Reformierter Chor bei Täufern in Nordamerika

Im April hat der reformierte Singkreis Bäretswil-Bauma Täufergebiete in den USA und Kanada bereist. Eine Première, die Einheimische mit helvetischen Wurzeln tief bewegte und als Brückenschlag empfunden wurde. "„Als wären Jahrhunderte getrennter Geschichte weggeschmolzen"“, wie der bekannte Mennonit John L. Ruth formulierte.

Die Zürcher Reformation kann als Geschichte einer zerbrochenen Freundschaft gelesen werden. Conrad Grebel und Felix Mantz wandten sich von Zwingli ab, mit dem sie die Bibel studiert hatten, als er die Umsetzung der Beschlüsse zur Reformation (Oktober 1523) dem zögerlichen, schwankenden Rat der Stadt überliess. Die Täufer, von der Entstehung der ersten freien Gemeinde im Januar 1525 an unterdrückt, entwickelten ihre Lehre und Gemeindepraxis im Gegensatz zu den entstehenden reformierten Staatskirchen. „"Ein tragischer Riss geht durch die Zürcher Reformationsbewegung und hat bis heute seine Spuren hinterlassen"“ (Ruedi Reich).

Jahrzehntelang waren Täufer auf der Zürcher Landschaft populär; Vögte und Pfarrer wurden ihrer nicht Herr. Nachdem Zürich im 17. Jahrhundert die letzten Täufergruppen zerstört bzw. ins Exil getrieben hatte, herrschte Verachtung gegenüber der Bewegung, welche die Reformatoren mit Schwärmern in einen Topf geworfen und verdammt hatten.

Neubeginn nach Jahrhunderten
Erst nach den Schrecken des Zweiten Weltkriegs begannen Zürcher Reformierte die Täufer wieder unvoreingenommen wahrzunehmen. Noch 1952 lehnte die Zürcher Stadtregierung eine Täufergedenkstätte an der Limmat ab. Das Büchlein „"Brüder in Christo“" von Prof. Fritz Blanke (1955) markiert jedoch den Beginn einer Phase, die im Begegnungstag mit den Täufern (26. Juni 2004) in Zürich im Rahmen des Bullinger-Jubiläums gipfelte. Im Vorjahr hatte die Winterthurer Stiftung Schleife die Konferenz "„Heile unser Land“" organisiert.

Der Singkreis singt auf einer amischen Farm.

Durch diese Schritte zur Versöhnung entstanden freundschaftliche Beziehungen, die nun auch ein Vorhaben wie die Reise des Singkreises Bäretswil-Bauma gelingen liessen. Die Täuferhöhle im Wald oberhalb von Bäretswil wird seit den 1970er Jahren von vielen Täufergruppen aus Amerika aufgesucht.

Bei den ersten Amerika-Schweizern
Dass der Himmel sie drüben wollte, empfanden die Zürcher Oberländer gleich zu Beginn: Sie sassen im letzten Flugzeug, das am 16. April, der Aschenwolke ausweichend, in Kloten Richtung USA abhob. 43 Sänger und 8 Instrumentalisten besuchten vom 16.-30. April Pennsylvania, Ohio und Ontario, wo weit über 100'’000 Täufer leben, deren Vorfahren nach der Reformation in der Schweiz verfolgt wurden. (2010 wird in Lancaster, Pennsylvania, das 300-Jahr-Jubiläum der ersten mennonitischen Siedler begangen.)

"Juchzed und singed"” von Peter Roth, "“Luegid vo Bärgen und Tal"”, der Schweizerpsalm und Stücke der dazu komponierten Wettinger Messe sowie das Appenzeller Landsgemeindelied bildeten den Kern des Programms, das der Singkreis unter Markus Stucki in sechs grossen Mennonitengemeinden und bei weiteren Begegnungen zu Gehör brachte. In einem Gang durch die Schweizer Geschichte wurde auch vermittelt, was Reformierte und Täufer trennte –- und wie die Kirche Zwinglis sich Jahrhunderte nach der Verfolgung um brüderliche Beziehungen zu den Täufern bemüht. Regelmässig endeten die Konzerte mit dem gemeinsam gesungenen „"So nimm denn meine Hände"“, das im mennonitischen Gesangbuch deutsch und englisch abgedruckt ist. Darauf kam es zu vielen spontanen Gesprächen.

