Hoffnung, die Worte findet
Es lohnt sich, Glaubensfragen und -zweifel
ernst zu nehmen. Glauben und Denken
können aufeinander bezogen werden.
Aber wie? Im LKF-Webinar vom
11. Januar leuchtete Heike Breitenstein
das Feld aus und gab Anstösse.
Heike Breitenstein lebt in Bern. Die leidenschaftliche Läuferin hat gelernt, dass ihre Fusssehne prophylaktisch Fürsorge braucht. Ebenso sollte auch dem Glauben Sorge getragen werden, sagte sie im Webinar-Impuls – umso mehr, wenn das Umfeld ihm abträglich ist und Zweifel sich melden. «Manchmal beginnt eine Frage zu drücken – und dann kommt dazu, dass eine junge Frau in meinem Bekanntenkreis an Krebs stirbt.»
Gemäss Studien verabschieden sich viele junge Erwachsene von der Kirche, weil sie in ihr keinen Raum für kritische Fragen finden. Dabei, so Breitenstein, wären diese auch positiv zu sehen: als Chance, sich tiefer im Glauben zu verwurzeln.
Gott auch mit dem Verstand lieben
Die Theologin wies in ihrem Impuls auf das erste Gebot hin. Es schliesst ein, Gott «mit deinem ganzen Verstand» (Markus 12,30 NGÜ) zu lieben. Christen sollen Gottes Gedanken nachspüren und dies teilen, so dass andere erleben können, dass der Glaube gute Gründe hat.
Das Aufnehmen von Fragen, die dem Glauben im Weg stehen, die sogenannte Apologetik, hat in der deutschsprachigen Theologenschaft keine gute Presse. Heike Breitenstein verwies auf das vehemente Nein von Karl Barth gegen Versuche, den christlichen Glauben auf Vernunftgründe zu stützen. (Im Römerbriefkommentar von 1922 formulierte Barth programmatisch: «Apologetik, Sorge um den Sieg der Heilsbotschaft gibt es nicht.» Das Evangelium brauche «nicht vertreten und getragen zu werden», es vertrete und trage diejenigen, die die Botschaft «hören und verkündigen».)
«Seelsorge für das Denken»
Doch in der Apologetik geht es nicht um Rechthaberei oder darum, Gott zu beweisen. Selbstverständlich bleibt der Glaube an Jesus Christus unverfügbar und ein Geschenk Gottes. Doch können durch Apologetik Denkhindernisse aus dem Weg geräumt und der Horizont geöffnet werden, damit gute Gründe für den Glauben an Christus erkennbar werden, vermittelt werden und zum Tragen kommen können.
Breitenstein plädierte für eine Auseinandersetzung über solche Fragen in den christlichen Gemeinden, welche hilft, «Auskunft zu geben über den Glauben in einer immer säkulareren Gesellschaft» (vgl. 1. Petrus 3,15).
Fragen, Vorbehalte, Missbehagen, Vorurteile
Die Infragestellung des Glaubens sieht Heike Breitenstein auf drei Ebenen: intellektuell, existentiell und moralisch. Manche Zeitgenossen sind überzeugt, dass seit der Aufklärung Wissenschaften die Religion abgelöst haben und überflüssig machen. Andere finden, dass sie Gott nicht brauchen, um sinnvoll zu leben und glücklich zu werden; nach ihrem Empfinden steht der Glaube der Freiheit in der Lebensgestaltung und der Glückssuche im Weg.
Moralische Vorbehalte werden wegen der (echten oder vermeintlichen) Arroganz und Intoleranz von Christen erhoben (Gewalt in der Kirchengeschichte, Herrschaftsformen in der Bibel, Frauenfeindlichkeit).
Sprachfähig werden
Heike Breitenstein betonte im LKF-Webinar, dass es darum geht, Christen auszubilden, «dass sie sprachfähig werden in der Hoffnung, die uns erfüllt». Sie arbeitet als Bildungsreferentin für das «Pontes Institut für Wissenschaft, Kultur und Glaube», das sich dies zum Ziel gesetzt hat.
Das Institut hat Kleingruppenmaterial zusammengestellt, einen achtteiligen, videobasierten Kurs. Mitgeliefert wird zu jeder Einheit ein Gesprächsleitfaden. Zum Kurs gehört auch ein «Weltanschauungsinterview»: Die Teilnehmenden sollen jemand mit einer anderen Einstellung zum Leben befragen und das Zuhören üben.
Damit Jugendliche klar kommen
Zudem arbeitet das Referententeam des Instituts in Gemeinden mit dem Dialogmodell. Dabei stellen die Teilnehmenden Fragen zu einem Bibeltext und der Hauptteil der Verkündigung erfolgt über das Beantworten der Fragen. Bei einem kurzen Schlussimpuls wird die Auseinandersetzung mit dem Text auf einen Gedanken zugespitzt. Dies fördert die eigene, kritische Auseinandersetzung mit Bibeltexten; der Prediger ist nah dran an den Fragen der Menschen und es wird vermittelt, dass jede Frage willkommen ist.
Auf den Impuls von Heike Breitenstein folgte der Austausch in Kleingruppen. Zum Abschluss brachte Moderator Andi Bachmann-Roth die Teilnehmenden wieder zusammen. Da wurde auch besprochen, wie man selbst mit herausfordernden Gesprächssituationen umgehen kann.
Links:
Pontes Institut für Wissenschaft, Kultur und Glaube
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