Hoffen in der Vorfreude, handeln in den Krisen
Was nährt Hoffnung und worauf richten Hoffende den Blick? Die Freiburger Studientage 2023 setzten Hoffnung in Bezug zu den aktuellen Krisen. Rowan Williams predigte über Christus, die «Hoffnung der Herrlichkeit». Weitere Referenten öffneten einen weiten Fächer. Günter Thomas sagte: «Tätige Hoffnung riskiert, Zeichen der neuen Welt, Zeichen der Erlösung zu schaffen, ja auch zu modellieren.» Hier sind die Hauptvorträge zusammengefasst.
Was glauben, was hoffen, was vertreten Christen angesichts der sich überlagernden, sich verschärfenden Krisen? In ihrer Begrüssung sagte Christine Schliesser, nötig sei eine neue Theologie der Hoffnung. Auf ihrem Boden könne ein «konstruktives Engagement für die Gegenwartskulturen» wachsen. Joachim Negel, Dekan der Theologischen Fakultät, malte im Grusswort dunkel und verwies auf Jürgen Moltmanns «Theologie der Hoffnung» von 1962.
Walter Dürr, Direktor des Studienzentrums, erwähnte eingangs die heutigen polaren Gegensätze in Ökologie, Technologie und Lebensformen. Die neunten Studientage sollten christliche Beiträge zu einem dritten Weg zwischen den Extremen hergeben. «Die Kirche dürfte etwas theologischer werden», meinte der Initiant.
Daheim auf dem Weg?
Ryan McAnnally-Linz, Associate Director des Yale Center for Faith and Culture an der US-Ostküste, skizzierte christliche Existenz nach Augustinus als Pilgerschaft von Babylon nach Jerusalem. Christen sind «on the way, not quite at home», ja sind sogar, so der Kirchenvater, in ihrem eigenen irdischen Daheim Pilger (peregrinoi). Dies umso drastischer, als die Welt denen, die Not leiden, kein gemütliches Zuhause bietet. Der Referent sprach von zahllosen «Verzerrungen und Parodien von wahrem Daheim» in den irdischen Strukturen.
Pilger sind alle
Und auch Christen trügen nicht wenig «Babylon» in sich, wenn sie als Pilger in der nicht-heimeligen Welt das vollendende Wirken Gottes für seine Schöpfung erwarteten. Die Pilgerschaft sei ein «home on the way», auf dem Weg vom babylonischen System nach Jerusalem, mit der Ausrichtung auf Gott, der bei seinen Menschen wohnen wolle.
Laut Ryan McAnnally-Linz ist «das ‹Zuhause Gottes›, zu dem wir reisen, nicht dort oben, sondern es kommt hierher». Die Pilgerreise mit diesem Ziel führt in die Komplexität des Irdischen, das gefallen ist und doch Spuren der guten Schöpfung trägt.
Jüngerschaft ist dann «the work of making homes on the way or making our way home». Aber gewiss nicht in dem Sinn, so der Referent, dass Christen «Reich Gottes bauen». Sie könnten aber in un-heimlichen, lebensfeindlichen Kontexten aus Zitronen Limonade machen. Es gehe nach dem Vorbild Jesu darum, in destruktiven Kontexten zu widerstehen, und gleichzeitig zu erwarten, dass Gottes Daheim uns entgegenkommt. Der Referent schloss mit Beispielen, die zeigen, wie vielfältig Christen dies tun können.
Hoffnung vs. Resignation
Wie kommt Hoffnung in den heutigen Krisen gegen Angst, Wut und Trauer an? Mit dieser Frage begann Ruth Valerio, anglikanische Theologin im Hilfswerk TearFund in England, ihren Vortrag. Verzagen geht nicht – «wir müssen weiter tätig bleiben». Wenn andere nur noch den Mut der Verzweiflung in sich spürten, wüssten Christen ihre Hoffnung in Gott gegründet.
Gegen den Dualismus
Was Gott schuf, war sehr gut. Dies hebe die Bibel hervor, sagte Valerio – im Gegensatz zu mesopotamischen Schöpfungsmythen. Die Welt, durch Gottes Reden geworden, sei tief mit ihm verbunden, stehe im Zeichen seiner Liebe. Christen könnten darum gründlicher ansetzen als säkulare Öko-Aktivisten; sie könnten die dualistische Abwertung der Materie, welche die Ausbeutung der Ressourcen befördert habe, überwinden.
