Gemeindeaufbau mit Bekenntnis und solider Theologie

"Christliche Kirche ist immer bekennende Kirche – oder sie ist sterbende Kirche".“ Mit einer Predigt über das Apostolische Glaubensbekenntnis schloss Armin Sierszyn am Sonntag, 29. September, in Riehen sein Wirken als Prorektor der STH Basel ab. Die Hochschule dankte Sierszyn für sein 40-jähriges Wirken mit einer Festschrift, deren Titel von ihm stammt: "„Für eine reformatorische Kirche mit Biss"“.

Mit warmem Applaus wurde Dr. Armin Sierszyn am Dies Academicus der Staatsunabhängigen Theologischen Hochschule Basel (STH Basel) als Professor für historische Theologie emeritiert und als Prorektor verabschiedet. An seine Stelle tritt der Frauenfelder Pfarrer Dr. Jürg Buchegger. Damit unterstreiche die STH Basel ihre Offenheit für Landeskirchler und Freikirchler, sagte Rektor Jakob Thiessen. Buchegger unterstrich die Bedeutung gründlicher theologischer Ausbildung für den Gemeindeaufbau.

Mit der Bitte, Gott möge sich Europas und seiner sterbenden Kirchen erbarmen, endete Sierszyn seine Predigt zum Apostolikum. Das im 2. Jahrhundert entstandene Bekenntnis zu Christus als dem Herrn, dem von Gott Gesalbten und König kostete viele das Leben. Es sei „"eine Herausforderung für alle Herrscher dieser Welt"“, sagte Sierszyn, Autor einer vierbändigen Kirchengeschichte. In jedem Gottesdienst, der sich nicht in frommer Unterhaltung erschöpfe, gehe es "„um Gottes Namen, um seine Ehre, um seine Herrschaft über alles"“. Der Zürcher Oberländer Theologe betonte, der „"Allmächtige"“, der nicht zu begreifen sei, habe in Christus auf seine Allmacht verzichtet und sei der Allerverachtetste (Jesaja 53) geworden: "„Er leidet selbst mit unserer Schwachheit".“

Dem tastenden Glauben helfen
Im zweiten Teil des Apostolikums bekennen Christen die Geschichte des Heils: „"Gott vollbringt Tatsachen, um uns sein Gesicht zu zeigen".“ Viele Bekenntnisse der Kirche seien längst wieder ausser Gebrauch gekommen; das Apostolikum, das Karl der Grosse von allen Untertanen auswendig gelernt haben wollte, überdauerte die Zeiten. Auch deswegen, so Sierszyn, weil es hier keine Drohung und kein Verdammen gibt. "„Glaube ist kein Müssen, sondern ein Dürfen. Denn der Glaube macht frei".“ Das Bekenntnis hilft, indem es in die Gemeinschaft der Glauben stellt, dem unsicheren und oft tastenden Glauben des Einzelnen auf: „"Wenn wir ehrlich sind: wie oft wissen wir nicht, was wir glauben sollen? Aber Gott weiss es".“

Neue Generation: Rektor Jacob Thiessen (links), Armin Sierszyn und Jürg Buchegger am Dies Academicus der STH Basel.

Zum dritten Artikel des Credo bemerkte Armin Sierszyn (im Bild mit Rektor Jacob Thiessen und seinem Nachfolger Jürg Buchegger), die geglaubte weltweite Kirche "sei „mehr als unsere Kirchentümer mit ihren engen Kämmerlein"“. So sei das Apostolikum „"das Bekenntnis eines bunten und vielgestaltigen Gottesvolks, das mit Jesus unterwegs ist“". Wenn jemand heute etwas im Bekenntnis nicht glauben könne, dann „"fällt der Himmel nicht zusammen über uns…...So tragen wir einander im gemeinsamen Bekenntnis der weltweiten Gemeinde -– mehr noch, wir werden getragen durch den, der uns geliebt und für uns gesiegt hat".“

Was Europa dem christlichen Glauben verdankt
Haben sich Europas Völker vom Christentum abgewandt? Harald Seubert, seit 2012 Professor für Philosophie und Religionswissenschaft an der STH Basel, wies in seinem temperamentvollen Vortrag auf die unersetzlichen christlichen Grundlagen der europäischen Kultur hin. Wer das moderne Europa allein von der Aufklärung her verstehen wolle, greife zu kurz. Das Christentum habe viel stärker prägend gewirkt als griechischer Geist und römisches politisches Denken. „"Was verdankt Europa dem christlichen Glauben? Darüber denken wir viel zu wenig nach in der säkularen Kultur".“

Menschenwürde für alle
Seubert führte sechs Gaben des Christentums an Europa an: Menschenbild, Zeitverständnis, Arbeit und Musse, Verhältnis zur Natur, Staat und Politik, Wissenschaft und Kultur. Zum Menschenbild bemerkte er, anders als in der griechisch-römischen Antike komme durch Jesus Christus allen Menschen eine unverlierbare Würde zu. In der heidnischen Gesellschaft habe man behinderte Kinder nicht aufgezogen, aus Furcht, die Götter zu kränken. Das Christentum brachte ein neues Verständnis der Zeit, da der ewige Gott in die Zeit eingetreten ist. Christliche Zeit hat eine Mitte (Zeitrechnung) und ein Ziel, ist nicht bloss Werden und Vergehen.

Letztes und Vorletztes
Für die Politik entscheidend ist, dass alle Macht und Obrigkeit unter Gottes Gericht gestellt sind. "„Kein Reich darf sich als letzte Instanz begreifen".“ Der Gottesbezug begrenze das menschliche Regiment; dass er in der EU-Verfassung fehlt, bedauerte der bayerische Philosoph. Christen könnten zwischen Vorletztem und Letztem unterscheiden. Der säkulare Rechtsstaat bedürfe christlicher Ressourcen, um zerstörerische Kräfte abzuwehren. Europa sei in seiner ganzen Seinsweise vom christlichen Glauben durchdrungen, sagte Seubert, und das solle es auch der ganzen Welt zeigen. Nach Leszek Kolakowski besteht die Herausforderung darin, auf den Hass zu verzichten. Mit Verweis auf Jürgen Habermas‘ „"Glutkern der Religion"“ rief Seubert dazu auf, alles zu tun "„um den Glutkern unseres Glaubens wieder zu erfassen und zu entdecken“".

Hochschulrat statt Kuratorium
Die STH Basel, die ihren Lehrkörper in den letzten Jahren stark erneuert hat, verabschiedete zu Beginn ihres 44. Studienjahrs sieben Studierende mit Master-Abschluss. Neun neue Vollzeitstudierende wurden begrüsst. Das STH-Kuratorium, das seit der Gründung der Schule die Aufsicht führte, löst sich auf, da neu ein Hochschulrat gebildet wurde. Seinen Vorsitz führt Dr. Roland Frauchiger, Vizepräsident der Aargauer Kirchensynode.

 

Website der STH Basel

Festschrift für Armin Sierszyn zum 70. Geburtstag
Für eine reformatorische Kirche mit Biss
Hg. Sven Grosse, Herbert Klement
LIT Verlag, Münster, 2013
ISBN 978-3-643-80146-3
Auslieferung in der Schweiz: immanuelverlag [at] sthbasel.ch