Bücher zu Glauben und Spiritualität

«Herr, lehre uns beten.» Im Getriebe und Getöse des Alltags brauchen wir das Gebet, damit der Glaube gefestigt, erfrischt und erfreut wird. Christliche Spiritualität lebt aus dem Gespräch mit Gott, gründet auf der Bibel, bedarf der Gemeinschaft, reift in Anfechtungen und hat einen kosmischen Horizont. Aus den zahllosen Büchern, die zu diesen Aspekten erscheinen, sind hier einige angezeigt, gewichtige und schmale, namentlich aus der Schweiz. In den nächsten Wochen kommen weitere hinzu.

GLAUBEN UND BETEN
 

Eine Schule des Gebets
«Herr, lehre uns beten.» Als die Jünger ihn baten, gab Jesus ihnen das Unser-Vater. Christine Reibenschuh hat eine kleine Schule des Gebets für Einzelne und Gruppen verfasst. «Gott, warte auf mich» richtet sich an jene, «die den Wunsch verspüren, sich tiefer im Beten zu verwurzeln, weitere Horizonte des Gebets zu erkunden und vertrauter mit dem Gespräch mit Gott zu werden».

Beten will geübt sein. Im Geleitwort hofft Ralph Kunz, das Buch schlage eine Brücke zwischen «Frommen» und «Gescheiten», zwischen denen, «die noch zu Gott beten, aber nicht mehr viel verstehen», und jenen, «die meinen, sie verstehen etwas von Gott, aber nicht mehr zu ihm beten». Die Autorin, die beim Professor zum Thema doktoriert hat, teilt sich mit ihrem Mann ein Gemeindepfarramt im Zürcher Oberland. Sie hat beobachtet, dass mehr Menschen – auch Theologen – sich beim Beten unsicher fühlen. Doch nicht nur für die persönliche Spiritualität, sondern auch für die Erneuerung von Kirchgemeinden ist das Gebet «wichtig und grundlegend». Beten ist hilft uns auch, im Bewusstsein zu halten, «was nicht verfügbar ist», und es erweitert die Erkenntnis Gottes.

In sieben Kapiteln mit Überlegungen, Anstössen und Übungen schreitet die Autorin einen Gebetsweg ab: vom Aushalten der Leere, von Erfahrungen in der Stille, von der Begegnung mit anderen, vom Aufnehmen der Tradition, vom Hinaustreten aus dem stillen Kämmerlein in die Welt – «um das Leben und die Freude weiterzugeben, die Gott durch seinen Geist schenkt». Texte und Erfahrungsberichte runden die Kapitel ab. Gelehrt, zugleich praxisbezogen und alltagsnah, kann das Buch als Kursbuch dienen.

 

«Lass einfach los!»
«Die Quelle des christlichen Lebens ist die Faszination für Jesus», schreibt Johannes Hartl in seinem Buch «In meinem Herzen Feuer». Erlebnisse aus mehreren Jahrzehnten, im Präsens erzählt, fügen sich zu einer Reise ins Gebet. Hartl berichtet vom Werden des Augsburger Gebetshauses, reflektiert, pointiert, konterkariert. «Beten ist so anstössig, weil es einer Kapitulation gleichkommt.» Hartl schreibt gegen die Lüge, dass wir die Herren unseres Geschicks sind. «Wer betet, erkennt an, dass er keine Lösungen für die Probleme der Menschen anzubieten hat.» Gebet hilft Augen öffnen für die Realität von Gottes Wirken.

Im Mosaik aus Erfahrungen und Einsichten tritt die Mystikerin auf: Schwester Josefa hat am Vierwaldstättersee ein Kloster geleitet. 1972 sei sie an einem Sonntag «ganz mit hineingenommen worden in die Dreifaltigkeit. Eingesenkt in und vereinigt mit dem Liebesgeschehen zwischen Vater, Sohn und Heiligem Geist». Schwester Josefa lernte dadurch, worum es im Gebet immer geht: loslassen.

Hartl schreibt: «Das Leiden wird nie ganz aus unserem Leben verschwinden. Doch das liebende Loslassen im Gebet kann dieses Leiden fruchtbar machen.» Die Kapitel enden an «Feuerstellen» mit konkreten Fragen, die im Gebet bewegt werden können.

 

GLAUBE UND BIBEL
 

Lamm und Löwe
Als Frucht seines langen geistlichen Wegs legt der pensionierte Pfarrer, promovierte Theologe und Exerzitienleiter Christoph Stücklin «Vielleicht genügt ein Amen» vor: ein dichtes, 240seitiges Buch zu den unaufhebbaren Widersprüchen im Glaubensleben, die sich aus der «komplementären Wahrheitsgestalt der Bibel» ergeben. «Die Spannungsbögen bleiben bestehen, die Polaritäten lassen sich nicht ausgleichen», resümiert er. «Da bleibt manches sperrig», eine Zumutung für harmoniebedürftige Gemüter.