Schöpfung und Erlösung gehören zusammen. Dies komme jedoch in der westlichen Theologie nicht zum Tragen. Gott erlöst nicht nur die Menschen, sondern die ganze Schöpfung, sagte Ruth Valerio und verwies auf Römer 8,19-21. «Unsere finale Bestimmung ist in einer verwandelten Schöpfung, Himmel und Erde.» Im Grunde ist die Hoffnung nichts Natürliches, sondern eine Gabe des Heiligen Geistes.
«Das Land gehört Gott»
Rowan Williams, der frühere Erzbischof von Canterbury, brachte in zwei Vorträgen das mosaische Gebot des Jubeljahrs (3. Mose 25) in die Ökodebatte ein. Im Jubeljahr gehe es nicht bloss um Schuldenerlass, sondern um die Erde. «Wir treten von der Nutzung der Erde für unsere Zwecke zurück und erlauben ihr, sie selbst zu sein. We restore a space for the world to be itself.» Denn das Land gehört Gott; die Menschen besitzen die Erde nicht völlig. Das Jubeljahr erinnert daran, indem es den Fluss der menschlichen Transaktionen unterbricht.
Die Welt von Gott her gesehen
Vom 16. Jahrhundert an habe in Europa das Verständnis von Land und Besitz zunehmend Ausbeutung erlaubt, sagte Rowan Williams und erwähnte die brutalere Sklavenausbeutung auf kolonialen Plantagen. Das Prinzip des Jubeljahrs steht dagegen; die Freiheit des Landes von Ausbeutung und jene der Menschen von Sklaverei hangen zusammen.
Für den Kirchenmann ergibt sich vom Jubeljahr-Prinzip her ein anderes Verständnis von Besitz und irdischer Existenz überhaupt. «Die Welt offenbart uns weiterhin, was wir noch nicht haben und wissen.»
Auf eine Frage zu Genesis 1,28 («Macht euch die Erde untertan») antwortete Williams, die Menschen könnten dies nicht tun, ohne anzuerkennen, was die Welt für Gott ist. Ruth Valerio antwortete auf das Argument, die Moderne habe doch viel zur Minderung von Armut getan: Ja, doch dies sei massiv auf Kosten der Natur geschehen. «Reichtum muss anders gesehen werden. Die Klimakrise stösst Millionen zurück in die Armut.»
Hören, diskutieren, beten
Am Nachmittag des 14. Juni fand die erste Hälfte der 19 Workshops statt, unter anderem zum modernen Wissenschaftspositivismus, zum Longtermismus, zur Aktualität der Benediktsregel und zum Gottesdienst als Hoffnungsort. Den Tag beschloss ein ökumenischer Gottesdienst in der Kathedrale Saint-Nicolas. Rowan Williams hielt eine bewegende Predigt über die Hoffnung der Herrlichkeit, welche Christen im Leben des auferstandenen Christus geschenkt wird (Kolosser 1,27).
Was die Hoffnung für heute hergibt
«Hoffnung ist quasi die Signatur christlicher Existenz, sowohl individuell wie auch kollektiv als Kirche.» Den ersten der drei Vorträge am Vormittag des 15. Juni hielt Christine Schliesser, Ethikerin und Studienleiterin am Zentrum Glaube und Gesellschaft. Sie setzte christliche Hoffnung den Umdeutungen und Warnungen von Marx und Nietzsche aus, um mit Bonhoeffer zu enden. Leidende bloss zu vertrösten auf ein besseres Jenseits (Religion als «Opium des Volkes»), würde Hoffnung arg verzerren.
Nietzsche rief im Zarathustra seine Leser auf: «Bleibt der Erde treu und glaubt Denen nicht, welche euch von überirdischen Hoffnungen reden!» Schliesser räumte ein, dass Hoffnung als Beruhigungsmittel und als Energiebooster wirken könne. Sie spielte eine Hoffnungshymne von Eddy Grant aus der Apartheid-Zeit ein und betonte die «konstruktive Macht radikaler Hoffnung».
