Eine Taufe – und jeder ein Sonderfall?

Bei der Taufe erwarten die Eltern Segen für ihr Baby. Anderseits wünschen mehr Erwachsene ihren neu gewonnenen Glauben mit einer Erfahrung spirituell zu vertiefen. An der Tagung in Liestal am 3. November 2012 hat das LKF erörtert, wie in der erlebnishungrigen Gesellschaft angemessen getauft werden kann. Der Neutestamentler Peter Wick (Bild) wies auf die Grundfrage hin: ob in der Taufe ausser dem Menschen auch Gott handelt. Die Kleinkindertaufe mache Sinn, wenn Gott etwas bewirkt, was dem Täufling nicht vorenthalten werden darf.

Wollen und können die Eltern ihrem Kind die christliche Erziehung geben, die bei der Taufe zu versprechen ist? Was geschieht da überhaupt? Gibt es „Taufe ohne Glauben?“ An der LKF-Tagung zu diesem Thema war die Spannung zwischen dem traditionellen volkskirchlichen Taufverständnis und heutigen Erwartungen in Gemeinden mit Händen zu greifen. Workshops von Pfarrpersonen zeigten kreative Ansätze in der Arbeit mit Familien und Erwachsenen auf.

Segnung mit Taufe angeboten

In Rohrbach bei Huttwil BE wird Eltern mit der Taufe gleich auch die Segnung ihres Kindes angeboten, für den Fall, dass sie das von der Kirchgemeinde formulierte Taufversprechen nicht abgeben mögen. Wie Alex Kurz in einem Workshop darlegte, finden es viele Eltern fortschrittlich, dass sie die Wahl zwischen Segnung und Taufe haben. „Wir begründen beides, ohne eines zu favorisieren.“ Auf viel Interesse stiess an der LKF-Tagung Hansurs Walder (Altstätten SG), der geradewegs für einen Paradigmenwechsel plädierte: Die Kirche solle die Segnung von Kindern favorisieren.

Wenn das Wasser spricht

Thomas Bachofner (tecum, Ittingen TG) schilderte den 70 Teilnehmenden den Prozess in der Kirchgemeinde Gossau (ZH), wo infolge der Segnung von Kindern das Thema Erwachsenentaufe nach 1990 aufkam. Was konnte die Kirche den schon Getauften anbieten? Man wagte sich an eine Taufbestätigung mit Untertauchen im Becken vor der Kirche – ein Ritual, das den Unterschied zur Erwachsenentaufe nicht sehr deutlich markiert.

In der Diskussion wurde gefragt, inwiefern sich die Gemeinde mit solchen Formen dem postmodernen Erlebnishunger ausliefert. Laut Bachofner kommen durch diese Art der Taufbestätigung manche „ins Fragen, was ihre Taufe ihnen bedeutet“.

Erwachsenen in der Vergewisserung ihres Glaubens helfen: Sabine Aschmann und Rachel Binggeli, Pfarrerinnen in Thayngen SH und Ittigen BE.

Jahresthema Taufe

Rachel Binggeli hat in Ittigen (BE) eine Osternachtfeier mit Taufen und Taufbestätigungen gestaltet. In Thayngen (SH) machte Sabine Aschmann (im Bild links, mit Rachel Binggeli) die Taufe zum Jahresthema und führte einen Taufkurs durch, zu dessen Abschluss die Teilnehmenden miteinander feierlich in den Rhein stiegen. Johannes Huber, Bachofners Nachfolger in Gossau, erzählte in einem Workshop, wie die Kirchgemeinde jungen Familien grössere Aufmerksamkeit schenkt. Sie gratuliert zur Geburt und baut aufgrund von Taufe oder Segnung Beziehungen mit den Eltern und ihren Sprösslingen auf.

Zur Eröffnung der Tagung in Liestal überbrachte der Baselbieter Kirchenratspräsident Martin Stingelin die Grüsse seiner Kirche. Cornelia Fluri, Pfarrerin in Büren SO, leitete mit Luthers Erläuterungen zur Taufe ein.

