Die Schweizer Reformierten im Jahr 2015

Leitungs- und Zukunftsfragen, das Singen in der Gemeinde, Fusionsimpulse, Entflechtung von Kirche und Staat, Flüchtlingsfragen, Medienarbeit., Pfarrerausbildung: Hier sind in einem knappen, ganz unvollständigen Rückblick Kurzberichte zum Geschehen im Kirchenbund SEK und einzelnen Landeskirchen zusammengestellt. Darunter Streiflichter auf weitere Ereignisse und Entwicklungen.

SEK
Die beiden Abgeordnetenversammlungen des Kirchenbundes standen im Zeichen der Suche nach wirkungsvoller gemeinsamer Kommunikation der Reformierten und des Zustroms von Flüchtlingen An beiden Versammlungen gab die harzige Vorbereitung des Reformationsjubiläums zu reden. Die Arbeiten an der Verfassungsrevision gehen voran; die kantonalen Kirchenpräsidien werden laufend einbezogen. Die Abgeordneten nahmen die Legislatur 2015-2018 "„Evangelisch Kirche sein"“ zur Kenntnis.

Das unbeschreibliche Leiden von Menschen im Nahen Osten rief grosse Betroffenheit hervor und führte zu vermehrter Hilfe. Kirchenleiter wiesen auf die massenhafte Vertreibung und Versklavung von Christen im Nahen Osten hin. Im November besuchten SEK-Ratspräsident Gottfried Locher und Markus Büchel, Präsident der Bischofskonferenz, den Libanon.

BS
Mit «Perspektiven 2025» suchen die Basler Reformierten eine mittelfristige Perspektive, um ihre städtische, weiter schrumpfende Kirche strahlkräftig zu erhalten. Das knapp hundertseitige Papier des Kirchenrats wurde von der Synode am 25. November engagiert diskutiert. Die Gemeinden werden aufgerufen, sich stärker mit Eigenmitteln zu finanzieren. Die Kirche will Spezialitäten und damit Vielfalt fördern -– als Ziel formuliert: «Wir lassen uns von Christus zu versöhnter Verschiedenheit führen.» Neben «SRF 2»-Milieus will die Kirche auch SRF 1- und SRF 3-Milieus ansprechen. Nach einer Grafik könnte die Mitgliederzahl der ERK-BS 2025 bei anhaltendem Schwund 20‘000 unterschreiten. Die Synode setzte eine Kommission für Kirchenentwicklung ein. Sie soll helfen zu entscheiden, in welche Gottesdienstorte und -gemeinden wie viel wozu investiert werden soll.

SG
In der Evangelisch-reformierten Kirche des Kantons St.Gallen stehen Leitungsmodelle zur Diskussion. Die Sommersynode in Widnau diskutierte Ausführungen des Kirchenrats zur «partnerschaftlichen Gemeindeleitung». Der Bericht stellt das Verhältnis von gewählten ehrenamtlichen Mitgliedern und Pfarrpersonen in Vorsteherschaften in Frage (übergrosse Gremien). Ist ein Geschäftsführermodell anzustreben? Weiter reflektiert der Bericht auch das Territorialprinzip und die Kompetenzverteilung zwischen Gemeinden und Kantonalkirche. Synodale wünschten Taten; der Kirchenrat versprach, ihre Anregungen zu berücksichtigen. Von der anstehenden Visitation und den daraus folgenden Zielen wird eine «Roadmap» erwartet.

Bei der Umsetzung des Lehrplans 21 haben die St. Galler Reformierten zusammen mit den Katholiken erreicht, dass sie mit dem Fach ERGKirche in der Pflichtstundentafel einen Platz behalten. Die Kirche hat zudem einen englischsprachigen Pfarrer gefunden; mit ihm soll eine Community für die englischsprechende Bevölkerung in St. Gallen entstehen.

TG
Die Thurgauer Kirche will sich ein Zusatzliederbuch geben, das etwa 120 Lieder umfassen soll: an den Singtagen der letzten Jahre erprobte Lieder, beliebte Lieder der letzten Jahrzehnte und für Familiengottesdienste geeignete Lieder. Die Synode bewilligte am 30. November den Projektkredit. Mit einer Spurgruppe wird versucht, alle Interessierten einzubinden. In der zweiten Phase wird ein Team von Fachleuten die Sammlung durchführen.

