Den Sieg Christi über das Böse glauben und leben

Wie nehmen Christen die Herausforderungen zum geistlichen Kampf an, ohne dem Bösen zu viel Gewicht zu geben? An einem Studientag der Fritz Blanke Gesellschaft am 14. Dezember in Rüschlikon unterlief und korrigierte ihr Studienleiter Wolfgang Bittner manche verbreiteten Vorstellungen über den Feind Gottes. Er machte Mut, die Bibel vom Sieg von Jesus her zu lesen und so zu beten und zu handeln.

Für das Thema des Studientags gilt in besonderem Mass, dass vieles in die Bibel eingetragen wird, was nicht da steht. Wolfgang Bittner mahnte, bruchstückhafte Aussagen vom Bösen, von Dämonen und vom Teufel zu unterscheiden von den Lehren, welche aus diesen Aussagen abgeleitet und seit langem kolportiert werden. Es gilt auszuhalten, was die Bibel nicht sagt: "„Der Satan als ein Engelfürst, der sich gegen Gott auflehnte, gestürzt wurde und eine Gegenmacht aufbaute -– in der Bibel finden Sie davon nichts".“ So sei in 2. Petrus 2 und dem Judasbrief von Engeln die Rede, nicht vom Teufel, in 1. Mose 6 in unlösbar rätselhafter Weise von Gottessöhnen.

Das Geheimnis des Bösen
Die Sprache beschreibt das Böse nicht hinreichend, kann es nicht. Bittner sagte, die Bibel drücke in Bildern („"alter Drache“") aus, was man nur analog sagen könne. „"Das Geheimnis des Bösen übersteigt in seiner Wirklichkeit das, was wir erkennen können".“ In der Schrift liegt der Fokus auf Gott; Gegenkräfte spielen Nebenrollen. Bittner ging auf oft herangezogene Aussagen des Alten und Neuen Testaments ein. Im Eingang zum Hiobbuch sagt Gott dem Satan, was er tun darf; dieser kann nicht von sich aus loslegen. "„Als Ankläger bekommt er Freiraum, den er von Gott erbitten muss, der ihm von Gott in Grenzen auch gewährt wird".“ Satan unterstellt Hiob, er suche und verehre Gott zu seinem eigenen Nutzen. "„Woher weiss ich, dass ich ihn suche -– und nicht nur mich?“ In Jesaja 14, dem Spottlied über den König von Babel, ist vom Satan nicht die Rede. "„Das Bild (des Sturzes; Red.) hat man übernommen und in die Lehre des Bösen eingebaut".“

Sündenfall: Was die Bibel nicht sagt
Länger verweilte Wolfgang Bittner bei der Geschichte vom Sündenfall, die er als analoge Geschichte liest. Und stellte heraus, was nicht drin steht. "„Vom Satan ist nicht die Rede –- aber was geschieht, ist zutiefst böse".“ Die Schlange ist ein Geschöpf Gottes, ihre Eigenschaften an sich nicht böse (vgl. Matthäus 10,...…). Woher kommt also das Böse? "„Es ist in der Schöpfung einfach da. Die Frage nach dem Woher wird nicht beantwortet"“, meinte Bittner. Weder sei von der Herkunft des Bösen aus der Transzendenz noch von einem Engelwesen die Rede. Die höchst kunstvoll erzählte Geschichte mache auch klar, dass das Böse nicht aus dem Inneren des Menschen, sondern von aussen an ihn heran kommt. Unsere Frage nach dem Woher bleibt unbeantwortet. Das Böse ist ein Geheimnis, das uns nicht aufgedeckt wird.

