Glaubenskurse!
Was kann einer Kirchgemeinde Besseres passieren, als dass Menschen über den Glauben ins Gespräch kommen? In Glaubenskursen gelingt dies. Sie ermöglichen mit der eingängigen Präsentation von Glaubensinhalten auch den Austausch, der hilft, sie persönlich durchzubuchstabieren und sich auf einen spirituellen Weg zu begeben. Dabei entstehen starke Freundschaften.
– Eine Übersicht.
Alphalive ist unter den in der Schweiz angebotenen Glaubenskursen der bekannteste. 1996 erfolgte der Start; 2007 beteiligten sich hierzulande gegen 700 Gemeinden an der Durchführung des auf Plakatwänden beworbenen Kurses. 2014 wurde ein Redesign vorgestellt, 2016 und 2019 die Jugendversion erneuert, 2018 kam die deutsche Filmserie heraus: eigentliche Dok-Filme mit Statements, Videoclips und Grafiken.
Das rote Fragezeichen
Entwickelt wurde Alpha (internationale Bezeichnung) in Holy Trinity Brompton, einer der vitalsten anglikanischen Gemeinden Londons, um die Elemente des Glaubens lebensnah darzustellen und neu zur Hingabe an Christus einzuladen. Gegen Ende des 15-teiligen Kurses wird an einem Weekend der Heilige Geist vorgestellt. Derzeit sind laut Philipp Wegenstein, Leiter des Teams in Zürich, das den deutschen Sprachraum betreut, in der Schweiz rund 200 Gemeinden mit dem Kurs unterwegs, davon ein gutes Viertel reformierte Kirchgemeinden.
Viele führen Alphalive inzwischen online durch. Anders als bei einem Gottesdienst per Livestream sind alle gefragt, Anteil zu geben. Und das tun sie engagiert, zur Überraschung Wegensteins: In ihrer Stube, auf Distanz, liessen sich Teilnehmende eher in tiefe Gespräche ein; es gebe auch weniger Aussteiger. Die Frage ist, was Gemeinden nach dem Wegfall der Beschränkungen tun, damit die Teilnehmenden sich in die leibliche Gemeinschaft begeben. «Leute, die sich online nahekamen, wollen einander nachher sehen.»
Leben in Fülle entdecken
Pfr. Urs Schmid, seit den 1980er Jahren als Evangelist tätig, fasste 2001 die fünf Messages, die das stärkste Echo fanden, im LiFe-Seminar (Leben in Fülle entdecken) zusammen. Wenn bei Alphalive, als dessen Fan sich Schmid bezeichnet, die Inhalte des Glaubens im Vordergrund stehen, setzt LiFe bei den Motivatoren an: dem Verlangen nach Glück und Sinn, dem Schmerz über Leiden und Ungerechtigkeit. «Suchende Menschen fragen eher, warum wir glauben», sagte Schmid zum 20-Jahr-Jubiläum dem idea Magazin.
Er will Christen (Kleingruppen und Gemeinden) befähigen, ihre Freunde mitzunehmen auf eine Entdeckungsreise. LiFe beinhaltet fünf Lektionen Teamschulung – und dann fünf Treffen. Schmid: «Mit acht Christen, die acht Gäste einladen, kann man in einem kleinen Kreis das Evangelium wirksam weitergeben.» Seit 2020 werden LiFe-Seminare online angeboten. Das Kursmaterial liegt als Toolbox bereit.In Altstätten SG hat Pfr. Hansurs Walder nach guten Erfahrungen mit Alphalive das LiFe-Seminar angeboten. Er sieht es als starkes Tool, «um zusammen mit Hauskreisen Freunde für den Glauben an Jesus zu gewinnen. Wir stellten fest, dass Alphalive mit 15 Lektionen für Neue eine zu lange Verpflichtung ist, zudem für die Hauskreise, die dabei sind, ein zu langer Unterbruch.»
LiFe startete, indem ein Hauskreis als Team gewonnen wurde. In zwei Vorbereitungsabenden übten die Teamleute, ihre Glaubensgeschichte auf den Punkt zu bringen. Innert zweieinhalb Jahren führte die Kirchgemeinde LiFe fünfmal durch, meist mit zwei Gesprächsgruppen. «Nicht jedes Mal folgte die erhoffte Teilung des Hauskreises, aber jedes Mal wurden einige gewonnen, die neu in einen Hauskreis kamen. Bei einem Kurs hat eine Frau gleich fünf kirchenferne Freundinnen eingeladen und anschliessend bildeten sie die ‹Life-Ladies›.» Als Stärken bezeichnet Walder die Kürze, die Teamschulung und die relevanten Antworten auf grundlegende Lebensfragen.
