Berner Landeskirche feiert Fest zur Vision

Die «Vision Kirche 21» soll die reformierten Kirchen Bern-Jura-Solothurn in die Zukunft leiten. Als Doppelpunkt zwischen der Arbeit an der Vision und ihrer Umsetzung feierte die Landeskirche am 10. September in Bern ein grosses Fest. Am Sonntagvormittag fanden in der Stadt gleichzeitig acht Gottesdienste mit eingeladenen Pfarrerinnen und Pfarrern statt. Am Nachmittag sangen 1'300 im Chor auf dem Bundesplatz.

Die Gottesdienste unterschieden sich in Stil und Theologie – als Ausdruck volkskirchlicher Vielfalt. Im Münster predigte Graham Tomlin, der anglikanische Bischof von Kensington. Auf der Nydegg-Kanzel brachte der Bochumer Alttestamentler Jürgen Ebach die Sozialkritik der Bibel zu Gehör (die Türen hatten wegen des Andrangs geschlossen werden müssen).

In der Heiliggeistkirche war die tansanische Pfarrerin Mary Kategile zu Gast. In der Pauluskirche predigte Sibylle Forrer «gesellschaftsfokussiert» – mit Smartphone. In der Markuskirche feierten Kinder und Familien mit Heiner Schubert von Montmirail; dort hatte am Samstagabend bereits ein HipHop-Gottesdienst stattgefunden.

Unter freiem Himmel
Auf dem Bundesplatz, wo am Nachmittag die Vision verkündet wurde, kamen die landeskirchlichen Gemeinschaften zum Zug: Reformierte feierten mit dem Evangelischen Gemeinschaftswerk EGW, mit dem Jahu Biel und der Vineyard Bern den laut Programmheft «nicht ganz traditionellen Gottesdienst».

Das Wunder des Aufbrechens stellten auf der Bühne Tänzerinnen dar. Lobpreis-Band und Blasorchester woben miteinander einen rhythmischen Musikteppich. Ballone flogen am Bundeshaus vorbei hinauf zu den Wolken, durch die Sonnenstrahlen fielen. Miteinander führten Pfr. Daniel Meister und Alice Rüegsegger, Pfarrerin EGW, durch den Gottesdienst. Passanten nahmen Gesang, Gebet und Predigt mit auf: Eine fröhliche, auch laute, doch gediegene Feier – unter Polizeischutz, auf dem mit Betonblöcken gesicherten Platz.

Lobpreis mit der Band aus Ittigen

Grandioser Fund
Pfr. Paul Kleiner, bis vor kurzem Rektor des TDS Aarau, predigte über den Schatz im Acker und die kostbare Perle, Jesu Doppelgleichnis fürs Reich Gottes. «Von Gott bewegt» – so setzt die von der Berner Kirche formulierte Vision ein. Der Bauer und der Perlensucher bewegen sich, weil sie gefunden haben.

«Schatz und Perle lösen gewaltige Freude aus. Das Reich Gottes ist unglaublich bewegend», rief Kleiner aus – und stellte die Frage, ob Gott uns 2000 Jahre später noch bewegt. Die Jünger Jesu wurden vom Auferstandenen angesprochen, vom Heiligen Geist erfüllt. «Das brauchen wir tagtäglich.»

Der Bauer findet den Schatz da, wo er seit langem arbeitet, der Händler, wie er einen neuen Raum betritt. «Bei Gott gibt es keine Rezepte. Er lässt sich da und dort finden. Jesus Christus will dir jeden Tag begegnen, dich erfreuen und bewegen.»

Was in der Feier auf dem Platz geschehe, sagte Kleiner, könne auch im Parlament passieren. «Hoffentlich lässt es sich von demselben Heiligen Geist der Gerechtigkeit leiten, wenn es Gesetz für die Schweiz in ihrer globalen Vernetzung schmiedet.»

Freude über den Schatz: Paul KIeiner.

«Bewährtes pflegen – Räume öffnen»
Den fünften Leitsatz der Vision verstand Paul Kleiner als Appell, beides zu tun: Bewährtes pflegen im Bibellesen, in der Unterweisung, beim Tischgebet – und Räume öffnen «für Christus im armen oder leidenden Mitmenschen», auch für kontroverse Debatten oder ehrliche Zweifel, auch im Hingehen zu Menschen anderer Kultur. Manchmal, so der Prediger, «pflegen wir das Bewährte, weil wir uns dort wohl fühlen oder Angst vor jeder Veränderung haben.». Andere suchten einen neuen Kick, um den alten Mief hinter sich zu lassen. Es komme darauf an, auf bewährten und neuen Wegen Gott zu finden.

Gott – kein Hobby
Das Reich Gottes finden und von Gott bewegt werden ist nicht alles. «Den Menschen verpflichtet» will die Berner Kirche sein. Paul Kleiner machte deutlich, dass das Himmelreich nicht ein nettes Extra, nicht Schlagrahm auf der Glace ist. «Gott kann man finden und haben, jawohl! Aber nur als Nummer eins, nicht so nebenbei oder zwischendurch oder zusätzlich, als Hobby oder Notnagel.» Wer Gott so erlebt, wendet sich auch radikal anderen Menschen zu. Seine Liebe bewegt, die Nächsten zu lieben.

Fröhlicher Gottesdienst auf dem Bundesplatz

Platz der Musik
Nach dem Kirchenrisotto auf dem Waisenhausplatz – die 5000 Portionen waren bald weg und man kochte nach – strömten die Festbesucher zur Visionsfeier auf den Bundesplatz. Zur Einstimmung gabs schräge Pointen zur Schöpfungsgeschichte von Massimo Rocchi. Musik erfüllte den Platz: 1300 (!) Sängerinnen und Sänger, Jodel, Kinderstimmen, Rap, Gospel, Posaunenchöre …

Nach dem zweisprachigen Vortrag der Vision durch die Schauspielerin Dorothea Reize sang die Menge das eigens komponierte Visionslied. Synodalratspräsident Andreas Zeller bezeichnete die Vision als «Auftrag und Aufforderung zugleich». Es gelte nun sie zu leben und Spannungen auszuhalten. Der Chor sang den Psalm 100.

Träumen und handeln
Gottfried Locher (SEK) erinnerte an Martin Luther King: «Es ist gut, einen Traum, eine Vision zu haben. Träumen ist schon gut, aber träumen und handeln ist besser.» Die Nydeggpfarrerin Rosa Grädel rief dazu auf, die Vision umzusetzen. «Von Gott bewegt – den Menschen verpflichtet» sei die Bewegung, der Weg von Jesus Christus selbst.

Die Veranstalter schätzen, dass insgesamt gegen 10‘000 Personen am Fest teilnahmen. Es war ein Glückstag für die Berner Kirche.

Website zur Vision Kirche 21