Näher zum heiligen Gott

Die Räume der Stiftshütte als Schlüssel, den Aufstieg von Mose auf den Berg Sinai zu verstehen – und Doxologie als Kernvollzug des Gottesdienstes: Am Montag, 9. März 2020 hielten der Alttestamentler Benjamin Kilchör und der Praktische Theologe Stefan Schweyer ihre Antrittsvorlesungen als Professoren der STH Basel. Auf zwei Weisen wurde das grosse Thema der Theologie beleuchtet: die Begegnung von Menschen mit Gott.


Wie nahe liess Gott Mose an sich heran, als er auf dem Berg Sinai erschien? Benjamin Kilchör, bisher Assistenz-Professor für Altes Testament an der STH Basel, eröffnete den festlichen Nachmittag mit Ausführungen zu den Auf- und Abstiegsnotizen in Exodus 19 und 24.

In Exodus 19,3a wird beschrieben, wie Gott Mose auf den Berg Sinai ruft, um dort mit ihm zu reden. Exodus 19,3b hält indes fest, dass Gott vom Berg her zu Mose spricht. Das hat bei Auslegern zu Fragen geführt: Ist Mose nun auf dem Berg oder ist er unten am Fusse des Berges und hört von dort her Gott zu sich reden?

Unten, oben – oder in der Mitte?
Viele Ausleger nehmen an, dass die Textschwierigkeiten durch das Zusammenführen von unabhängigen Texten entstanden sind, welche Mose unterschiedlich – entweder unten oder oben – lokalisieren. Dagegen führte der neue STH-Professor den für die Schule charakteristischen Ansatz durch: den Text in seiner Einheit ernst zu nehmen und exegetische Textarbeit mit theologischer Auslegung in ein fruchtbares Zusammenspiel zu bringen, so dass beide voneinander profitieren.

Benjamin Kilchör machte einsichtig, dass mithilfe des dreistufigen Raumkonzepts der Stiftshütte (Exodus 26-27) die Textschwierigkeiten mit den Auf- und Abstiegsnotizen nachvollziehbar gelöst werden können. Während das Volk am Fuss des Berges («Vorhof») bleiben muss, darf Mose auf den Berg («das Heilige») steigen, und Gott redet mit ihm vom Gipfel («das Allerheiligste»). Kilchör schloss mit der Bemerkung, wenn der Leser den Text nicht so, wie er dasteht, lesen könne, brauche er «vielleicht eine bessere Brille, nicht einen besseren Text».

Die Ausstrahlung der Doxologie
Stefan Schweyer ist von der STH Basel zum Professor für Praktische Theologie ernannt worden. Seine Antrittsvorlesung kreiste um «Doxologie – Die Verherrlichung Gottes in Lobpreis und Liturgie».

Im ersten Teil nahm er die Liturgische Bewegung in den Blick. Es wurde deutlich, dass die Doxologie nicht nur ein Element der klassischen Liturgie darstellt, sondern vielmehr jedes ihrer Elemente grundiert und umfängt: Doxologie als Kernvollzug dessen, was im Gottesdienst geschieht.

Stefan Schweyer betonte die Wichtigkeit der Ausstrahlung der Doxologie auf das ganze Leben des Menschen. Sie kommt nicht nur in der Liturgie zum Ausdruck (lex orandi), sondern formt auch unseren alltäglichen Glauben (lex credendi) und hat somit Auswirkung auf das gesamte Leben (lex vivendi).

Einfluss der Charismatischen Bewegung
Im zweiten Teil befasste sich Schweyer mit der Charismatischen Bewegung. Ihr Einfluss hat dazu geführt, dass fast alle Freikirchen heute eine klar umrissene Lobpreiszeit in ihren Gottesdienst integrieren. In dieser Form der Verherrlichung Gottes findet eine Intensivierung statt, indem nun auch die leibliche Dimension in die Doxologie miteinbezogen wird.

Stefan Schweyer schälte in der Folge die Stärken und Schwächen beider Bewegungen heraus und zeigte einleuchtend aufgrund der Bibel die Berechtigung ihrer Anliegen. Nachdrücklich beschrieb er die Doxologie als Antwort, die dem Menschen durch die Offenbarung der Herrlichkeit Gottes aufgetragen ist. Die Doxologie wurzelt in Gott selbst und ist die Form des Gebets, die bis in Ewigkeit andauert. Sinnigerweise endete die Vorlesung mit einem doxologischen Ausklang, zu dem sich die Anwesenden erhoben.  

An der Staatsunabhängigen Theologischen Hochschule Basel sind derzeit 86 Bachelor- und Master-Studenten eingeschrieben. 22 von ihnen haben im September 2019 das Studium begonnen. Als nächste öffentliche Veranstaltung wird die Abschlussfeier für die Absolventen am 6. Juni geplant. Die Feier zum 50-jährigen Jubiläum der STH ist für den 26. September terminiert.

Video der Antrittsvorlesung von Benjamin Kilchör      
Video der Antrittsvorlesung von Stefan Schweyer
Website der STH Basel
 

Quelle Text und Bilder von der Veranstaltung: STH Basel, Bearbeitung: LKF