Jesus, der Auferstandene und Vollender
Mit dem Glauben an die Auferstehung Jesu von den Toten standen die ersten Christen ganz quer zum Strom ihrer Kultur. Dass sie mit ihrer Überzeugung erfolgreich waren und die Gesellschaft transformierten, ist höchst erstaunlich. Mit historischen Erwägungen unterlegte der britische Neutestamentler N.T. Wright am AfbeT-Studientag am 25. Januar seine Ausführungen zur Auferstehung Jesu. Er legte starke Argumente für die Glaubwürdigkeit der neutestamentlichen Berichte vor. Ostern begründet die Mission der Kirche.
Nicholas Thomas Wright, Professor für Neues Testament in St. Andrews in Schottland, war Ende Januar für zwei Studientage auf St. Chrischona zu Gast. Am ersten Tag sprach er auf Einladung der Arbeitsgemeinschaft für biblisch erneuerte Theologie (AfbeT) über die Auferstehung. Wright befasste sich eingangs mit den Gründen, welche es modernen Menschen erschweren, an die Auferstehung Jesu zu glauben bzw. welche sie gegen die Glaubwürdigkeit anführen. Nicht nur die allgemeine Erfahrung, dass Tote nicht zurückkommen, spreche gegen die Auferstehung, sondern auch das moderne Lebensgefühl. "Unsere Welt glaubt, dass die grosse Wende in der Menschheitsgeschichte im 18. Jahrhundert geschah", nicht durch die Auferstehung Jesu. Diese sei zu einer "vagen Metapher für das Leben nach dem Tod oder das In-den-Himmel-Kommen" geworden.
Schon damals unglaublich
Die europäische Moderne ist durch das Nein zu Wundern des englischen Philosophen David Hume, durch neuzeitlichen Epikureismus und Deismus geprägt. Doch schon den Menschen der Antike, betonte Wright, passte Auferstehung nicht ins Weltbild: "Sie wussten wie wir, dass Auferstehung nicht geschieht". Die antiken Epikureer stellten sich Götter ganz weit weg und ohne Interesse an den Menschen vor. Im 18. Jahrhundert verengte sich der Sinn des englischen Worts 'supernatural' in diesem epikureischen Sinn; zudem kam durch die Industrialisierung eine mechanistische Sicht der Welt auf. In diesem Kontext wurde die Auferstehung "ein Testfall, ob es überhaupt eine übernatürliche Welt gibt".
Wo Himmel und Erde sich berühren
Ein radikal anderes Bild von Gott findet sich im Judentum. Im Konzept des Tempels überlagern sich Himmel und Erde. Für Juden "ist Gott immer gegenwärtig und auf geheimnisvolle Weise aktiv - auch wenn wir es nur im Nachhinein verstehen". Wenn Jesus von den Toten auferstand, sei das für Juden "nicht nur ein einmaliges, unerklärliches Phänomen gewesen, sondern der Beginn der neuen Schöpfung", sagte N.T. Wright. Er machte deutlich, dass mit einer neuen Wirklichkeit auch das Erkennen neu wird. Die Epistemologie folgt der Ontologie. "Die Auferstehung ist die Mitte allen neuen Erkennens".
Für das Nachdenken über die Auferstehung heisst dies: "Wir betreiben historische Forschung nicht, um die Auferstehung im Rahmen eines modernen rationalistischen Rahmens zu beweisen. So würde man den Rationalismus zur Sonne machen, in dessen Licht man die Auferstehung sieht". Vielmehr gilt es laut Wright zu verstehen, was es für die ersten Christen bedeutete, die Auferstehung des hingerichteten Mannes aus Nazareth zu behaupten, welche Folgen der Glaube hatte, wie quer er in der antiken Landschaft lag.
