Bonhoeffer und die Kirche in der Globalisierung
Von den Theologen des 20. Jahrhunderts wirkt Dietrich Bonhoeffer als Denker und christlicher Widerstandskämpfer besonders anregend – weit über Europa hinaus. Der 12. Internationale Bonhoeffer-Kongress brachte 230 Theolog/innen aus allen Himmelsrichtungen in Basel zusammen. Im Austausch unter älteren und jüngeren Nachdenkern des deutschen Märtyrers kamen Unterschiede zwischen dem Westen und anderen Weltteilen in den Blick.
Was ist von Dietrich Bonhoeffer (1906-1945) fürs Christsein im Pluralismus und für ökumenische Theologie zu lernen? Darüber sprach im Zentrum von Mission 21 in Basel Ulrich H.J. Körtner (Wien). Von der radikalen und irreversiblen Pluralisierung, durch Globalisierung verstärkt, sind die europäischen Kirchen vielfach betroffen. Einerseits werde Pluralismus als kulturelle Frucht des Christentums verstanden, andererseits werde von Kirchen Pluralismus verlangt. Brisant wird es laut Körtner dann, wenn Kirchen den eigenen Wahrheitsanspruch gegenüber konkurrierenden Ansprüchen relativieren. Und wie können sie ihn zum Ausdruck bringen, ohne breite Teile der säkularen Gesellschaft vor den Kopf zu stossen?
Leiden am vielspältigen Christentum
In seinem Vortrag erwähnte der Wiener Theologieprofessor auch die Schattenseite des Pluralismus: Entdifferenzierung, „Vielspältigkeit“ des Christentums (E. Troeltsch), „lebens- und geistfeindliche Diffusion“ und Vergleichgültigung. Der Fundamentalistismus ist „für viele attraktiv“. Angesichts dessen fordert Körtner, dass die Wahrheitsfrage auf dem Tisch bleibt, mit dem Ziel, Verbindlichkeit wiederzugewinnen. Das Prinzip dafür stamme aus dem logos-gewirkten Anfang der Schöpfung (Johannes 1).
Wie Ulrich Körtner betonte, dachte Dietrich Bonhoeffer nicht pluralistisch, sondern christozentrisch. Den Theologen aus grossbürgerlichem Berliner Haus schmerzte die Schwäche der Kirche. Er forderte, mit Busse, notfalls mit Schweigen hätte sie um die Autorität zu reden zu ringen und als wartende Kirche auf das Kommen des Herrn zu fokussieren.
Nicht mit allen reden
Die Bekennende Kirche stand zum überkommenen Glauben – gegen die neuheidnische Kreaturvergötzung der Nazis. Mit der Hitler ergebenen, zum Abwürgen des Bekennens eingesetzten Reichskirche wollte Bonhoeffer nicht reden, nicht mit ihren Leitern ökumenisch auftreten. Im Kirchenkampf verwarf er die Zweig-Theorie der Ökumenischen Bewegung, wonach jede Kirche ihre besondere Gabe einbringt. Die Trennung war für ihn schuldhaft. Es müssten, folgerte Bonhoeffer, Umkehr und Sündenbekenntnis am Beginn des ökumenischen Gesprächs stehen.
Die Frage, wer Christus für uns heute ist, hat Dietrich Bonhoeffer eindringlich gestellt. Ihn trieb nicht so sehr die Kluft der Geschichte um; die Botschaft selbst war ihm zum Problem geworden. Für Körtner ist Bonhoeffer ein kirchenkritischer Mahner: Um öffentlich ethische Orientierung zu vermitteln, bedarf Kirche selbst der geistlichen Orientierung. Sie solle, schloss der Theologe, das Erbe des biblischen Zeugnisses hüten, in der Erwartung, dass es wieder spricht.
Friedensimpulse für verwundete Völker
An den drei Tagen wurden 70 Papers zur Aktualität Bonhoeffers für Problemfelder auf verschiedenen Kontinenten in Teilgruppen vorgestellt. Mehrere fragten nach der Relevanz seiner 1944 in Haft notierten Gedanken zum religionslosen Christentum. Im Plenum reflektierte Rowan Williams (Cambridge) über die Verbindung von Christologie und Politik. Die feministische Ethikerin Puleng LenkaBula aus Südafrika stellte Bonhoeffer in einen befreiungstheologischen Kontext, ohne auf die aktuellen Skandale mit dem schwarzen Präsidenten Zuma einzugehen. Der ruandische Kirchenleiter Pascal Bataringaya beleuchtete, wie die Friedensethik des deutschen Märtyrertheologen nach dem Genozid hilft.
An den warmen Sommertagen bot das Zentrum von Mission 21 in Basel einen idealen Rahmen für Begegnungen von älteren und jüngeren Bonhoeffer-Forschern. Christiane Tietz (Zürich), die Vorsitzende der deutschsprachigen Sektion der Internationalen Bonhoeffer-Gesellschaft, zog gegenüber dem LKF eine positive Zwischenbilanz. Was der Kritiker des westlichen Christentums an Impulsen fürs Ringen um Gerechtigkeit und Freiheit gegeben habe, werde in allen Erdteilen bewegt – „europäische Gemütlichkeit“ dürfe den Blick auf ihre eindringliche Schärfe nicht verstellen.