Demut als die Tugend des Chefs
Verantwortungsträger haben über den Tag hinaus zu blicken. Das erste Forum christlicher Führungskräfte am 23./24. März in Bern bot geerdete Impulse zum werteorientierten Handeln. "Chefsein und Christsein - das beisst sich zuweilen", sagte SEK-Ratspräsident Gottfried Locher. Die Chefs wurden aufgerufen, aus dem Glauben Verantwortung zu übernehmen, der Masslosigkeit zu wehren und sich fürs Gemeinwohl einzusetzen.
Was haben Christen in Verantwortung miteinander zur Zukunft des Landes beizutragen? Das Forum christlicher Führungskräfte im Berner Kongresszentrum Bernexpo liess es facettenreich ahnen, ohne Mängel und Schwierigkeiten des christlichen Engagements zu beschönigen. Die Veranstaltung brachte über 500 Unternehmer und Führungskräfte, Wissenschaftler, Politiker und Kirchenvertreter für zwei Tage zusammen, vor allem Deutschschweizer.
"Widerspruch und eigenes Versagen aushalten"
Gottfried Locher vom Schweizerischen Evangelischen Kirchenbund SEK referierte pointiert über die Spannung zwischen Sachzwängen und Idealen, in der Chefs handeln müssen. Er zitierte Paulus: "Nicht das Gute, das ich will, tue ich, sondern das Böse". Den Chef gebe es immer nur als Einzelperson, als Mensch, der seine Verantwortung nicht delegieren könne, sagte Locher. "Spannung, Widerspruch und eigenes Versagen gilt es auszuhalten. Ein guter Chef weiss: Ich bin manchmal ein schlechter Chef". Christen könnten jedoch schlechte Gewohnheiten überwinden und aufbrechen in eine bessere Zukunft.
Ehrlich in den Spiegel blicken - und Zeit fürs Gebet
Zu diesem Aufbruch motivieren Gottfried Locher "altmodische Tugenden" mehr als vage christliche Werte, "die so sehr stimmen, dass sie niemand richtig herausfordern". Als zentrale Tugend des Chefs stellte er die Demut heraus, "das Bewusstsein, dass allein Gott allmächtig ist". Der Hochmut mache das eigene Handeln zum Mass aller Dinge, der demütige Chef dagegen kenne seine Grenzen. "Er kann Fehler zugeben und bei andern zulassen. Demut schützt uns vor Arroganz, macht behutsam im Urteil und aufmerksam auf die Bedürfnisse von Mitarbeitenden". Zum Einüben von Demut schlug der SEK-Ratspräsident dreierlei vor: den ehrlichen Blick in den Spiegel zu tun und Misserfolge als Geschenke anzunehmen, das Ebenbild Gottes auch in anderen zu suchen und Zeit für das Gebet zu nehmen. "Demut ist Mut", schloss Locher, "der Mut, Gott ganz zu vertrauen, der Mut, der bei Gott Kraft sucht".
Verantwortung übernehmen!
Jean-Daniel Gerber, der nach dem Seco das Bundesamt für Migration geleitet hatte, dankte Locher dafür, dass der Kirchenbund den Mut hatte, das Monitoring von höchst umstrittenen Ausschaffungen befristet zu übernehmen. Es sei einfacher, Verantwortung abzulehnen und sich auf Kritik zu beschränken. Gerber sagte, er habe beschlossen, sich für den CS-Verwaltungsrat zur Verfügung zu stellen. Es gelte Verantwortung zu übernehmen. "Ob's gut herauskommt, ist letztlich in den Händen Gottes".
Nein zum Schwarzgeld
Der Thurgauer Werner Messmer, Präsident des Baumeisterverbands und alt Nationalrat, forderte die Anwesenden ebenfalls auf, sich im öffentlichen Leben, in Wirtschaft und Politik zu engagieren. Der Glaube bewahre Christen vor überspanntem Erfolgsstreben, Gier und Masslosigkeit. Der Sinn für das Mass wurde laut Werner Messmer "in den letzten Jahren mit Füssen getreten". Er gab sich überzeugt, dass der Respekt für christliche Werte dort schwindet, wo sich Christen zurückziehen. Er versuche auch als Baumeisterpräsident, nicht gegen Menschen, sondern für die gute Sache zu kämpfen.