Erfolg wider alle Erwartung
Der erstaunliche Aufstieg des Christentums im Römerreich - wie ist er ohne die Auferstehung Jesu zu erklären? Die neutestamentliche Wissenschaft habe es versucht, sagte der Professor, habe auf soziale Aktion oder auf innere spirituelle Erfahrung der Jünger verwiesen. Beide Elemente habe das Christentum im Lauf der Jahrhunderte umfasst. "Aber diese beiden werden gehalten durch etwas in der Mitte: Die Welt hat sich verändert, ist anders geworden". Mit der Auferstehung wird die übliche Anschauung der Welt herausgefordert. Sie ist nicht bloss ein Kuriosum, das vor 2000 Jahren geschah. "Sondern Gott ist doch wohl der, der die Toten auferweckt. Und Gott hat dieses Vorhaben lanciert in Jesus".
Der jüdische Hintergrund
Am AfbeT-Studientag, der 350 Personen anzog, schilderte N.T. Wright nach diesen Vorbemerkungen die Jenseitsvorstellungen in der griechisch-römischen Kultur und im Judentum zur Zeit Jesu. Er arbeitete heraus, dass der Auferstehungsglaube der Jesus-Anhänger einzigartig war: Die Griechen hatten, wenn überhaupt, ein schattenhaftes Fortleben im Hades vor Augen. Der Glaube der frühen Christen hob sich auch von Reinkarnationsvorstellungen ab, welche die Seele in einem unendlichen Kreislauf sehen.
Im Judentum war der Glaube an die künftige Auferstehung "nur eine von mehreren Optionen zum Leben nach dem Tod". N.T. Wright bemerkte, dass die meisten gegen die Römer gerichteten jüdischen Widerstandsbewegungen nach dem Tod ihres Führers in sich zusammenfielen. Und "nie sagte irgendjemand, einer dieser Führer sei von den Toten auferweckt worden". Es gab auch im Judentum keine Sprache, an welche Christen anknüpfen konnten. Wenn die Anhänger Jesu nach seinem Tod eine tiefe Erfahrung der Liebe Gottes hatten, war das, so Wright gegen Schillebeeckx, für sie als Juden kein Grund zu sagen, er sei von den Toten auferstanden.
Weil die Schöpfung gut ist
Im Alten Testament ist keine chronologische Entwicklung hin zu einer Auferstehungshoffnung wahrzunehmen. Allerdings halten Juden im Gegensatz zu Platon die Welt für eine gute Schöpfung Gottes. "Die Auferstehung bekräftigt das Gutsein des Geschöpfs". Hingegen glaubte der hellenistisch angehauchte jüdische Philosoph Philo an eine selige Unsterblichkeit ohne Leib. Im Kampf gegen übermächtige Heiden erwarteten Juden zunehmend eine Erneuerung der Schöpfung (Hes 37, Dan 12, 2. Mak 7): "Wenn Gott, der gute Schöpfer und der Richter, alles zurechtbringt und wieder ins Lot bringt, dann folgt aus dem Zusammenkommen von Schöpfung und Gericht die Auferstehung". Dies ist gemäss Wright für die Rabbinen so klar gewesen wie für die frühen Christen.
Radikalisierungsfaktor
Der Auferstehungsglaube förderte bei Juden die Bereitschaft zum Aufstand. Der Eifer für Gott wurde ab der Mitte des 1. Jahrhunderts von der Überzeugung der Kämpfer gefördert, dass der Schöpfer ihnen das Leben wieder geben werde. Zudem beerdigten Juden aufgrund des Glaubens Tote in zwei Schritten: Den Leichnam legten sie in eine Höhle; die Gebeine sammelten sie später in einem Ossuar. Dem Historiker fällt auf, dass die Menschen, die aus den unterschiedlichsten Kulturen zum Glauben an Christus kamen, deren Bestattungsformen nicht beibehielten: "Alle frühen Christen glaubten an die Auferstehung"; es gibt keine Hinweise auf das Gegenteil.
Allerdings hatten sie noch keine eindeutige Sprache für den Zwischenzustand unmittelbar nach dem Tod, auf den sich heute das Interesse richtet. Von ihm ist im Neuen Testament bloss an vier Stellen die Rede (Luk 23,43; Joh 14,2; 2. Kor 5,8; Off 6,8); der Akzent liegt auf dem, wie Wright sagte, "Leben nach dem Leben nach dem Tod", der Auferstehung aus dem Zwischenzustand.