Am 5. Juli, 600 Jahre nach dem Märtyrertod von Jan Hus, wurde des tschechischen Reformators nicht nur Konstanz, sondern auch in Gottlieben gedacht. Die Thurgauer Landeskirchen führten eine ökumenische Feier durch.

Im Thurgau sind die Durchgangsheime für Asylsuchende und die Betreuung der anerkannten Flüchtlinge Sache einer Stiftung mit gemischter kirchlich-staatlicher Trägerschaft Diese Form hat durch den Flüchtlingsstrom unerwartet an Aktualität gewonnen

ZH
Mit dem Prozess «KirchGemeindePlus» will der Kirchenrat die Gemeinden motivieren, sich zu grösseren Einheiten zusammenzuschliessen. In einem Bericht legte er ein Zielbild von regionalen Rahmenorganisationen vor, in der Absicht, grünes Licht für die dritte Phase zu bekommen. Im November wies die Kirchensynode das Papier mit 8:1 zurück. In einem Ergänzungsbericht hat der Kirchenrat 16 Punkte zur künftigen Gestalt von Kirchgemeinden darzulegen; eine Motion verlangt entsprechende Vorschläge für die Kirchenordnung.
(EKVZ-Berichte und Kommentare zu KirchGemeindePlus und Thesen zur Gemeindeentwicklung)

BE
Die reformierten Kirchen Bern-Jura-Solothurn hat 2015 Fragen zum Kirche-Sein gesammelt, um herauszufinden, was die Vision einer zukunftsfähigen Kirche beinhalten muss. Dies ist die erste Phase des Prozesses «Vision Kirche 21» Mit der Auswertung von vielen tausend Fragen -– von Kirchgemeinden eingeholt, von Einzelnen an Veranstaltungen und online gesammelt -– wird ein Expertenteam 2016 eine Synthese versuchen. Der Visionsprozess soll in eine Vision «Kirche sein» münden. Mit einem Kirchenfest im September 2017 will man die Umsetzung einleiten. Die Synode beschloss im Dezember, dass für das Fest nicht das Stade de Suisse gemietet werden soll.

Der Berner Bär sieht keinen Anlass, ins kalte Wasser zu springen. Der Kanton will das enge Verhältnis zu den Landeskirchen in einigen Punkten entflechten, aber es nicht grundlegend umgestalten. Die Kantonsverfassung wird nicht revidiert. Die Landeskirchen konnten erreichen, dass die Regierung, wenn sie ein neues Kirchengesetz erarbeitet, nicht spart. Ihre Absicht, die Anstellungsverhältnisse der Pfarrerinnen und Pfarrer der Kirche zu übertragen, fand im Grossen Rat trotz lautem Einspruch des Pfarrvereins Zustimmung.
(Berichte auf der EGW-Webseite)

Im Dezember überraschten Kirchendirektor Christoph Neuhaus und der reformierte Synodalratspräsident Andreas Zeller die Öffentlichkeit mit der Mitteilung, man habe sich auf den Umfang der historischen Rechtstitel geeinigt: Die Finanzen für genau 197 der 360 aktuell vom Staat bezahlten Pfarrstellen könnten mit seiner Verpflichtung bei der Übernahme des Kirchenguts im frühen 19. Jahrhundert begründet werden. Für den Rest der Pfarrstellen wird eine Leistungsvereinbarung erstellt. Bis 2018 soll das neue Berner Kirchengesetz stehen.

Romandie
Die Reformierten versuchen mit der Zeit zu gehen, doch in einer säkularen Atmosphäre kann dies -– so viel guter Wille auch gezeigt wird –- misslingen. In der Romandie wurden die Landeskirchen im November von der SRG-RTS schockiert: Unter Spardruck will RTS die drei Radio- und TV-Sendungen zu Religion und Gesellschaft 2017 streichen. Michel Kocher, Leiter des reformierten Produktionspartners, bemerkte bitter, RTS habe es nicht für nötig befunden, die Kürzung im eigenen Communiqué zu erwähnen -– dies nach jahrzehntelanger Kooperation. Eine Protestpetition haben bis Ende Jahr 19'‘000 Personen unterzeichnet.

