Gottfried Locher als Ratspräsident SEK wiedergewählt
Die Unruhe der drei letzten Wochen mit der Gegenkandidatur von Rita Famos spiegelte sich in den meisten Voten. Mehrere Abgeordnete kritisierten die in Medien seit Herbst 2017 aufgebrachten Vorwürfe. Andere stiessen sich am Verhalten des Ratspräsidenten Gottfried Locher, der sich nicht angemessen dazu geäussert habe. Während mehrere Delegierte Lochers Verdienste herausstellten, rühmten andere Famos als kommunikative Theologin.
Barbara Hirsbrunner aus Graubünden stellte Rita Famos als konsensfähige, integre Kandidatin vor. Sie habe als Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen der Schweiz (AGCK) auch ökumenisch Fingerspitzengefühl bewiesen und überzeuge als Leiterin der Spezialseelsorge der Zürcher Kirche (80 Pfarrpersonen) mit einem «integrativen Führungsstil». Die Abgeordneten könnten von ihr ein Leiten in enger Zusammenarbeit mit Synode und Rat erwarten.
Der Zuger Johannes Roth, Präsident der GPK des Kirchenbundes, kritisierte das Vorgehen einzelner Medien in den vergangenen Monaten als Haschen nach Leser-Interesse. Den gegen Locher erhobenen Vorwürfen sei die GPK nachgegangen; sie träfen nicht zu. Gottfried Locher habe mit Rat, Geschäftsstelle und GPK offen und konstruktiv zusammengearbeitet. Die Geschäftsstelle des SEK werde kurzfristig das Vier-Augen-Prinzip einführen.
Leitungs-Kompetenz gewünscht
Der St. Galler Kirchenratspräsident Martin Schmidt mahnte, «Stil, Anstand und Respekt» zu bewahren. Das Niveau der medial vorgetragenen Angriffe auf Locher habe eine sachliche Diskussion unmöglich gemacht. Bei Rita Famos handle es sich um eine «Symbolkandidatur, um den jetzigen Ratspräsidenten abzuwählen».Schmidt wünschte mehr personale Leitungs-Kompetenz von Pfarrern. Über die Feminisierung der Kirche sei zu reden. Und Locher als «patriarchalen, frauenverachtenden» Möchte-gern-Bischof hinzustellen, sei unfair. Als Ratspräsident habe er sich – anders als sein Vorgänger – der Herausforderung gestellt, die Verfassung des Kirchenbundes neu zu schreiben.
Für den Ausschuss der SEK-Frauenkonferenz sprach Monika Hirt. Rita Famos habe sich für die Chancengleichheit der Frauen stark gemacht und sie schon früher ermutigt, sich um Führungspositionen zu bewerben. Viele jüngere Frauen fühlten sich von Locher provoziert und verletzt und hinterfragten sein «patriarchales Rollen-, Berufs- und Kirchenverständnis». Rita Famos sei seriös und nahe an der kirchlichen Basis. Ihr Kirchenbild und Leitungsverständnis entspreche den Vorstellungen der Frauenkonferenz.
Kritik an Lochers Amtsführung
Aus dem Rahmen fiel das Votum des Zürcher Kirchenratspräsidenten Michel Müller, der vor drei Wochen (ohne Absprache in seinem Gremium) die Kandidatur von Famos unterstützt hatte. Müller rühmte seine Abteilungsleiterin als eloquente, zugängliche Theologin. Sie sei durch das «Wort zum Sonntag» bereits national bekannt, habe die Statutenrevision der AGCK in zwei Jahren durchgezogen und die ökumenische Bettagsveranstaltung «Ein Gebet voraus» ermöglicht.
Den Amtsinhaber forderte Michel Müller zum Rücktritt auf. Er habe in heiklen Situationen andere Ratsmitglieder vorgeschickt. Beim ersten, gescheiterten Anlauf zur Verfassungsrevision habe sein damaliger Vize Peter Schmid Verantwortung übernommen, für die schleppende Vorbereitung des Reformationsjubiläums habe Daniel de Roche den Kopf hingehalten. Als im Herbst 2017 medial Vorwürfe gegen ihn selbst erhoben wurden, habe er seinen aktuellen Vize Daniel Reuter vorgeschickt. Und in den letzten Wochen habe er keine Zeit für Wahlkampf gehabt. «Wollen wir nicht einen Präsidenten, der von Anfang an selbst hinsteht und Klartext redet, damit wir ihm glauben können?»
Diskussion über Leitung angestossen
Der Schwyzer Heinz Fischer hielt dagegen fest, unter den Abgeordneten sei in den letzten Jahren keine Kritik an Gottfried Locher zu hören gewesen. Er habe den Reformierten «ein Gesicht und eine hörbare Stimme gegeben» und ökumenisch manches bewirkt. Die Luzernerin Ursula Stämmer befand, mit provokativen Aussagen habe Locher Probleme aufgezeigt und aufgerüttelt. Als primus inter pares solle er seine Talente nun für die Umsetzung der Verfassung einsetzen.
Die St. Galler Pfarrerin Barbara Damaschke-Bösch resümierte ihr inneres Ringen. Sie zeigte sich dankbar dafür, dass Gottfried Locher die Diskussion über Leitungsfragen auf diese Weise ermöglicht habe. Man habe im SEK viel über Macht geredet, doch scheue man die eigentliche, theologische Auseinandersetzung. Das Bischofsamt gebe es schon in der Bibel. «Wir können uns nicht noch einmal 500 Jahren durchwursteln.»
Dass die Frauen in der im Kirchenbund weniger als ein Drittel der Abgeordneten stellen, bezeichnete Barbara Damaschke-Bösch als Skandal – es sei aber nicht Lochers Schuld. Die Ehe- und Frauen-Fragen würden aufgrund der St. Galler Motion (2016 überwiesen) derzeit intern bearbeitet; Locher habe dazu schweigen müssen. Und, fügte die Abgeordnete aus dem Toggenburg hinzu, auf europäischer Ebene setze er sich für die Frauenordination ein.
Deutliches Votum für Locher
Nach weiteren Voten führte die AV-Präsidentin Claudia Haslebacher die geheime Wahl durch. Von den 67 anwesenden Vertretern der Mitgliedkirchen gaben 43 dem Berner ihre Stimme, 24 der Zürcherin.
Rita Famos erhielt das Wort. Sie gratulierte Gottfried Locher - und ermahnte ihn, auf die kirchliche Basis zu hören. Der Wiedergewählte dankte Famos für die «bischöflichen Ermahnungen über die Basis». Wichtiges sei in der Debatte gesagt worden, der Dialog müsse geführt werden - direkt, nicht über die Medien. Locher zollte Rita Famos Respekt für ihren Mut. Er schenkte ihr ein Buch über die 21 Kopten, die in Libyen vom IS enthauptet wurden, weil sie am Bekenntnis zu Christus festhielten.
Wahl der Ratsmitglieder
Am Dienstag Vormittag wurden die sechs anderen Ratsmitglieder für die Amtsdauer 2019-2022 gewählt. Für den zurücktretenden Daniel de Roche (FR) wurde Pierre-Philippe Blaser, Pfarrer in Murten, mit 60 Stimmen gewählt. Die andere Vertreterin der Romands, Esther Gaillard, erhielt 66 Stimmen, Sabine Brändlin 47, Ruth Pfister-Murbach 52, Ulrich Knöpfel 50 und Daniel Reuter 48 Stimmen.