Das Geschehen, das alle Kategorien sprengt
Insgesamt lässt sich der Hintergrund des Auferstehungsglaubens im Judentum verorten, doch in ihm ist das frühchristliche Zeugnis von Jesus dem Auferstandenen einzigartig und präzedenzlos:
1. In der Mitte der Geschichte ist eine Person schon auferweckt worden!
2. Die Idee der Auferstehung rückt damit von der Peripherie (im ganzen Talmud bloss eine Diskussion) ins Zentrum.
3. Christen gewinnen Klarheit über die Auferstehung und sprechen von der Verwandlung des Leibs in eine unsterbliche Körperlichkeit (immortal physicality).
4. Der Messias selbst ist von den Toten auferweckt worden!
5. Christen brauchen die Sprache von Auferstehung als Metapher (Hes 37).
6. Die Auferstehung von Menschen wird direkt verbunden mit der Verwandlung der Schöpfung.
7. Obwohl die Auferstehung im Judentum bereits eine politische Dimension hatte, weitete sich diese für die ersten Christen aus: Indem sie in Jesus schon stattgefunden hat, bilden jene, die zu ihm gehören, die in Christus sind, eine qualitativ neue Gemeinschaft.
Diese Punkte zeigen laut N.T. Wright an, dass etwas höchst Aussergewöhnliches passiert sein musste, damit diese "Revolution der Ideen" geschehen konnte. Der britische Theologe führte im Weiteren aus, wie Paulus den Auferstehungsleib beschrieb. Das griechische Wort pneumatikon bedeutet 'geistlich' nicht im unkörperlichen Sinn, sondern 'durch den Geist animiert' (der ursprüngliche Leib war seelisch bewegt). Auch Paulus, dessen Briefe früher datiert werden als die Evangelien, glaubte an die leibhaftige Auferstehung Jesu und - am Ende - der Gläubigen.
Argumente für die Glaubwürdigkeit
Die Glaubwürdigkeit der Evangelienberichte ist mit der Annahme, sie seien erst eine oder zwei Generationen nach dem Ereignis entstanden, angezweifelt worden. Wright führte vier Punkte für die frühe Niederschrift und Verlässlichkeit an:
1. Die eigene Zukunftshoffnung der Gläubigen wird nicht erwähnt.
2. Von Jesus wird ein unerwartetes Portrait gezeichnet: Er wird nicht gleich erkannt. Von den Anhängern wagt ihn keiner zu fragen. "Es scheint, dass die Evangelien sagen wollen: Jesus hat einen Körper wie wir - aber noch mit anderen Eigenschaften". Die Geschichten atmen die Unmittelbarkeit der Begegnung.
3. Frauen sind die ersten Zeugen - aussergewöhnlich, da sie vor Gericht nicht als glaubwürdige Zeugen gelten (und daher in 1. Kor 15 nicht angeführt sind). "Es ist undenkbar, dass Geschichten erfunden und Frauen eingefügt wurden".
4. Das Alte Testament ist in den Geschichten fast ganz abwesend, im Gegensatz zu der mit Anspielungen und Zitaten gespickten Darstellung der Kreuzigung. Wären die Auferstehungsgeschichten eine Generation nachher oder später erfunden worden, hätte man Bezüge zum Alten Testament eingebaut.
Überforderte Autoren
N.T. Wright sagte, dass das Schreiben über die Auferstehung den Evangelisten ähnliches Kopfzerbrechen bereitete, wie es uns überfordern würde. "Sie wussten wie wir, dass der Gegenstand die Grenzen des Sagbaren sprengt". Die Geschichten bringen etwas zum Ausdruck, was völlig neu ist. "Die Geschichte wird nicht erzählt als das happy ending eines sonst tragischen Scheiterns. Sie ist vielmehr der Beginn von etwas Neuem, das in die überraschte alte Welt eingebrochen ist
... Die Mission der alten Kirche fliesst direkt aus der Auferstehung von Jesus".