Nach der Shoa hoffen
Doch wie kann nach der Shoa, nach Auschwitz gehofft werden? Von Johann Baptist Metz her formulierte Christine Schliesser: «Die Story des Leids ist untrennbarer Bestandteil der Story der Hoffnung und der Befreiung – und andersherum.» Mit der Auferstehung Christi ist die Hoffnung gegeben, «dass die Geschichten der Gequälten und Getöteten nicht das letzte Wort der Geschichte sind». Die Referentin ersetzte die Redensart «Die Hoffnung stirbt zuletzt» durch «Die Hoffnung ist auferstanden!»
Hoffnung ist vorweggenommene Freude (Jürgen Moltmann). So drängt Hoffnung nach vorne und «erinnert Gott immer wieder: ‹Dein Reich komme!›» Gottes Reich ist bereits hereingebrochen, sagte Christine Schliesser, «aber es ist noch nicht vollendet. Gemeinsam mit aller Kreatur seufzen und schreien wir nach Erlösung. Wir kommen vor Gott und bedrängen ihn mit unserer Wut, unserer Ohnmacht, unserer Angst und ja, auch unserer Hoffnungslosigkeit.»
Christine Schliesser schloss mit Dietrich Bonhoeffers Postulat radikaler Diesseitigkeit. Hoffnung sei fürs Ganze des Lebens zu hegen: «weder Weltflucht noch Weltromantik, sondern in der Gewissheit, das Beste kommt noch, heute das eigene Beste geben».
Der alternative Ansatz des Mönchtums
Gregor Emmenegger, Historiker der Alten Kirche in Freiburg, schilderte die Wege der ersten Mönche in schwerer Zeit. In Ägypten flohen manche vor brutalen Steuereintreibern der römischen Soldatenkaiser (235-284) in die Wüste. Sie realisierten eine neue Form alternativer Gemeinschaft – nachdem schon die Jünger von Jesus sich von ihren Herkunftsfamilien abgesetzt hatten. «Jesus war kein Familienmensch», betonte Emmenegger. Sehr anschaulich schilderte er die anarchische Lebensform der ersten monachoi.
Pachomius erstellte um 350 die erste Regel, Basilius und Augustinus taten dies für die folgenden Generationen. So wurden die monastischen Gemeinschaften tragende Orte des geistlichen Lebens und der Hoffnung. Dies mit Blick aufs Volk, wie Basilius festhielt: «Deshalb muss jeder, der von Gott eine Gabe erhalten hat, sie mehren, indem er Gutes tut und mit ihr zum Nutzen vieler wirkt. Denn niemand ist von Gottes Güte ausgeschlossen.»
Gregor Emmenegger hob hervor, dass Basilius das allererste öffentliche Spital in der griechisch-römischen Antike gründete! Benedikt gab der monastischen Spiritualität um 540 mit seiner Regel eine fürs Abendland identitätsstiftende Form.
Ordensgemeinschaften live
In der Aula der Universität im Üechtland folgten gegen 400 Personen, Dauer- und Tagesteilnehmer, den Vorträgen, diskutierten in den Workshops und sangen in den Tagzeitengebeten mit. Die Veranstalter öffneten zudem Fenster ins Leben von Ordensgemeinschaften. Frère Richard von Taizé, Sr. Doris Kellerhals von den Riehener Diakonissen und der Einsiedler Abt Urban Federer gaben in einem Podium Auskunft. Am Donnerstag Nachmittag konnte eine von sieben klösterlichen Gemeinschaften in der Umgebung von Freiburg besucht werden. Dabei vermittelten auch Vertreter evangelischer Kommunitäten Einblicke in ihre Geschichte und Spiritualität.
In Gottes Versprechen leben
Der letzte Vormittag (16. Juni) war der Frage gewidmet, wie christliche Hoffnung angesichts der Dynamik der technologischen und gesellschaftlichen Entwicklung zu pointieren und zu leben ist. Günter Thomas, Systematiker in Bochum, lud die Hörer ein, «in Gottes Versprechen und Geschichte zu leben».