Wenn Dinge nicht aufgehen oder rätselhaft bleiben und bei manchen Christen Glaubensgewissheiten erschüttern, ist das ernsthafte Studium der ganzen Bibel erst recht geboten. Der Autor beleuchtet die Polaritäten von Jesus Christus her unter den Titeln: Lamm und Löwe, Menschensohn und Gottessohn, Fremde und Heimat, Nadelöhr und weites Land, Richten und retten, Furcht des Herrn und Fürchte dich nicht!, Dürfen und müssen.

Den schwierigen Wörtern weicht Christoph Stücklin nicht aus: «Was wäre eigentlich das Gegenteil eines zornigen Gottes?» fragt er. «Ist es wirklich der gütige, barmherzige Gott? Ist es nicht viel eher ein gleichgültiger Gott, ein lieber, nachgiebiger, kraftloser Kumpel, ein Kuschelgott …?» Im Buch kommen die grossen Spannungen zur Sprache: Prädestination und Eigenverantwortung, Erwählung, Gericht und Gnade. Der Autor verweist auf gegen 600 Bibelstellen und unterstreicht damit: «Der seltsamen Logik der Bibel trauen» lohnt sich.$

 

Gott – ganz anders
Die Liebe Gottes ist der rote Faden der Bibel. Er zeigt sich auch in einem Durchgang durchs Alte Testament. Diesen unternimmt der Pfarrer und promovierte Theologe Hansjörg Kägi. Entstanden ist ein gut lesbares Paperback von 320 Seiten, Teil einer bibelkundlichen Trilogie.

Kägi will Menschen mit Verlangen nach Authentizität und echter spiritueller Erkenntnis abholen. Die Titel der vier Teile: «Gott erschafft die Welt, den Menschen und ein Volk», «Gott offenbart sich in der Geschichte Israels», «Poesie über Leiden – Gebet – Leben – Liebe», «Gottes Regen zu Israel und den Nationen». Im Durchgang widmet der Autor auch jedem der kleinen Propheten mehrere instruktive Seiten. Er lässt einen messianisch angehauchten offenen Schluss folgen; angehängt sind Exkurse zur Auslegung der Bibel, auch sie leicht verständlich geschrieben.

In den sechs Seiten über die Sprüche finden sich eine Sammlung von charakteristischen Zitaten und die Sätze: «Die Sprüche wenden sich gegen jede theoretische Gottlosigkeit, und noch mehr gegen jeden Lebensstil des praktischen Atheismus. Wer an Gott glaubt, rechnet mit seinem Reden und Wirken im ganz normalen Leben, sonst glaubt er nicht wirklich.»

 

Dem Wort hinterher laufen
Lesen ist hören, horchen und sich bewegen lassen von dem, was man hört. Die Winterthurer Pfarrerin und Therapeutin Ruth Näf Bernhard hat dem Lukasevangelium gelauscht. «Meine Seele läuft barfuss dem Wort hinterher» ist eine Sammlung kurzer Gedichte und Gebete, die beim «Spaziergang» durchs Evangelium entstanden sind. Sie verdichten, was die Theologin bei einzelnen Versen empfindet. Zur Salbung Jesu (Lukas 7,38) findet sie die Worte:

tränen
füsse
salben
küsse
ohne worte
ohne scham
geben und
sich geben lassen
so geht
glaube
liebe
hoffnung

 

GLAUBE IN GEMEINSCHAFT
 

Urbane Freiheit und uralte Riten
Der Band «Kloster werden» schildert die ersten Jahre des Stadtklosters Zürich. Nicht nur den äusseren, steinigen Weg, sondern auch den Willen, im urbanen Kontext geistliches Leben zu vertiefen. Der von Hans Strub zusammengestellte Band versammelt zahlreiche Statements von Beteiligten. Das benediktinisch-reformiert konzipierte Stadtkloster stelle eine Spielwiese zur Verfügung, auf der spirituelle Praktiken ausprobiert werden können, schreibt ein Vorstandsmitglied.

Der Entschluss für die neue Form von Kirche fiel 2011. Dem Konzept von 2013 folgte 2015 ein partizipativ erarbeitetes Bekenntnis mit den Worten: «… Wir glauben an Jesus Christus. Gestorben und auferstanden ist er mitten unter uns. Wir glauben an Gottes Geistkraft, die sich mit ihrer Liebe in uns eingiesst.» 2019 formulierte die Gemeinschaft eine Charta.

Die kleine WG musste von Zürich-Hard nach Wiedikon umziehen. Neben ihren Tagzeitengebeten (Alltagsvesper) geben Dienste und Events dem Stadtkloster-Gedanken Ausdruck: «als verdichtete Form von Kirche und Christ-Sein» mit «verbindlicher Gemeinschaft, welche wir auch für andere erlebbar machen». Das Ziel ist «die experimentelle Verbindung von neuem, urbanem Lebensgefühl mit uralten Riten des Glaubens». Wegen der grossen Offenheit wird von einzelnen eine klare geistliche Ausrichtung vermisst.