Hoffnung auf die neue Welt
Für Wright funktioniert keines der von Skeptikern vorgebrachten Argumente gegen die Auferstehung. "Sie lassen uns mit der Frage: Gibt es einen Gott, der die Toten auferweckt"? Wenn die Geschichte stimmt, so der Theologe, ist die Welt jetzt eine andere. Dann ist das Christentum nicht Lebenshilfe, sondern Frohbotschaft ("not good advice, but good news"). Wenn es wahr ist, dass Gott Jesus auferweckte und Tote auferweckt, ist damit nicht nur die Hoffnung gegeben "auf ein Leben nach dem Leben nach dem Tod, sondern auch Hoffnung auf eine erneuerte und transformierte Welt".
Der Auferstandene im Himmel
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Im dritten Block des Studientages kam N.T. Wright auf die Wiederkunft des Auferstandenen und die Vollendung der Welt zu sprechen. Nach dem jüdischen Weltverständnis gibt es Orte und Zeiten, wo Himmel und Erde sich überlagern und zusammenkommen, so im Tempel. Jesus ist das beste Beispiel dafür. Seine Wiederkunft ist nicht - wie es alte und neue Epikureer sehen würden - das Eintrudeln eines Raumfahrers aus den Weiten des Alls. Denn durch die Himmelfahrt hat sich Jesus nicht entfernt, sondern er ist angetreten, (noch unsichtbar) zu herrschen.
...
und wieder zurück
Wright brauchte das Bild eines Vorhangs, hinter den wir noch nicht blicken. "Jesus ist bei uns, aber auf eine verhüllte Weise. Eines Tages wird der Vorhang weggezogen". Daher ist im Neuen Testament nicht ausschliesslich von der Wiederkunft Jesu (parousia), sondern auch von seinem Erscheinen (phaneroo, Kol 3 und 1 Joh 3) die Rede. Die Wiederkunft schliesst Gericht ein. Den Weg zu einem angemessenen Verständnis des Gerichts weisen etwa die Psalmen 96 und 98: Die ganze Schöpfung, Bäume, Tiere und das Meer freuen sich, weil Gott kommt, um die Welt zu richten. Er kommt, so Wright, offensichtlich nicht, um alles zu verbrennen, sondern um die Welt zurechtzubringen und zu erneuern. Was Verderben und Zerstörung wirkt, muss dafür entfernt werden.
Nicht Ende, sondern Anfang
Laut Paulus (1. Kor 15) leben wir zwischen der Auferstehung Jesu und der Erneuerung der ganzen Schöpfung. Jene, die zu Christus gehören, "sollen Teil des Tuns und Lebens Gottes sein, welches von dem einen zum anderen führt. Daher sind die Auferstehungserzählungen in den Evangelien nicht ein Ende, sondern ein Anfang". Die Evangelien enden mit dem Missionsauftrag, Johannes mit einer Jesus-shaped mission: "Wie der Vater mich gesandt hat, so sende ich euch" (Joh 20,21).
Johannes und Paulus leiten zum Gedanken, dass die neue Schöpfung schon mit der Auferstehung begonnen hat (für die Juden stand die künftige Weltzeit noch aus) und Christen ein Teil davon sein sollen. "Wir glauben, dass Gott in Jesus die Welt zurechtgebracht hat - und er wird sie vollends zurechtbringen. Christen dürfen daraufhin wirken und diese Welt zur Ehre des Schöpfers und Vollenders "zu einem herrlichen Ort, voll von Schönheit" machen.
Audiofiles der Vorträge am 25. und 27. Januar 2014
Bücher von N.T. Wright zum Thema:
Die Auferstehung des Sohnes Gottes
Von Hoffnung überrascht: Was die Bibel über Auferstehung und ewiges Leben sagt
Homepage von N.T. Wright