Laut Thomas tobt in der Spätmoderne ein «wilder Kampf um die Definition von Realität ... Jede Identity erzählt sich ihre Geschichten.» Da blase den Christen so mancher Gegenwind ins Gesicht. «Postsäkular heisst leider auch post-christlich. Welche Geschichte können wir uns, uns Christen überzeugend erzählen?»
Nichts für Zartbesaitete
Günter Thomas schlug vor: «Wir leben im Weltabenteuer Gottes.» Dies sei nichts für zartbesaitete Gemüter. Denn Gott betreibe in diesem Abenteuer kein Mikromanagement. Aber er lasse sich die Welt nicht aus der Hand nehmen. Christen können, so Thomas, mit dem «Versprechen von Gottes schöpferischer Weltloyalität» leben. Sie geht über Karfreitag hinaus, beweist sich in der Auferweckung Jesu.
Der Referent formulierte: «Christen, die das Loyalitätsprogramm Gottes entdeckt haben fliehen nicht, sondern halten stand. In dieser Welt halten sie dieser Welt stand. Mit dem Horizont radikaler Hoffnung leben sie tätige Hoffnung.» Dies indem sie drei Dinge tun: beten (und klagen), arbeiten, modellieren und feiern.
Im Vorläufigen hoffen und handeln
Der Systematiker bemerkte, dass sich Christen als radikal Hoffende nicht zu einer falschen Versöhnung mit der Natur verführen lassen dürfen. «Nein, Gott liebt nicht alles was ist.» Als tätig Hoffende, «als Franchise-Partner der jesuanischen Barmherzigkeit» seien Christen «gemeinsam mit Humanisten auch Weltenreparierer», die an den Nachtseiten des Lebens arbeiteten.
Sie sollten sich eingestehen, dass ihre Lösungen neue Probleme schafften und oft nicht mehr als ein Kompromiss seien, sagte Thomas. «Wenn dass Tun des Möglichen die Grenzen zur Hoffnung auf das noch Unmögliche testet, dann ist so manches Risiko unvermeidbar.»
An dieser Grenze gelte es, nicht in verzweifelte Hoffnung abzugleiten. «An dieser Grenze blühen Visionen und gedeihen Torheiten. An dieser Grenze werden Menschen zu Trotteln, Fanatikern, Heiligen, Narren, Märtyrern und Mördern.»
Jetzt feiern, auch klagen
Günter Thomas kam auf den Gottesdienst zu sprechen. In ihm erinnern wir uns an Gottes Versprechen. «Im Gottesdienst blicken wir in das letzte Kapitel von Gottes Weltabenteuer. Im Jetzt der Feier – und daran erinnert speziell die orthodoxe Tradition – reisen wir in ein ‹Als-ob› der Erfüllung von Gottes Versprechen. Wir feiern das Versprechen einer Erlösung dieser Welt.»
Dass Klagen dazugehört, räumte der Referent ein: «Im Seufzen und im Klagen leben wir in der Gegenwart des Geistes. In der Kraft des Geistes klagen wir, hoffen wir rechtend. In der Klage erinnern wir Christus an das Versprechen des Reiches Gottes.» In der Nachfolge Jesu kombinieren Christen «die Hoffnung auf Glück, die radikale Hoffnung auf Erlösung und die tätige Hoffnung».
Muss Humanismus christlich sein?
Wie gehen der moderne Humanismus mit seinem Kern, dem Konzept der Menschenrechte, und der christliche Glaube zusammen? Carmody Grey von der Universität Durham skizzierte das komplizierte Verhältnis und plädierte für einen nicht selbstkritischen Einsatz der Christen für einen tragfähigen, die westlichen Errungenschaften bewahrenden Humanismus. Indem Europäer die Heiligkeit des Menschen als selbstverständlich annähmen, seien sie im Grunde alle Humanisten. Doch der Humanismus schaffe es nicht mehr, «die geistigen und kulturellen Ressourcen, um ein Konzept des Menschlichen zu stützen», hervorzubringen.
Gleichwohl ist aufgrund der Geschichte für Carmody Grey Zurückhaltung am Platz, wenn behauptet wird, Humanismus müsse künftig christlich sein. «Wir können nicht erwarten, dass der Humanismus, der die Zivilisation in jenen Tagen stützt, abhangen wird von einem universellen Bekennen des Christentums.» Die Grundlegung der Nachkriegsordnung mit den Menschenrechten – ohne globalen christlichen Konsens – bedürfe indes einer Neuauflage.