Das Wesen der Versuchung
Die Schlange knüpft an etwas an, was Gott tatsächlich gesagt hat. Gottes Reden zu Adam hat mit einer Generalerlaubnis begonnen (2,16). „"Gott ist der grosse Erlauber. Der Versucher sagt: Gott ist wahrscheinlich der grosse Verbieter. Das ist das Wesen der Versuchung".“ Das einzelne Verbot hebe die Generalerlaubnis (von den Bäumen essen) nicht auf. Doch die Schlange setzt den Zweifel in die Welt: "Ist Gott einer, der verbietet oder erlaubt, der einengt oder weite Räume eröffnet, in denen ich leben kann"?“ Für Bittner ist klar, dass die Geschichte sehr viel vom Bösen weiss, „"doch verzichtet sie ausdrücklich darauf zu sagen, woher es kommt...… Über die Schöpfung ist gesagt: ganz gut. Und plötzlich ist das Böse da -– nicht erklärt".“

Adam und Eva und wir
Die Geschichte von Adam und Eva bezeichnete Bittner als „"die Geschichte von uns Menschen"“. Sie rede nicht nur von innerpsychischen Vorgängen. „"Was mit Adam und Eva passiert ist, geht dir voraus. Aber in der Art und Weise, wie du es erfährst, begegnet dir dasselbe Grundmuster".“ Weder geschieht der Sündenfall bei jedem Menschen (nur innerlich), noch sind wir bloss Opfer dessen, was einst Adam und Eva geschah. "„Wenn ich auf die Welt komme, finde ich das Böse als Geheimnis immer schon vor. Adam und Eva kamen in eine Welt ohne Schuld hinein -– das ist der Unterschied. Sie haben diese Tür aufgemacht; seither ist das Böse da".“

Nahe bei der Wahrheit: die Lüge
Was sind die Möglichkeiten des Bösen? Johannes 8,44 charakterisiert sie im Grund als Lüge. Zur Erläuterung verwies Wolfgang Bittner auf die falschen Propheten im Alten Testament: Sie äusserten, was Gott einst –- in anderen Situationen –- verheissen hatte (z.B. Verschonung Jerusalems vor Eroberung), was er aber nun nicht mehr einlöste. "„Lüge ist eine Beschreibung, die sehr viel für sich hat, die eine wunderbare Andacht sein kann. Satan spricht in einer Form, die der Wahrheit Gottes unglaublich nahe ist".“ In diesem Zusammenhang wandte sich Bittner dagegen, einen Zuspruch, der in einem bestimmten Kontext an eine Person erging, als zeitlose Verheissung für alle zu verallgemeinern.

Satan als Ankläger erledigt
Woran ist das Böse zu erkennen? „"Man kann davon ausgehen, dass das Böse, wenn es sich äussert, Lüge äussert“", formulierte Bittner. „"Und es arbeitet mit Angst, etwas zu verpassen, etwas falsch zu machen".“ Geister sind zu unterscheiden, nach der Grundregel von Römer 8,14: Durch den Geist Gottes zieht Freiheit ins Herz ein. Lüge ist auch, was der Teufel als Ankläger (Bedeutung des hebräischen Wortes Satan) tut: Seit der Heilstat Jesu, dem Entlastungszeugen, kann er nicht mehr als Ankläger im Himmel auftreten. Auch wenn er dies noch vorgaukelt.

Der Nachäffer
Offensichtlich werden wird die Niederlage Satans am Ende der Welt, welches die Bibel bildhaft in der Denkform der Apokalyptik vorstellt. Laut Bittner "„beschreibt das Bild keine Realität, aber hilft mir, die Realität hintergründig zu entschlüsseln“". Die Mehrheit der eschatologischen Gleichnisse Jesu sprechen von Wachstum und Reifung auf das Ende hin (Sauerteig, Unkraut im Weizen). In dieser Zeit, so Bittner, nimmt das Böse je nach Kultur verschiedene Gestalten an. Denn der Teufel ist nicht kreativ, sondern kann nur Dinge benützen und pervertieren, die Gott geschaffen hat. So sind Dämonen kulturell bedingt. Auch in einer Kultur, in der Dämonen nicht zum Weltbild gehören, kommt das Böse selbstverständlich vor -– aber nicht in dieser Gestalt. "„Ich habe zu unterscheiden zwischen dem Bösen und der Gestalt, in der es uns entgegentritt".“