Freundschaft nach der Verachtung
Die volkstümlichen Melodien von Peter Roth, die Worte der Versöhnung und des Vertrauens in den Liedtexten und der Aufruf zum Gebet zum Allmächtigen in der Nationalhymne liessen namentlich bei älteren Besuchern mit deutscher Muttersprache urtümliche Heimatgefühle hochkommen. Ein Amischer (der selbst keinen Flug unternehmen darf) äusserte nach dem Konzert den Wunsch, die Schweizer möchten ihn in einen Koffer packen und in ihr Land mitnehmen!

Der Singkreis brachte Bilder aus dem Zürcher Oberland mit, auch von der Bäretswiler Täuferhöhle. "“Es war wunderbar, von der Gegend zu hören und Bilder zu sehen und sich vorzustellen, dass unsere Vorväter dort gelebt, gearbeitet und sich zum Gottesdienst versammelt haben“," sagte David Groff, dessen Familie (Graf) aus Bäretswil stammt, nach dem Konzert.

Kontraste
Kontrastreicher hätte der Trip in den Osten der Neuen Welt kaum ausfallen können. Nach dem Gang durch Manhattans Strassenschluchten, über den Times Square und die Wall Street, ging die Fahrt ins Amish Country. Im Capitol von Harrisburg betrachteten die Zürcher William Penns wegweisende christliche Staatsidee (Freiheit für alle Gemeinschaften) auf Wandgemälden.

Nicht weniger bereichernd waren die Übernachtungen in den Häusern von Täufern. Deren teils eigenartig konservativer Lebensstil (kein Telefonanschluss, aber iPhone) gab im Car viel zu schmunzeln. Zur Reise im Täuferland gehörten Besuche von Museen und Farmen, eines Versammlungshauses, einer Auktion, einer Achtklassen-Schule (der Schweizer Lehrer fühlte sich in die Zeit Ankers versetzt), einer Kummet-Sattlerei, einer Buggy-Factory und natürlich von Quilt-Shops.

Wenn Geschichte wegschmilzt
Der Mennonitenbischof Ken Martin befand am Ende eines Konzerts, die reformierten Brüder und Schwestern hätten ähnliche DNA. Der Autor John L. Ruth, der ein Wochenende organisierte und die Schweizer während Tagen begleitete, fasste die Abende mit den Worten zusammen, dass "„fünf Jahrhunderte getrennter Geschichte wegzuschmelzen schienen"“.

Dazu trug auch die von Ruth erstellte englische Übersetzung der Schweizer Lieder, die allen abgegeben wurde, bei. Lesend und hörend seien die Besucher „"hineingezogen worden in den Geist der Versöhnung zwischen Reformierten und Täufern, der in den letzten Jahren verbreitet wurde –- ein unerwartetes Geschenk"“.

Den Amischen nahe gekommen
Ein Höhepunkt war der Singabend in einem Saal in Lancaster County, zu dem auch ‚'Horse and Buggy'‘-Mennoniten und Amische erschienen. Der Initiant wollte sie nicht mit Instrumenten vor den Kopf stossen. Die Schweizer, wegen dieser Vorgabe allein mit Alphorn, sassen vorn im Saal, den Einheimischen zugewandt. Abwechselnd wurden Lieder vorgeschlagen; fürs Singen steckte man einander Bücher und Blätter zu. Junge Amische sangen in einer Weise, die die Schweizer noch nie gehört hatten -– Lieder, wie sie hier vor 400 Jahren gesungen wurden. Als man nach zwei Stunden des Singens und Zuhörens miteinander ins Gespräch kam, wurde noch mehr Alphorn gewünscht...…

Joanne Hess Siegrist, die den Gästen Lancaster County zeigte, freute sich über die Begegnungen. "„Wir haben unsere entfernten geistlichen Cousins getroffen und zusammen tiefe, heilige Momente erlebt. Dabei sind weitere köstliche Blumen erblüht. Die Tour hat neue Türen zu gegenseitigem Verstehen, Vertrauen und Respekt aufgetan".“