Bewölkt mit Schauern und Gewittern
Am 4. und 5. November trafen sich die Abgeordneten des Schweizerischen Evangelischen Kirchenbundes SEK in Bern zur letzten Versammlung. Die Evangelisch-reformierte Kirche Schweiz EKS, die an Neujahr startet, wird eine Synode haben. Ihr Reglement besteht noch nicht. In der Debatte über Hilfs- und Missionswerke und ihre Finanzierung traten Interessengegensätze zu Tage.
Als Kirchengemeinschaft mit dem Namen Evangelisch-reformierte Kirche Schweiz EKS wollen die Reformierten künftig mehr gemeinsam tun und feiern. In der Kirchengemeinschaft gelte es, neu miteinander zu arbeiten, sagte Ratspräsident Gottfried Locher in seiner Rede an die Abgeordneten, mit der er auf die Rückweisung der Legislaturziele des Rats im Juni reagierte.
Die Verfassung, die auf Neujahr 2020 in Kraft tritt, ermöglicht der EKS, Handlungsfelder zu bestimmen. Gemeint sind zentrale kirchliche Tätigkeiten. Locher legte Vorschläge des Rats zu den Handlungsfeldern und zur Bündelung der Themen vor.
Die sechs vorgeschlagenen Handlungsfelder sind: Diakonie und Seelsorge – Werte und Positionen – Bildung und Kultur – Finanzen und Ressourcen – Gottesdienst und Kirchenentwicklung – Kommunikation und Beziehungen. Jedes Handlungsfeld vereint eine Gruppe von Themen, die miteinander verbunden werden können.
Nachfolge – für die Politik relevant
Zum Handlungsfeld «Werte und Positionen» äusserte Locher, die EKS wolle nicht parteipolitisch aktiv werden, aber «Partei zu ergreifen in der Nachfolge Jesu Christi“ und Orientierung geben.
Unter den zum Handlungsfeld projizierten Stichworten waren: jüdisch-christlicher Dialog, Parteien, Bundeshausmonitoring, Parteiengespräche, Bewahrung der Schöpfung, Bioethik, Rat der Religionen, Grüne, Ehe für alle, Wirtschaftsethik, Sonntagsschutz…
In jedem Handlungsfeld soll mit unterschiedlichen Instrumenten (Projekte, Anlässe, Kollekten, Aktionen etc.) gearbeitet werden. Neu sollen Fachleute in strategischen Ausschüssen, welche durch ein Ratsmitglied geleitet werden, mitwirken. «Partizipation wird das neue Leitwort», sagte Gottfried Locher. Mit dem Ende des Kirchenbunds beginne eine neue Ära. Er plane, die Kirchen vermehrt zu besuchen.
Steiniger Weg zur Synode
Die zukünftige Synode soll im Vergleich zur Abgeordnetenversammlung gestärkt werden. Die AV-Delegierten begannen das Reglement der Synode zu beraten. Eine Kommission unter Leitung der Glarnerin Andrea Trümpy hatte es in zehn Sitzungen entworfen. Die Romands erwirkten mit einem Antrag, dass der Entwurf zwei Lesungen unterzogen wird.
Die Beratung unter Leitung von Pierre de Salis begann holprig. Liliane Bachmann beantragte namens der Zentralschweizer Kirchen Rückweisung: Die Kommission solle nochmals über die Bücher. Dies legten auch gegen 20 Änderungsanträge nahe, sagte Bachmann. Die Abgrenzung der Kompetenzen unter den Leitungsorganen sei nicht geglückt.
Nach dem klaren Votum, doch einzutreten, kam die Versammlung – die meisten Änderungsanträge wurden knapp oder nicht diskutiert – in der zur Verfügung stehenden Zeit bloss bis zum 16. von 75 Artikeln.
Zu reden gab, ob drei (kleine) Mitgliedkirchen eine ausserordentliche Synode verlangen können. Nein, befanden die Abgeordneten; dazu brauche es auch ein Viertel der Synodalen. Namens der Berner Delegation legte Synodalratspräsident Andreas Zeller einen anderen Wortlaut des Gelübdes vor. Dieser wurde angenommen.
Synode unter einem Thema?
Eine Weile diskutierte die Versammlung, in welchem Mass eine Synode (geplant sind zwei pro Jahr) thematisch bestimmt sein soll. Die Kommission schlug vor: «Die Synode steht nach Möglichkeit unter einem Thema» (Art. 6,1). Andrea Trümpy äusserte, der Rat des SEK habe dies gewünscht. Auf Antrag der Zürcher wurde der ganze Artikel, der die Aufnahme des Themas auch in «Gottesdienst, Gebet, Liturgie und Gesang» vorsah, gestrichen.
Die Berner drangen andererseits mit dem Antrag durch, die Organisation der Gesprächssynode müsse geregelt werden. Andreas Zeller bekam zudem eine Mehrheit dafür, dass in der Synode auch Italienisch und Romanisch gesprochen werden kann.
