Kirchenbund zwischen Wunsch und Realität

Der Schweizerische Evangelische Kirchenbund (SEK) werde von aussen „"als Kirche wahrgenommen"“ -– doch die Kompetenz, „"als reformierte Kirche Schweiz aufzutreten"“, fehle ihm faktisch. Dies schreibt der Rat des Kirchenbunds in einem 50-seitigen Bericht zur anstehenden SEK-Verfassungsrevision. Darin plädiert er für mehr Eigengewicht.

"Wollen die reformierten Kirchen auch in Zukunft als Kirche präsent bleiben…..., müssten dem SEK Kompetenzen zugestanden werden, die seine öffentliche Präsenz als Kirche fördern und unterstützen"“, folgert der Rat SEK aus den Erwägungen. Für einen "„Kirchenbund in guter Verfassung"“ legt der Rat im Bericht, der am 8. April 2010 online veröffentlicht wurde, drei Modelle vor. Erstens einen «starken Bund», der den Mitgliedkirchen ihre Autonomie belässt, sie aber finanziell mehr fordert. Zweitens einen «umfassenden Bund», dem die Mitgliedkirchen alle gebietsübergreifenden Aufgaben übertragen. Drittens eine "„Evangelische Kirche Schweiz"“ oder „"Reformierte Kirche Schweiz"“, an der die kantonalen Kirchen ihre kirchenleitenden Aufgaben abtreten.

Zurückhaltung bei Kirchenleitern
Der Bericht gibt Grundlagen für die Abgeordnetenversammlung im November 2010, die das weitere Vorgehen in der Revision der SEK-Verfassung beschliessen wird. Er enthält Ergebnisse einer Umfrage unter Schweizer Kirchenleitern. Am meisten Zuspruch unter ihnen (69%) fand die Stossrichtung, im Kirchenbund "„ein stärkeres Bewusstsein, miteinander Kirche zu sein"“ zu pflegen. Eine stärkere organisatorische Verbindlichkeit unter den Mitgliedkirchen und mit dem SEK wünschten 59%; nur 49 % priorisieren einen sehr starken Kirchenbund, «der die Spitze des Schweizer Protestantismus bildet». Der Grossteil ist mit dem Ist-Zustand zufrieden und sieht die wichtigsten SEK-Aufgaben nicht in der Kirchenleitung, sondern in der Vertretung der Reformierten in Gesellschaft und Politik.

Im Gespräch: Nach der Calvin-Jubiläumsfeier in Genf, 2009

Realitätscheck
Im Bericht des SEK-Rats wird weiter eine 2008 gemachte Umfeldanalyse der Lausanner Religionssoziologen Jörg Stolz und Edmée Ballif zusammengefasst, die diverse alarmierende Tendenzen darlegt. Etwa: „"Noch ganze 10% der Reformierten besuchen jeden Sonntag, die Kirche, davon sind 60% über 70 Jahre alt"!“ Bis 2040 dürfte der reformierte Protestantismus mindestens ein Drittel seiner Mitglieder verlieren. Die Umfeldanalyse mündet in Vorschläge, wie auf den Schwund von Kirchenmitgliedern und Gottesdienstbesuchern, auf die steigende religiöse Individualisierung und Pluralisierung reagiert werden könnte. Denn die Schweizer überlegten sich zunehmend, "„ob nicht andere, oftmals säkulare Angebote ihre Bedürfnisse besser und kostengünstiger befriedigen"“.

Autonomie -– und nun?
Stolz und Ballif legen den Finger auf einen wunden Punkt: Die Verselbständigung der nicht-religiösen Lebensbereiche und Gemeinschaften mit pseudo-religiösen Aspekten (Sport) schwächen die Reformierten besonders. Auf dem Altar der religiösen Autonomie des Einzelnen haben die Reformierten seit der Aufklärung so viele Opfer gebracht, dass ihre Gemeinschaft unter die Räder gerät.

Mit den Worten des Berichts: „"Das Zugehörigkeitsgefühl zur reformierten Kirche erodiert in allen Mitglieder-Kategorien...… Eine Organisation braucht jedoch zum Überleben ein Minimum an sozialen Beziehungen und an einsatzwilligen Personen. In dieser Hinsicht ist der Fortbestand der reformierten Kirche nicht gesichert".“

Dem SEK sind Strukturfragen zuvorderst. Doch die Situation der Reformierten erfordert viel mehr und Anderes als dies. Um den Fortbestand der reformierten Kirche in der Schweiz wird -– was die Soziologen nicht thematisieren -– nicht primär strukturell oder mit Medienpräsenz, sondern geistlich zu ringen sein.

Der SEK-Bericht „«Für einen Kirchenbund in guter Verfassung»
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