Denkmodell für das Dämonische
Im Kontrast zu manchen Dämonologien formulierte Bittner: "„Wer meint, Dämonen seien Engelwesen mit individueller Existenz, geht weit über das Reden der Bibel hinaus".“ Die fixen Seinskategorien des griechischen Denkens hinderten ein angemessenes Verständnis. Der Referent stellte am Studientag in Rüschlikon ein am hebräischen Denken orientiertes Modell zur Diskussion. Danach gibt es eine Steigerung des Dämonischen: Eine deutlich fühlbare Atmosphäre des Negativen kann sich verdichten zum Eindruck, dass etwas Geistiges einen Raum erfüllt. Bei weiterer Verdichtung wird eine Kraft wahrgenommen, „"die auch über mich Macht gewinnen könnte“". Verstärkt könne diese Mächtigkeit etwas Personales haben, so dass sie anzureden ist. Weiter verdichtet, zeigt sich eine Hierarchie von Dämonen.

Durch Angst wirksam
Das im hebräischen Denken verankerte Modell "„geht davon aus, dass am Anfang nichts Bestimmtes da ist"“, dass eine Atmosphäre sich auch auflösen kann. „"Wenn man jedoch darauf eingeht und Angst entwickelt, verdichtet sie sich. Das Böse lebt vor allem von der Angst von Menschen, die glauben, es sei noch nicht besiegt".“ Jesus widersteht dem Bösen, indem er ihm nicht Recht gibt. So gelte es, dem Bösen auf der Grundlage von Jesu Sieg entgegenzutreten und zu sagen: „"Ich weiss, wie es um dich steht. Alles Andere ist Lüge".“ Matthäus 12,44 deutet für Bittner an, dass ein Dämon eine Behausung braucht: die Angst von Menschen, die ihm erst zur Wirksamkeit verhilft.

Der Sieg Gottes
Vollends sichtbar wird die Fratze des Bösen, welches Gott den Dreieinen als Dreiheit nachahmt, wenn Gott im Messias auf die Welt kommt. Der Seher Johannes sieht dies im Bild (Offenbarung 12): Mit aufgesperrtem Maul wartet der Drache, damit er das Neugeborene verschlinge. Doch das gelingt ihm nicht; er wird aus der himmlischen Welt in die irdische hinuntergeworfen. Der Himmel jubelt: Jetzt setzt Gott seine Herrschaft durch. Die folgende Auseinandersetzung spielt sich auf der Erde ab, wo das Böse seine Verführungsmacht ausspielt und das Geheimnis der Passion und Auferstehung Christi nachzuahmen sucht -– allerdings ohne das Sterben! "„In den Tod hinein und aus dem Tod heraus führen kann Gott allein! Am Tod vorbei kann es nur zu einem Pseudoleben führen".“

Das Tier, der Antichrist erhält Erlaubnis, gegen Gottes Menschen Krieg zu führen -– der Satz im „"Unser Vater"“ meint, dass wir Gott bitten dürfen, dass dies nicht zu unseren Lebtagen geschieht. Wenn diese Zeit der Verführung aber da ist, entgleitet die Welt doch Gottes Händen nicht. Vielmehr, so Bittner, „"zwingt Gott das Böse, seine unverhüllte Gestalt zu zeigen –- in der Konfrontation mit der Gemeinde"“. Der Referent wandte sich scharf gegen die Auffassung, Gott habe es darauf abgesehen, seine Gemeinde so zu prüfen. "„Gott ist kein Sadist"!“ Die sieben Sendschreiben zeigen: „"Jede Gemeinde muss siegen, aber jede ist in einer anderen Situation".“