Im Dezember billigten die Leiter der Kirchen der Romandie das Vorhaben, die kantonalen kirchlichen Publikationen zu einem Blatt zusammenzulegen. In der Conférence des Eglises réformées romandes (CER) sagte Emmanuel Fuchs, Präsident der finanzschwachen Eglise protestante de Genève, diese habe die Mittel für ein «journal de culture protestante» nicht mehr. Das Blatt müsse den Auftrag der Kirche, das Evangelium zu verkündigen, mittragen. Dies stiess auf Widerspruch; endlich beschloss man, dass die Mitarbeitenden des neuen Blattes nicht seine «bekennende», aber doch seine «kirchliche» Dimension zu akzeptieren haben. Zudem soll es künftig Bibelbetrachtungen geben. Die Fusion der Kirchenblätter muss noch von den kantonalen Gremien genehmigt werden.

«Passons en mode évangélisation»: Unter diesem Titel steht eine Handreichung, welche die Synode der Neuenburger Kirche am 3. Dezember wohlwollend aufnahm. «Wir müssen eine Kirche der Zeugen werden», ist im Papier der synodalen Arbeitsgruppe zu lesen. Das Vademecum spricht in den Alltag hinein und lädt ein zu einer dreifachen Öffnung: hin zur Welt, der sich die Reformierten in ihrer Identität vorstellen sollen; für den Geist, der Überraschendes ermöglicht; hin zum anderen, wobei individuelle Charismen fruchten sollen. Im Papier finden sich theologische und ethische Grundlagen für die reformierte Evangelisation.
Alle Webseiten der reformierten Kirchen der Schweiz

Streiflichter

Das Kirchenklangfest Cantars, zum ersten Mal ökumenisch durchgeführt, machte mit 440 Veranstaltungen in 13 Kantonen die Vielfalt christlicher Musik sinnenfällig (Bericht vom Abschluss in St. Gallen).

Zum 100. Jahrestag des Genozids an den Armeniern fanden im April in Bern und Zürich Gedenkfeiern statt.

Der Kirchenbund lehnte die Präimplantationsdiagnostik PID ab. In der Volksabstimmung wurde die Verfassungsbestimmung zu ihrer Ermöglichung gleichwohl angenommen.

Die Landeskirchen können im Blick auf ihren öffentlichen Ruf und die Mitgliederbindung «künftig von keinen Selbstverständlichkeiten oder unverrückbaren Besitzständen ausgehen». Dies hielt Urs Winter-Pfändler vom Pastoralsoziologischen Institut St. Gallen in einer Studie fest, die im Mai vorgestellt wurde.

Das TDS Aarau hat im September die neue Ausbildung Sozialdiakonie mit Gemeindeanimation HF vorgestellt. Der erste vierjährige Kurs wird im Sommer 2016 beginnen.

Im Spätsommer starteten zwei Quereinsteiger-Studiengänge zum Pfarramt: Die Berner Kirche gewann für ihr dreijähriges Intensivstudium an der Fakultät knapp 20 Personen. An den Fakultäten Zürich und Basel begann «Quest», von den Kirchen des Konkordats lanciert, mit über 30 Personen mit Master-Abschluss.

Im November beschloss das Konkordat der reformierten Kirchen der Deutschschweiz, die Pfarrerausbildung neuzugestalten. Für die Aufnahme von Absolventen der STH in den Kirchendienst wurde eine Regelung getroffen. Mehr

Mission 21 feierte im September ihr 200-jähriges Bestehen. 1815 als Basler Mission gegründet, versteht sich das Werk heute als Katalysator einer weltumspannenden Lerngemeinschaft von Kirchen.

Das Landeskirchen-Forum diskutierte an einer Tagung Ende August in Zürich Zukunftsfragen. Die Erneuerung der Kirche beginnt laut dem deutschen Gemeindeforscher Michael Herbst mit Menschen, die ihm nachfolgen und so Gemeinschaft werden. «Erst Jesus, dann unsere Sendung, dann die neuen Ausdrucksformen von Kirche.»

Bei Brot für alle übernahm Bernard DuPasquier die Leitung von Beat Dietschy, bei HEKS trat Andreas Kressler an die Stelle von Direktor Ueli Locher. Der Aargauer Kirchenratspräsident Christoph Weber-Berg löste David A. Weiss als Präsident der Reformierten Medien ab, der Bündner Fadri Ratti die Bernerin Annemarie Schürch im Vorsitz der Trägerschaft von «reformiert.».

Die Reformierten Medien, «reformiert.»und der interkantonale Kirchenbote kooperieren online. Die Reformierten Medien stellten Ende Jahr die «Reformierte Presse» ein; an ihrer Stelle erscheint neu das Magazin «bref» im Zweiwochen-Rhythmus.