Wie sich die Kirche Englands erneuert

Demut und Gebet, Vertrauen auf die Kraft des Evangeliums und einfachere Strukturen haben in der anglikanischen Kirche in London zu neuem Feuer geführt. Es strahlt ins Land aus. Paul Williams, Bischof von Nottingham, faszinierte am 4. März an einer Tagung in Böhringen bei Radolfzell mit seinem Bericht. «Wir lernen alle miteinander, machen Fehler miteinander – und wachsen weiter.»

Nach dem Winter kommt der Frühling: Diesem hoffnungsvollen Wort von Erzbischof Justin Welby entspricht laut Williams die erstaunliche Tatsache, dass heute Engländer Christen werden, von denen man es überhaupt nicht erwarten würde. Dies veranlasste die Zeitschrift New Statesman 2009 zum Titel «God is back». Im Jahr 2000 hatte sie noch Gottes Tod aufs Cover gesetzt.

In der Church of England entsteht eine neue Generation von Leitern, die nicht mehr vom Status der Staatskirche bestimmt, aber darauf aus ist, ihre alten geistlichen Wurzeln neu zu entdecken. Dies geschieht, während junge Briten desillusioniert Zuversicht suchen in einer haltlosen, zunehmend polarisierten Welt.

Geschichte der Hoffnung schreiben

Paul Williams war vom Böhringer Pfarrer Markus Weimer eingeladen worden. Er betonte, dass sich die Church of England als Institution grundlegend wandelt (conversion). Erneuerung und Reform würden angestrebt und eine Viertelmilliarde Pfund eingesetzt, «um für das 21. Jahrhundert eine Geschichte der Hoffnung zu schreiben». Die Landessynode 2010 formulierte das doppelte Ziel, zum nationalen Gemeinwohl beizutragen und in Zahlen wie in der Tiefe des Glaubens zu wachsen. Dabei wurde auch beschlossen, der Dienst der Kirche solle insgesamt überdacht werden.

Paul Williams arbeitete als Pfarrer in einer Agglomerationsgemeinde im Westen der Hauptstadt, bis ihn Richard Chartres, der Bischof von London, 2008 in sein Team berief. Nach sechs Jahren nahm Williams, dessen Mutter eine der ersten Priesterinnen der Kirche gewesen war, die Berufung in die mittelenglische Diözese Southwell-Nottingham an.

Was zum Aufbruch beitrug

Was hat zum Aufbruch in der Anglikanischen Kirche beigetragen? Der Kirchenleiter nannte sieben Punkte:

Kirche im Machtzentrum: Big Ben und Westminster Abbey.

1. beschlossen engagierte Christen vor zwei Generationen, die Kirche trotz Verfallserscheinungen nicht zu verlassen, sondern um ihre Erneuerung von innen zu ringen. Dazu gehörten die Liebe zur Vielgestaltigkeit der Kirche und die Arbeit an einer für alle kirchlichen Strömungen akzeptablen Wachstumsvision. In der charismatischen Erneuerung streckten sich viele, Hauptamtliche und Mitglieder nach der Kraft des Geistes aus. «Renewal starts with us» (David Watson).

2. Einzelne Gemeinden entwickelten sich, während evangelistische und charismatische Grossveranstaltungen (Spring Harvest, New Wine, Soul Survivor) kirchenferne Menschen ansprachen. Frischer Lobpreis mit neuen Liedern erleichterte ihnen den Zugang zur Kirche.

Gemeinden verschenken sich

3. gelang es einigen Gemeinden, in sich zu wachsen und nicht mehr auf Probleme (anderer) zu fokussieren. So entwickelten sie sich zu resource churches: Sie lernten und übten, sich zu verschenken. In diesen Gemeinden wurden vermehrt junge Leiter und auch Studenten gefördert; Holy Trinity Brompton im Herzen Londons machte mit dem Alphakurs Furore.

4. zeichnete die Bewegung ein neues Vertrauen auf das Evangelium aus. In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts hatten viele evangelicals die Auseinandersetzung mit akademischen Theologen gescheut. Eine neue Generation (A. McGrath, N.T. Wright, D. Ford) erarbeitete eine hochstehende generous orthodoxy. (In ihrer Priorität auf der Erneuerung der Lehre sieht Williams eine Parallele zur Reformation vor 500 Jahren.)

Lernbereit und beharrlich

5. machten die Verantwortlichen Mut, «alle Regeln zu brechen, um alle Menschen zu erreichen, die du erreichen kannst». In einem Jahrzehnt der Evangelisation (1990er) wurden vielfältige Erfahrungen gesammelt. Sie führten zum wegweisenden Bericht Mission Shaped Church von 2004. Nach Paul Williams begann man damals zu fragen: «Wir können wir Ja sagen?» – statt Gründe für ein Nein zu suchen. Es kam zu den ersten Neugründungen von Gemeinden und zur Bildung von fresh expressions of Church. Die Bischöfe begrüssten sie und forderten das Kirchenvolk auf, die mixed economy zu fördern. Dabei schrumpfte die Church of England immer noch.

6. liessen sich die Kirchenleiter von den gesellschaftlichen Trends nicht beirren und formulierten ihre Vision.

7. kamen vor allem Gemeinden mit initiativen Pfarrern, die vorangingen und viele mitnahmen, in Fahrt. Die Church of England lässt sich die Weiterbildung ihres Klerus viel kosten – mit dem Ziel, dass viele Ehrenamtliche in der Kirche herausfordernde Aufgaben bekommen. «Wir lernen alle miteinander, machen Fehler miteinander – und wachsen weiter.»

Alle diese Schritte, so Bischof Paul Williams, wurden möglich durch das Gebet vieler. «Es hat alles unterstützt und neuen Mut und Kreativität inspiriert.» Die Church of England sei voller Hoffnung, sagte Bischof Williams. Man wolle auf dem Weg der Erneuerung mit der weltweiten Kirche weiter lernen.