"„Der Böse ist seit Jesus überwunden"“
Wie steht es nun wahrhaftig um den Bösen? Bittner: „"Es gibt den Bösen seit Jesus von Nazareth nur noch als den bereits überwundenen Bösen".“ Das heisst auch: Christliche Gemeinden sollen nicht gegen den Bösen kämpfen wollen, als sei er noch nicht überwunden. „"Wenn er uns glauben macht, dass er noch nicht besiegt ist, hat er uns erfolgreich belogen".“ Christus führte die bösen Mächte in seinem Triumphzug mit. Ihm ist alle Vollmacht auch auf der Erde gegeben (Kolosser 2,15; Matthäus 28,18, Johannes 12,31). Um der Lüge zu entgehen, haben sich seine Nachfolger an die Bibel zu halten und an den vollendeten Sieg des Messias zu glauben, diesem Perfektum in ihrem Leben durchwegs Raum zu geben, einander zu ermutigen und zur Ordnung zu rufen.

Keine Technik des Kampfs
Was bleibt und trägt uns bis ans Ende? „"Unser Glaube ist der Sieg, der die Welt überwunden hat“" (1. Johannes 5,4). An keiner Stelle, so Bittner, spricht das Neue Testament von einer besonderen Kampftechnik gegen das Böse bzw. gegen den Bösen. Das wäre ja nur nötig, wenn der Böse noch nicht besiegt wäre, ja wenn der Sieg über den Bösen zu den Aufgaben der Christen bzw. der Kirche gehören würde. "„Die Waffenrüstung (Epheser 6) beschreibt in Bildform den ganz normalen, schlichten Glauben des Christen, der Christin –- nicht etwas, das zum Glauben noch dazukommt"!“

Vom Sieg her beten
Wolfgang Bittner verwies auf die Erfahrung von Johann Christoph Blumhardt, der nie erschöpft war, der keine psychischen Kräfte ins Gebet um die Befreiung von Gottliebin Dittus hineinlegte. "„Blumhardt betete vom Sieg Jesu her, nicht auf ihn hin. Im Namen Jesu ist das Perfektum schon unter uns. Von diesem Perfektum her ist zu beten, auch wenn es in diesem Moment nicht eingelöst wird. Der Böse ist überwunden".“ Seinen Lügen, die Angst verursachen, ist im Glauben zu widerstehen: „"Jesus ist der Siegesheld"“, den Bösen hat er überwunden.

Die Fritz Blanke Gesellschaft
Der Studientag über das Böse im Nidelbad in Rüschlikon war eine Tagung, wie sie seit 2011 von der Fritz Blanke Gesellschaft (FBG) zweimal jährlich durchgeführt werden. Pfr. Dr. theol. Wolfgang Bittner ist mit einem Teilzeitpensum Studienleiter der FBG. (Zahlreiche Vorträge finden sich auf seiner Homepage wolfgang-bittner.net als Audio-Downloads.)

Die 1997 gegründete FBG sucht in der Spur des Zürcher Kirchengeschichtsprofessors und Kantonsrats Fritz Blanke (1900-1967) theologische und spirituelle Kenntnisse im aktuellen gesellschaftlichen Kontext zu vermitteln. Sie führt in der Augustinerkirche in Zürich monatlich Abendfeiern durch und bietet zudem Oasentage, Kurse und Exerzitien an, um theologisches Fachwissen zu vermitteln. Künftig sind auch interdisziplinäre Studientage geplant, wo Christen und Nicht-Christen miteinander ins Gespräch kommen. Die FBG richtet sich an Menschen, die die Bibel neu entdecken oder grundlegende Zusammenhänge mit biblischen Aussagen bedenken und erörtern möchten. Für Evelyne Müller vom FBG-Vorstand ist Fritz Blanke Vorbild, „"weil er einerseits weit dachte und andererseits tief in der Bibel verwurzelt war: weit denken, tief glauben“".