Neues Terrain erkunden
Auf der Suche nach weiteren zeitgemässen Angeboten sind Hanna und Christian Stettler-Richter, Pfarrleute in Flaach, auf die Explored-Kurse gestossen. Sie stammen aus dem Umfeld der durch John Stott bekannt gewordenen All-Souls-Kirche in London. In den 1990er Jahren wurde «Christianity Explored» entwickelt: sieben Abende und ein Tag zu den Grundthemen des Glaubens, anhand des Markusevangeliums. Der ins Deutsche übersetzte Kurs erfährt derzeit ein Update. Der Folgekurs «Life Explored» ging von der Frage aus: Was ist das grösste Geschenk, das Gott dir machen könnte? Er ist für ein postmodernes Mindset konzipiert, indem er bewusst macht, welche Götter heute verehrt werden und wie der Gott der Bibel zu Menschen in Beziehung tritt und ihre Bedürfnisse stillt.
Nach «Discipleship Explored» (mit dem Philipperbrief) wurde das Angebot mit dem Einstiegskurs «Hope Explored» abgerundet: drei Abende, die dem derzeit erhöhten Bedarf an Hoffnung Rechnung tragen. Rico Tice macht im Teaser deutlich, dass Hoffnung in Christus gründet: «Real hope is a joyful expectation for the future, based on true events in the past, which changes everything about my present.» Der Hoffnungs-Kurs soll Menschen abholen, die in einem Gottesdienst ins Fragen kommen – zu drei Abenden entschliessen sie sich eher. Die Online-Versionen ermöglichen es Christen, den Kurs mit Freunden in ihrer Stube durchzuführen.
«Life Explored» wird von Stettlers derzeit ins Deutsche übersetzt und ausprobiert. Nach einem gemeinsamen Essen gibt es an jedem Abend ein kurzes Video, das auf das Thema einstimmt, eine kurze Aufwärmphase in Gruppen, ein zwanzigminütiges Referat im Plenum und einen Austausch mit gezielten Fragen zu einem Bibeltext in den Gruppen. Insgesamt dauert der inhaltliche Teil jeweils 90 Minuten. Die Abende gehen der Heilsgeschichte entlang. Eingeladen wird zum Leben, das Gott, gütig, grosszügig und verlässlich, aus seiner Fülle schenkt, befreiend und Freude spendend. Stettlers freut’s, dass gerade Kirchenferne von den Videos abgeholt werden. Die Referate halten sie nach der britischen Vorlage selbst.
Im Land des Glaubens tiefer schürfen
Im Lockdown 2020 ist ein neuer Glaubenskurs erschienen, der passive Kirchenmitglieder zur «Teilhabe an der Missio Dei» und einem geerdeten Christsein ermutigen will. Der Stäfner Pfarrer Michael Stollwerk knüpft inhaltlich und didaktisch an bekannte Formate an und integriert Evangelisation und theologische Erwachsenbildung in einem weiter gesteckten geistlichen Rahmen: «Mir geht es darum, dass Christen über ihre Rolle als reine Konsumenten des Evangeliums hinauswachsen und im Glauben sprach- und handlungsfähig werden.»
Erarbeitet, erprobt und modifiziert hat Stollwerk den Kurs ab 2014 mit Kirchgemeinden in Deutschland und der Schweiz. Die sechs Einheiten schlagen den Bogen von persönlicher Spiritualität («Ich bin doch kein Heiliger») über Kirchenmitgliedschaft («Was bringt mir das?») und Kulturkritik («Die spinnen, die Römer!») zu christlicher Lebenskunst. Angestrebt wird die konstruktive Auseinandersetzung mit den Megatrends der nachchristlichen Gesellschaft.
Theologisch Pate stehen dabei reformiertes Kirchenverständnis, lutherisch-pietistische Rechtfertigungstheologie und katholische Soziallehre. Das schlichte Format (Input – Diskussionsphase – Input) kommt an. Eine Ärztin zeigt sich begeistert vom Seminar: «Es hat mir neue Zugänge zu Themen des Glaubens vermittelt und mich dazu motiviert, mich im Kirchenvorstand zu engagieren.» Der Brunnen Verlag Giessen hat den Kurs in Buchform verlegt: «Leben im Land des Glaubens – 7 Perspektiven für ein spannendes Christsein.»
Der Glaube kommt laut dem Apostel aus dem Hören auf das Wort Gottes. Glaubenskurse haben sich als zeitgemässes Mittel erwiesen, um dem Evangelium in der Flut der Informationen und Ablenkungen die gehörige Aufmerksamkeit zu verschaffen und in den Dialog über Sinnfragen einzuführen, dabei Beziehungen zu ermöglichen.
Bezeichnenderweise geht der Trend zu kürzeren Kursen. Wie viel Zeit sind Herr und Frau Schweizer in der Freizeitgesellschaft bereit dranzugeben für die wichtigste Botschaft der Welt, für die zentrale Gestalt ihrer Geschichte? Viele trimmen sich zu sportlicher Hochform und setzen dafür Hunderte Stunden ein. Wie hoch darf die Schwelle für den Eintritt in den Raum des Glaubens liegen?
Dieser Text erschien zuerst im LKF-Bulletin 1-2022.
Infos zu Glaubenskursen, die in Deutschland verbreitet sind, folgen.
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