Kirchengeschichten

Gott arbeitet nicht nach Konzepten, er schreibt Geschichten. Wer sich von den vielen biblischen Beispielen anstecken lässt, wird alsbald in ganz normalen und unauffälligen kirchlichen Umgebungen Anfänge zu einem neuen Kapitel der grossen Geschichte Gottes mit den Menschen entdecken. Und Teil nehmen, Teil geben, Teil werden davon. - Ein Beitrag von Alex Kurz.

Es gehört mitunter zum Verstörendsten und Geheimnisvollsten der biblischen Botschaft, dass Gott mit den Menschen Geschichte treibt. Und das nicht nur so nebenbei –- nicht in dem Sinne, dass jeder Glaube seine Wirkungsgeschichte hervorbringt, sondern in einer ganz und gar zentralen Weise: Gott schreibt sich in den Lauf der Welt ein, der Ewige bewährt und bewahrheitet sich in der Zeit, im Leben und im Glauben seiner Menschen.

Zwar lässt sich sein Handeln nicht standardisieren. Seine Handschrift jedoch wird erkenntlich, jenen, die Augen haben zu sehen und Ohren zu hören. Und in Jesus hat ein neuer Band von Gottesgeschichten begonnen: Kirchen-Geschichten. Sie sind so vielfältig wie Gott selbst, zugleich aber so erkennbar wie ER. Sie beginnen oft mit einem Set von konkreten Möglichkeiten und ein paar Menschen, die sie erkennen.

Am Anfang stehen offene Türen und Glaubende, die so achtsam sind, dass sie die Zug-luft des Heiligen Geistes wahrnehmen. Im Nachhinein, im Rückblick hat sich dann alles ganz schlüssig und folgerichtig entwickelt, fast spielerisch, leichtfüssig. Menschen sind hinzugekommen, Ergänzendes, Bereicherndes, Beglückendes, Zugefallenes... Kirchliches Leben hat sich entwickelt und erblüht schliesslich üppig.

Erste Krisen lassen erfahren, dass das Echte auch Trockenzeiten übersteht. Die Verkündigung gewinnt an Kraft und an Schlichtheit, sie hebt den Schatz des Evangeliums und beerdigt die frommen Moralpredigten. Keiner glaubt (mehr) an Konzepte, aber jeder, der beteiligt ist, kann eine Geschichte erzählen. Eine Geschichte davon, wie Gott handelt. Auch durch Fehler. Denn während in einem Konzept Fehler stets das Ganze gefährden, machen sie in einer Geschichte erst die Spannung aus. Umwege gehören dazu –- manchmal so sehr, dass wir uns gar nicht mehr vorstellen können, wie Gott seine Geschichte ohne sie geschrieben hätte. Umwege lassen uns das Geheimnis von Busse und Gnade tiefer erfahren.

Die Erfahrung zeigt: Lebendige Kirchen haben weder einen Wagner, noch einen Schwarz dauerhaft gebraucht, auch keinen Simson, keinen Gumbel und keinen Hybels. Lebendige Kirchen kommen ohne Warren aus und vielleicht sogar ohne Pompe und Kurz :-). Lebendige Kirchen brauchen Gott, dessen Name bleibt von Geschlecht zu Geschlecht, dessen Geist Menschen weckt und sie bereit macht, ihr Leben in den Dienst einer göttlichen Sache zu stellen.

Das macht nicht alles unnötig oder überflüssig, was je über christlichen Gemeindeaufbau, christliche Gemeindeentwicklung und Evangelisation/Mission geforscht oder geschrieben worden ist. Beileibe nicht! Es wird aber auch nie mehr sein können als eine Leiter, die wir getrost hinter uns umstossen können, wenn sie uns (bestenfalls) auf die Ebene der Wachheit, der Neugier und der Aufmerksamkeit gebracht hat.

Denn lebendige Kirchen brauchen Menschen, die wach genug sind, zu Gunsten der einen grossen Perle auf all die unzähligen reizvollen Möglichkeiten zu verzichten, die ihnen der postmoderne Markt vorbetet. Eine Geschichte lebt davon, dass unzählige Varianten ausgeschieden werden, um die eine Handlung nicht zu verzetteln, den roten Faden nicht zu verlieren. Darum geht es, und es lohnt sich, sein Leben für etwas Grosses im Kleinen hinzugeben.

Wieso ich das so schreiben kann? Weil ich Teil einer Kirchengeschichte sein darf, die meinem Alltag Sinn, meinem Leben eine Aufgabe und meinem Glauben eine tägliche Bestätigung gibt. Gott sei Ehre, Lob und Dank dafür.

Pfr. Dr. theol. Alex Kurz ist Pfarrer der reformierten Kirchgemeinde Rohrbach im Berner Oberaargau.

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