Die beste Ressource
«Der neue Humanismus muss für alle glaubwürdig sein, für alle funktionieren. Ein solcher Humanismus muss das Gegenteil von identity politics sein.» Das Christentum sei die beste Ressource sei für ein solches Projekt – aufgrund der Inkarnation. «Nichts Höheres kann je über den Menschen gesagt werden als dies. Der Mensch kann nie heiliger und strahlkräftiger sein, als er in der christlichen Sicht ist.» Es komme jedoch darauf an, wie Christen diese Sicht vermittelten.
Das Menschsein übersteigen? Nein, Menschen werden!
Oliver Dürr, der über Transhumanismus eine Dissertation verfasst hat, setzte ein mit zwei Zeitphänomenen: Neben technischem Optimismus greift tiefe Hoffnungslosigkeit um sich. Enorme Hoffnungen werden in die «Künstliche Intelligenz» (KI) gesetzt. Denn KI steigert die Effizienz und damit den Wohlstand. Doch werden mittelfristig Menschen als Arbeitskräfte überflüssig? Die Bewegung des Transhumanismus (TH) überspielt dies mit der Verheissung eines total verbesserten Lebens.
«Transhumanisten wollen nicht nur die Schmerzen dieses Körpers lindern, sondern uns einen ganz neuen Körper geben, der keine Schmerzen mehr kennt, weil er nicht mehr lebendig, sondern synthetisch ist.»
Der Mensch aufs Gehirn reduziert
Der Transhumanist versteht den Menschen von seinen Gehirnaktivitäten her. Wenn diese im Computer modelliert werden können, kann man sie in die Cloud hochladen – für eine vom Leib unabhängige (ewige?) Existenz.
Laut Oliver Dürr ist das transhumanistische Menschenbild so attraktiv, «weil es verspricht, alle Wirklichkeit und auch den Menschen in den Bereich dessen zu holen, was wir wissenschaftlich verstehen, technisch beherrschen und manipulieren können». Damit breche der TH mit dem Humanismus, welcher die Besserung des Menschen durch Bildung und Erziehung angestrebt habe. Er steigere die Erwartung, dass die Weltprobleme nur technisch gelöst werden könnten und dass Technik dies viel direkter leiste als unzulängliche Menschen. Um ein Problem von Facebook zu lösen, verspreche sein Chef eine neue App.
Technik ist nie neutral
Oliver Dürr bilanzierte: «Die Technik löst nicht unsere menschlichen Probleme, sie reproduziert und verstärkt sie.» Nötig sind daher eine nüchterne Einschätzung der Digitalisierung und ein realistischeres Menschenbild. Der massive Einfluss der Technik (Auto, Computer, Smartphone) auf unsere Lebenswelt ist wahrzunehmen und kritisch zu reflektieren. Der Referent forderte, zwischen echtem Fortschritt und blosser Technisierung zu unterscheiden. «Wenn die Zukunft mit der Technik besser werden soll, müssen wir nicht nur technische Fortschritte verzeichnen, sondern zugleich auch die Menschlichkeit kultivieren und fördern.»
Imagination aus persönlicher Transformation
Oliver Dürr stellte die Frage: «(Wie) lässt sich die Technik so in unser Leben integrieren, dass sie uns die Welt in ihrer Vielschichtigkeit erschliesst, Resonanzen weckt und die Gestaltung derjenigen Zukunft erlaubt, die wir auch wirklich wollen?» Dafür aber müsse Imagination freigesetzt werden, «Inspiration, neue Perspektiven, echte Lösungen, wirkliche Innovationen und persönliche Transformation von Menschen zum Guten». Dies habe etwas Gnadenhaftes.
Dürr erteilt dem TH eine Absage: «Wenn die Zukunft mit der Technik wirklich besser werden soll, dann müssen wir das Menschliche nicht übersteigen und hinter uns lassen, mit der Technik verschmelzen und ‹transhuman› werden, sondern erst einmal richtig Mensch werden. Damit wäre schon viel erreicht!»
Website des Zentrums Glaube und Gesellschaft zu den Studientagen