Im weiteren wurden die Kompetenzen des Synodepräsidiums diskutiert. Die vorgesehene ständige «Konsenskommission», welche Grundlagen für das Konsensverfahren (Alternative zum Beschluss durch Mehrheit) erarbeiten und es vorbereiten soll (Art. 15), wurde kurzerhand gestrichen. Das Reglement wird an der ersten Synode in Sitten im Juni 2020 in erster Lesung weiterberaten.
EKS startet ohne neue Website
Der Budgetberatung gaben Basler das Gepräge: Martin Stingelin, Baselbieter Kirchenratspräsident, konnte sich mit der für den EKS-Internetauftritt inkl. Hub vorgesehenen Viertelmillion Franken nicht anfreunden. Die AV strich den Posten; der Rat muss erst ein Konzept vorlegen.
Der Basler Kirchenratspräsident Lukas Kundert legte die Finanznot seiner Kirche offen und ersuchte um einen gesenkten Mitgliederbeitrag. Das derart veränderte Budget wurde angenommen.
Hilfs- und Missionwerke – wie weiter?
Weiter bemühten sich die Abgeordneten um sinnvolle Vorgaben für die vier reformierten Hilfs- und Missionswerke (HEKS, Brot für alle, mission 21, DM Echange et mission). In einer Motionsantwort schrieb der Rat, ihr Nebeneinander erfordere Anpassungen. «Was noch in den 1980er Jahren in diesem Bereich realisierbar war, erweist sich heute als nicht mehr tragbar.»
Der Verteilschlüssel, nach dem von BFA gesammelte Gelder Missionswerken zukommen, ist laut dem Bericht heute «Teil des Problems und nicht der Lösung». Auf dem Spendenmarkt würden die kirchlichen Werke zunehmend marginalisiert. Nun sollen die Finanzierungen nachhaltig gestaltet, die Geldflüsse transparenter werden.
In der AV wurden die gegensätzlichen Ziele von HEKS und BFA einerseits (aktuell in Fusionsgesprächen) und den Missionswerken andererseits, die Aufträge an BFA und die Interessen der Kirchen kontrovers beleuchtet.
Der Rat des SEK hatte zum Spendensammlungsmandat von BFA fünf Vorschläge formuliert, welche Zustimmung wie unverblümte Kritik auslösten. Sie werden, so der Beschluss, im Gespräch mit den Kirchen und Werken weiter erörtert. Die AV schrieb die Motion ab.
Wahlen
Die AV nahm Wahlen in die Stiftungsräte von Brot für alle und HEKS vor (das Mandat von Maja Ingold wurde angesichts der Fusionsverhandlungen ausnahmsweise verlängert) und befasste sich mit der Tätigkeit von mission 21 (Jochen Kirsch neuer Direktor an Stelle von Claudia Bandixen) und DM Echange et Mission.
In ihre GPK wählten die Abgeordneten den Waadtländer Guy Liagre, in die Nominationskommission die Aargauer Kirchenrätin Catherine Berger-Meier.
AV der Abschiede
An der letzten AV des SEK sprachen zwei Gäste, die selbst am Ende ihrer Amtszeiten stehen: Herbert Winter, Präsident des Schweizerischen Israelitischen Gemeindebundes SIG, und der Generalsekretär des Weltkirchenrats, Olav Fykse Tveit.
Im Rückblick aufs Reformationsjubiläum hob Winter hervor, die Schweizer Reformatoren hätten nicht wie Luther gegen die Juden gehetzt. Er dankte für die beständige Unterstützung der Reformierten – in der Hoffnung, sie stehe künftig nicht mehr im Kontext von Anschlägen und antisemitischen Untaten.
Esther Gaillard vom Rat des SEK informierte über die Entwicklung im Asylwesen. (In den Asylzentren des Bundes finanziert der SEK Seelsorge.) Der Bund hat zwei seiner Zentren wieder geschlossen, da sich 2019 der Rückgang der Asylgesuche fortsetzen dürfte. Die AV beschloss, einen ausserordentlichen Beitrag von 420‘000 Franken an die Seelsorge.
«Die Ökumene ist wichtiger denn je»
Olav Fykse Tveit hatte am Dienstag im AV-Gottesdienst gepredigt. In seiner Ansprache im Rathaus porträtierte er die ökumenische Bewegung als polyzentrische, innovationsbereite Gemeinschaft mit 350 Mitglied-Kirchen und Netzwerken, motiviert von der Liebe des Christus. So sei der Weltkirchenrat auch ein Zeuge gegen konsumistische Ausprägungen des Christentums. Man habe viele Kontakte zur themenorientierten Zusammenarbeit mit internationalen Organisationen für Entwicklung, Katastrophenhilfe und Gesundheit geknüpft.
Man wolle lernende Gemeinschaft sein, halte einander zur Rechenschaft an und wolle – zusammen mit der RKK und dem Global Christian Forum – Katalysator in den Gesellschaften sein, auf dem «Pilgerweg der Gerechtigkeit und des Friedens».
Gottfried Locher dankte Tveit für seine Amtsführung und die finanzielle Stabilisierung des ÖRK und schenkte ihm eine Waadtländer Kuckucksuhr.
Dokumentation mit den Traktanden, Berichten und Beschlüssen der AV
Bericht zur Ehe-Debatte