Taufpraxis für die Volkskirche

Den Hauptvortrag hielt Peter Wick, Professor für Neues Testament in Bochum. Er schlug den Bogen von der Urgemeinde zur aktuellen Verunsicherung. Heute werden viele Kinder in den Grosskirchen nicht mehr getauft, was deren Existenz in Frage stellt und die Uneinigkeit vertieft. „Die einen wollen mit der ‚richtigen‘ Taufpraxis die Volkskirchen stabilisieren, andere diese endlich überwinden.“

Wenn nicht offen gestritten wird, ist dies nach Wicks Vermutung damit erkauft, „dass jeder tut, was recht ist in seinen Augen“. Der gebürtige Basler fand an der Tagung bei seinen Landsleuten den Buchtitel „Jeder ein Sonderfall?“ bestätigt. Gegen den religiösen Individualismus hielt er fest, dass nach Epheser 4,4 die Taufe „zu den Voraussetzungen gehört, die die Einheit begründen – nicht zu den Dingen, die die Vielfalt ausmachen“.

Mehr als Segensbitte und Dank

Im Grunde stellt sich nach Wick die Frage: Handelt der Mensch mit und in der Taufe allein oder handelt ausser dem Menschen auch Gott? Die Kleinkindertaufe macht Sinn, wenn Gott etwas bewirkt, was dem Täufling nicht vorenthalten werden darf. Wird diese Taufe nur zum Dank und zur Segensbitte für das Kind gebraucht, verliert sich ihr Gehalt, denn „für Dank und Bitte braucht es kein Wasser“. Wird die Taufe jedoch ganz vom bewussten, geäusserten Glauben abhängig gemacht, besteht die Gefahr einer Reduktion auf menschliches Handeln.

Was das Neue Testament offen lässt

Wick räumte ein, dass die Mehrzahl der neutestamentlichen Stellen für die Glaubenstaufe spricht. Wer die Kleinkindertaufe vertrete, habe zu zeigen, dass Gott selbst am Täufling wirkt. Dies bewiesen zwar auch Stellen wie jene mit der Taufformel „auf den Name Jesu“ noch nicht. Doch das Neue Testament lasse den Zusammenhang zwischen Taufe, Umkehr und Sündenvergebung offen. „Dass der Mensch allein wirkt und Gott nicht – den Schluss können Sie nur gegen das Neue Testament machen.“

Vom Profiteur zum Mitbeteiligten

Jesus formulierte keine Tauflehre, doch liess er sich von Johannes taufen. Damit gibt sich Jesus selbst „als Vorbild für das Getauft-Werden“, sagte Wick. Taufe wird empfangen. „Die Taufe bewirkt nicht das Heil. Dieses wird durch den Weg Christi durch Kreuz und Auferstehung bewirkt und im Glauben empfangen. Die Taufe vermittelt jedoch die volle Partizipation und Verbindung des eigenen Lebens mit diesem Weg Christi“, führte Wick mit Bezug auf den Apostel Paulus (Römer 6) aus. Der Glaubende sei ‚Profiteur‘ der Gnade Christi; durch die Taufe werde er vom Profiteur zum Mitbeteiligten.

Das Schlusspodium brachte die Differenzen auf den Punkt. Ein Teilnehmer erwähnte, sein Pfarrer überlasse es den Eltern, das Taufversprechen zu formulieren. LKF-Präsident Alfred Aeppli sprach von „schillernder Pluralität“: Die reformierten Kirchgemeinden seien weit von einer gemeinsamen Taufpraxis entfernt. Peter Wick warnte vor einer Vielfalt ohne Grenzen. Sie stelle den Glauben im Kern in Frage. "„Wenn wir das Gemeinsame verlieren, steht die Heilsgewissheit zuerst auf dem Spiel.“"

P. Wick: Die Kindertaufe fordert uns heraus
Th. Bachofner: Taufbestätigung - dem eigenen Glauben Ausdruck verleihen
A. Kurz: Taufgespräch - Wünsche der Eltern und Auftrag der Kirche
HU. Walder: Kindertaufe, Taufbestätigung und Erwachsenentaufe
R. Binggeli: Taufe + Erlebnis = Osternacht
S. Aschmann: Der Taufe ein neues Gewicht in der Gemeinde geben
J. Huber: Taufe und Glaubensimpulse im Vorschulalter
Kirchgemeinde Gossau ZH: Vorbereitung der Taufbestätigung