 

GLAUBEN TROTZ ERFAHRUNGEN
 

Wirklich mit Gott leben
«Warum verlassen so viele junge Leute ihre Gemeinden? … Warum sind so viele Christen Sklaven ihrer Sünde?» Ziemlich viel nimmt sich Natha, ein Westschweizer Autor, vor: jüngeren Lesern begreiflich zu machen, warum sich Glauben lohnt. «Überrascht von Furcht» will den Gott vorstellen, der Menschen verändert, trotz allen niederschmetternden Nachrichten auch aus der christlichen Szene.

Der Jugendbetreuer war aktiv, ein Vorbild – und «lag innerlich im Sterben». Im Buch geht er fünf Schritte: vom Problem (Wir sehen Gott nicht) über die Analyse (Warum?) zum Schlüssel (Wie können wir Gott sehen?) und über die Dringlichkeit (Wir müssen Gott jetzt sehen) zur «Taktik» (Wie du Gott jeden Tag siehst).

Natha wendet sich an eine «ganze Generation, die die Furcht vor ihrem Gott verloren hat». Die Leser werden aufgerufen, ihren Schmerz über den Ist-Zustand ernstzunehmen. Aus 2. Korinther 3,18 folgert Natha: «Niemand kann die Herrlichkeit Gottes ansehen und nicht verwandelt werden.» Aber junge Menschen werden irre an Gemeinde – warum? Natha: weil sie da keine innere Kraft wahrnehmen, keine Hilfe bekommen und Einheit fehlt.  

 

Zwei-Minuten-Einsichten
«Über die Seufzerbrücke» umfasst 32 Kurztexte von Heinz und Barbara Käser-Böhlen, die im Berner Oberland in der reformierten Kirche arbeiten. Die erfahrungsgesättigte Verteilschrift will über ehrliches Seufzen, welches zum Leben gehört, zur Freude führen. Die meisten Texte wurden als Kolumnen für die Regionalzeitung verfasst.

Tröstliches und Frohmachendes finden sich im Bändchen, Hilfreiches, aus schweren Erfahrungen gewonnen, und Bedenkenswertes.

Der Leser erfährt Biografisches vom «Poscht-Ruedi» aus Grindelwald (Rudolf Bohren). Und wie ein Trinker mit Hilfe seiner Frau den Rank fand und vielen zum Segen wurde. Das Judas-Kapitell in der Kathedrale von Vézelay und ein Bonhoeffer-Gedicht kommen ebenso in den Blick wie Sinnsprüche am Oberländer Chalet.

 

KOSMISCHE SPIRITUALITÄT
 

Staunen über die Schöpfung
«Ordnung, Kreativität und Zeit sind Berührungspunkte, zu denen sowozhl der Glaube wie auch die Naturwissenschaft Zugang haben.» Die unfassbaren Weiten des Universums, Sterne und Galaxien und andererseits die wunderbar lebensfreundliche Erde lassen den Astrophysiker Arnold Benz staunen. Vor Jahren hat der emeritierte ETH-Professor mit seiner Frau Ruth Wiesenberg Benz «Wissen und Staunen» veröffentlicht und darin Erkenntnisse der Wissenschaft auf religiöse Erfahrungen bezogen.

Faszinierende Bilder von der Erde bis zu den Quasaren erklärt Arnold Benz kurz und allgemeinverständlich, so dass Leser die Grösse, Zweckmässigkeit und Geschichte des Universums erahnen können. Neben die Bilder sind philosophische und theologische Erwägungen aus früheren Werken des Astrophysikers gestellt.

Eine Notiz: «Es gibt keinen Plan oder Design des Universums, aber ein Muster, das sich ständig wiederholt: Zerfall von Altem und Entstehen von Neuem. Das Muster ist im Beispiel von Karfreitag und Ostern erkenntlich und überall zu entdecken. Es weist auf Hoffnung, Sinn und Güte im Universum hin.»

 

Astronomische Psalmen
Nun lässt der Naturwissenschaftler unter dem Titel «Unfassbar verschwenderisch» kosmische Psalmen folgen. Als religiös Staunender betrachtet er das Universum «ein zweites Mal, diesmal aus einer persönlichen Perspektive». Der Astrophysiker nimmt die alte literarische Gattung der Psalmen und gibt seiner Verwunderung «in Anbetracht der unermesslichen kosmischen Dimensionen» moderne Worte. Er ist so auf dem Weg zu einer ganzheitlichen Sicht des Universums.

«Sterne entstehen aus Gas in interstellaren Wolken.
Dichte Wolkenkerne strahlen Wärme ab, verlieren an Druck,
verdichten sich weiter.
Nach Millionen von Jahren kollabiert das Gas zu einer rotierenden Scheibe.

Das Universum quillt über von Kreativität.
Sie übersteigt alle meine Vorstellungen,
neue Sterne, neue Planeten, neue Möglichkeiten.
Ich bin überwältigt.

Wozu Gott, diese vielen Himmelskörper,
dieses riesige Universum?
Warum so unbegreiflich,
so unfassbar verschwenderisch?»

 

Die Angaben zu den Büchern und weitere Titel
werden in den nächsten Wochen hinzugefügt.