über das Diesseits auch einen Jenseitsbezug gibt, dann begibt man sich zwangsläufig auf Nebengeleise.» Damit erscheine die Kirche wie eine politische Partei. «Eigentlich wäre ihre Aufgabe aber, die Gläubigen zu sammeln, um sie zu befähigen sich in einem säkularen Umfeld zu engagieren.» So stimme ihn auch die Vollversammlung des ÖRK in Karlsruhe nachdenklich: «viel Klima, viel Politik, wenig Glaubenshoffnung!»
Nach jahrzehntelanger Erfahrung mit Synoden und Parlamenten – er war Sekretär der EVP Schweiz – findet Daniel Reuter die Tätigkeit in kirchlichen Gremien schwieriger. «Denn in der säkularen Politik wird Tacheles geredet, anschliessend trinkt man mit dem politischen Gegner, der ja kein Feind ist, trotzdem ein Bier. In den zwei kirchlichen Parlamenten, denen er lange angehört habe, sei man rasch beleidigt und zeige sich dann «betroffen». Pointiert habe dies der Philosoph Hermann Lübbe ausgedrückt: «Statt der Meinung des Gegners zu widersprechen, drückt man Empörung darüber aus, dass er es sich gestattet, eine solche Meinung zu haben und zu äussern.»
Warum wichtige Debatten nicht geführt werden
Der abgewählte Vize des nationalen Rats, Vertreter der bibelorientierten Reformierten, stellt fest, «dass in der EKS wichtige Debatten nicht geführt, sondern wiederholt vom Tisch gewischt wurden. Synoden können mit Mehrheitsbeschlüssen aber Wahrheit nicht begründen.»
Als Grund für die mangelnde Debattenkultur nennt Reuter, dass Leute, «die in der säkularen Politik nicht reüssieren können», kirchliche Ämter suchen. Es sei dort einfacher, Karriere zu machen. Etliche hätten die Essenz des Evangeliums gar nie verstanden. «Wer das Minimalbekenntnis ‹Christus ist Herr› nicht unterschreiben kann, muss sich schon fragen, weshalb er in der Kirche aktiv ist.»
Daniel Reuter wurde 2007 als erster Vertreter der Evangelisch-kirchlichen Fraktion der Zürcher Synode in den Kirchenrat gewählt und zweimal gut bestätigt. Allerdings würden «die Leute aus der Evangelisch-kirchlichen Fraktion in der Kirchensynode und im Kirchenrat sehr scharf beobachtet, damit sie vorgeführt werden können.»
«Pietisten nur noch geduldet»
Fromme Kirchgemeinden seien beliebt, wenn das Fernsehen einen gut besuchten Gottesdienst aufnehmen wolle. «Bei inhaltlichen Themen sind sie hingegen kaum gefragt.» Die Pietisten seien in der Kirche «immer mehr nur noch geduldet … In letzter Zeit wird der Meinungskorridor auch in den Landeskirchen enger.»
Reuter vermutet, dass in nicht ferner Zukunft «kantonale Kirchenleitungen proaktiv ‹Konservative› dem Kadi ausliefern (werden), damit endlich Grabesruhe herrscht. Bei der aktiven Sterbehilfe wird die EKS auch bald nachgeben …» Dabei wäre die theologische Vielfalt der reformierten Landeskirche «eine grosse Chance für die Verkündigung des Evangeliums Jesu Christi in Wort und Tat».
Gottesdienst feiern, Liebe üben
Die Kirche soll in erster Linie zweckfrei Gottesdienst feiern, sagt Reuter. «Die Liebe soll dabei sichtbar ausstrahlen. Das hat die Menschen angesprochen. Das hat eine ganze Welt verändert. So hat es die Urgemeinde gehalten, so geschieht es in vielen Gegenden unserer Erde in diesen Tagen.»