Kalter Winter in der Waadtländer Kirche

Provoziert die drittgrösste reformierte Kirche der Schweiz den Abbruch ihres bibelorientierten Flügels? Die Waadtländer Reformierten haben sich mit dem Beschluss zur Segnung homosexueller Paare in die Bredouille gebracht. Gegner fordern, dass der Entscheid ausgesetzt wird.

Die Synode der Waadtländer Reformierten folgte am 3. November dem Conseil Synodal, ihrer Kirchenleitung, und beschloss mit grossem Mehr, ein Segensritual für eingetragene gleichgeschlechtliche Paare ausarbeiten zu lassen. Synode wie Kirchenleitung ignorierten die schon vor Jahren vorgebrachten prinzipiellen Einwände und Proteste eines Teils der Basis. Man müsse mit der Zeit gehen, hiess es. Der Conseil Synodal markierte in der Sache, die auch in den Medien Wellen warf, Härte gegenüber den bibelorientierten und konservativen Kräften: Wie im November bekannt wurde, will er der Synode schon im nächsten Frühjahr eine Liturgie für solche Feiern vorlegen. Der Beschluss gibt ihm dafür bis 2014 Zeit.

Moratorium gefordert
Der Widerstand in den Gemeinden, die teils durch das Forum Evangélique Réformé (welscher Teil des LKF) vernetzt sind, hält an. 200 Personen trafen sich am 30. November in Cugy bei Lausanne und beschlossen eine Unterschriftensammlung. In der Petition fordern die Gegner die Synode auf, den Beschluss auszusetzen und umstrittene Fragen vertieft zu erörtern. Beschlüsse sollten dann nicht durch einfachen Mehrheitsentscheid gefasst werden, sondern im differenzierten Konsensverfahren, wie es im Ökumenischen Rat der Kirchen praktiziert wird.

Verwirrendes Signal
Die Gegner der Feiern wollen die Waadtländer Kirche nicht verlassen, sondern laut Petition „"innerhalb der Kirche an ihrer Einheit arbeiten", für ein lebendiges und stimmiges (vivant et cohérent) christliches Zeugnis im Kanton. Sie könnten aber mit ihrem Gewissen den Synodebeschluss nicht annehmen, da er "„entschieden zu weit von der biblischen Botschaft und von Gottes Schöpfungsplan entfernt"“ sei, für Paare und Familien Verwirrung stifte, die Einheit und den inneren Frieden der Kirche bedrohe und auch Beziehungen zu anderen Kirchen behindere. Die Reformierten Genfs und Neuenburgs haben die Segnung homosexueller Paare abgelehnt; in den Deutschschweizer Kirchen, die sie ermöglichten, findet jährlich bloss eine Handvoll Feiern statt.

Polarisierung
Der Theologe Daniel Marguerat hatdem Conseil Synodal in einem Gasteditorial der Zeitung '‚24 heures'‘ (3. Dezember) vorgeworfen, mit seinem Vorhaben die von Restrukturierungen gebeutelte Kirche unnötig zu polarisieren. Die Zerreissprobe zwischen dem evangelisch-bekennenden und dem zeitgeistig-liberalen Flügel der Kirche sei umso gefährlicher, als man Bibel nicht gegen Modernität ausspielen dürfe -– „"das ist für den Protestantismus selbstmörderisch"“. Die Debatte sei ganz falsch aufgezogen worden. Es gehe nicht um die Stellung zur Homosexualität; dazu habe die Synode schon 2008 einen toleranten Beschluss gefasst, merkt der Neutestamentler an. „"Die aktuelle Debatte geht tiefer und fordert unser Verständnis von Liebe, von der Paarbeziehung und der Weitergabe des Lebens heraus".“

Marguerat, Honorarprofessor an der Uni Lausanne, schreibt, Schwule und Lesben hätten das Recht, anders zu sein. „"Aber eben dieses Anderssein muss anerkannt werden! Eine gleichgeschlechtliche Ehe oder eine quasi-eheliche Segnung vorzusehen, verstösst gegen das Wesen der Ehe (dénaturer le mariage), die sich auf die Differenz der Geschlechter gründet".“ Wer assimilieren wolle, was als anders anerkannt werden müsse, der irre auch theologisch. Marguerat schliesst mit der Hoffnung, dass die Waadtländer Reformierten mit der Andersartigkeit schwullesbischer Beziehungen kreativ umgehen können.