Segen auf dem Boden der Gottesfurcht
Die Unternehmerin und Baselbieter Bankratspräsidentin Elisabeth Schirmer äusserte die Überzeugung, dass die Gottesfurcht der Eid-Genossen der Schweiz Segen gebracht habe. Sie zitierte den Rütlischwur von Schillers Tell und erinnerte an die Industrien, welche Hugenotten der Schweiz hinterliessen. Mit dem Bild einer vom Wind eingerissenen Schweizerfahne forderte sie die Führungskräfte auf, glaubwürdig zu handeln und auf Nachhaltigkeit hinzuarbeiten. Als Facetten der Glaubwürdigkeit nannte Schirmer das Arbeiten an sich selbst, den Einsatz für andere, Vorbild sein und Bescheidenheit. "Der nicht dienende Dienstleister bleibt langfristig ohne Dienst".
Halljahr im 21. Jahrhundert?
Ein Podium diskutierte Aspekte der Verschuldungskrise. Einig waren sich die Teilnehmenden in der Kritik an der Gier, die in den 1990er Jahren mit dem Streben nach dem "Shareholder Value" aufkam. Laut Hans-Ulrich Bigler, Direktor des Gewerbeverbands, hat es die soziale Marktwirtschaft untergraben. Der Basler Zukunftsforscher Andreas Walker machte deutlich, dass Schulden Freiheit rauben, und forderte eine "Enkelverträglichkeitsprüfung" für aktuelle Vorhaben. "Wir müssen heute Wege schaffen, auf denen es attraktiv ist, Kinder zu haben und Eltern zu sein. Zukunft ist eine Frage der Generationenfolge". Der Solothurner SP-Nationalrat Philipp Hadorn regte eine Umsetzung des biblischen Halljahr-Konzepts zum Schuldenerlass im 21. Jahrhundert an. "Schulden schreien nach Befreiung". Christus habe Besitz als Hindernis für die Nachfolge gesehen.
Wettbewerb und Freiheit
Der deutsche Volkswirt Werner Lachmann forderte in einem Vortrag zum Erhalt der Freiheit auf, die Europa Wohlstand gebracht habe. Die soziale Marktwirtschaft werde in Deutschland nicht mehr verstanden. "Dies könnte auch für die Schweiz eine Herausforderung werden - denn Sie leben auf einer Insel", so der emeritierte Professor der Universität Erlangen vor den Schweizer Unternehmern. Freiheitsverluste drohten durch ausufernde Bürokratie, wenn die Politik den Sinn und Nutzen des Wettbewerbs nicht mehr verstehe und alles regulieren wolle. Zudem drohten Lobbyisten, die das Wohl ihres Verbands, aber nicht des Gemeinwesens im Blick hätten, Politiker zu korrumpieren. Den Schweizern riet er, die in Deutschland gemachten Fehler zu vermeiden: "Die föderale Struktur schützt die Freiheit des Bürgers; aber der Bürger muss informiert sein, um politisch verantwortlich zu handeln".
Zu viel Solidarität im Gefälligkeitsstaat
Auch die Überbetonung der Solidarität gefährdet laut Lachmann die Freiheit. Er zitierte Friedrich Nietzsche: "Die europäische Demokratie ist zum kleinen Teil eine Entfesselung von Kräften. Vor allem ist sie eine Entfesselung von Faulheiten, von Müdigkeiten, von Schwächen". Unter dem Mäntelchen der Solidarität werde mehr gefordert als gegeben, statt dem 'Danke' heisse es: 'Mehr nicht'? Lachmann sieht Politik, Ökonomie und Ethik zusammen: "Investitionsschwächen, Leistungsunlust und Werteverlust fallen nicht vom Himmel, sie sind Folgen des umverteilenden Gefälligkeitsstaates".
Moral begründet Zukunft
Moral ist auch für die Wirtschaft entscheidend, gemäss dem Management-Slogan: Der Wert eines Chefs sei direkt proportional zu seinen Werten. Die chinesische Mauer sei als Bollwerk nicht zu überwinden gewesen, sagte Lachmann, doch die Wächter liessen sich bestechen. "Jede Nation ist nur so stark wie der Charakter ihrer Bürger
... Die Überlebensfähigkeit von Gesellschaft, Staat und Wirtschaft hängt vom Grad der vorhandenen Moral ab".