Reformierte Eucharistie

Findet die Kirche im Umbruch einen neuen Zugang zur Feier ihres Sakraments der Gemeinschaft? Eine Vorlesung an der Universität Zürich geht in diesen Wochen neue Wege: Die Teilnehmenden feiern zuerst Abendmahl, bevor sie sich mit den Entwicklungen und Akzentsetzungen in der Geschichte befassen.

 

Der Vorlesung „"Reformierte Eucharistie"“ des Frühlingssemesters 2014 an der Theologischen Fakultät der Universität Zürich lagen 20 Thesen von Prof. Ralph Kunz zugrunde. Hier eine Auswahl:
(7) Wer den Priester abschafft, muss dafür sorgen, dass die Gemeinde mitzelebriert, sich als geweihte Schar erlebt und die ganze Liturgie sakramental erfährt.
(9) Das Abendmahl ist die eucharistische Gemeinschaft der Getauften. Es ist die Wegzehrung derjenigen, die im Geist wandeln.
(20) In der Mahlfeier sagen wir leibhaftig Gott Lob und Dank, dass er wahrhaftig unter uns ist. Das ist kein Lippenbekenntnis.

Zuerst feiern und essen…...
Das Besondere an dieser Vorlesung ist die Anlage: Voraus geht die mittägliche und öffentliche Abendmahlsfeier in der Wasserkirche, dann das gemeinsame Essen -– gemäss dem Grundsatz Erfahrung vor Reflexion. Als Vorlage dient die Liturgie Zwinglis von 1525 in leicht überarbeiteter Form. Darin enthalten sind die klassischen Elemente wie Kollektengebet und Tageslied, Grosses Gloria, Apostolikum, Zurüstung und Lesung aus Johannes 6 (gemäss der Vorlage Zwinglis!), Fürbitten mit Kyrie, Eucharistisches Gebet (neu), Einladung und Friedensgruss, Unser Vater, Einsetzung und Austeilung, Agnus Dei, Psalmlesung, Dank, Segen und Entlassung. Zur Feier gehört auch eine Kurzpredigt. Zwei Studierende übernehmen abwechselnd die Rolle der Liturgen.

...dann reflektieren
Dr. Luca Baschera, Assistent von Prof Kunz, hatte die anspruchsvolle Aufgabe, die Entwicklungen und Akzentsetzungen in der alten, mittelalterlichen und neueren Kirche aufzuzeigen. Themen waren u.a. Die Herausbildung der Opfertheologie und die heilsvermittelnde Stellung des Priesters, der Übergang vom Mahl zur Messe, die Ablehnung des Opfers durch die Reformatoren und die eschatologische Dimension. Dann: Wie feierte man in Wittenberg, wie in Zürich? Worüber stritten die Reformatoren? (aus heutiger Sicht ein Luxus, Rivalität von zwei Wissenden?). Schliesslich: Warum ist das Abendmahl ein Sakrament? Dazu die Anschlussfrage: Woher stammt die Angst der Reformierten, das Heilige Gottes zu berühren und zu kosten?

Uneins über die Bedeutung
In der Semestermitte fand eine gut besuchte innerreformierte Abendmahlsdebatte statt, eingeleitet durch provozierende Fragen wie "„Haben die Reformierten eine gemeinsame Abendmahlskultur? Oder hat sich ihre Tischgemeinschaft aufgelöst"? Verschiedene Kurzvoten machten deutlich, dass wir im Abendmahl eine Feier begehen, über deren Bedeutung wir uns nicht mehr einig sind. Aber auch: „"Wir wollen -– Pfarrer zusammen mit Gemeindegliedern - –nach mehr Klarheit fragen. Wir freuen uns, miteinander Abendmahl zu feiern".“

Liturgie als Gabe
Weiterführend dürften folgende aus der Forschung vorgetragene Erkenntnisse sein: Liturgien sind gemeinschaftliche Praktiken, durch die sich Status und Habitus definieren. Liturgien sollen nicht stets verändert werden -– „"was man begeht, muss man immer wieder begehen“". Liturgisch verantwortete Gottesdienste stiften Identität und sind nicht Event. Die sich im Namen Jesu versammelnde Gemeinde vergewissert sich des Heils und erwartet das Handeln Gottes. Dieses besteht darin, dass Gott zu uns kommt und Gemeinschaft mit uns sucht. Er ist das primäre Subjekt. Liturgisches Handeln bittet um den Heiligen Geist und öffnet den Kanal. Ebenso: Niemand verfügt über Gottes Gegenwart. Zu überwinden ist der bei vielen vorherrschende antiliturgische Reflex ("„Wir sind nicht katholisch, wir leiern nichts herunter, wir lassen uns nichts vorschreiben“").

Als Glaubende sind die Menschen im Gottesdienst ebenfalls Subjekte. Lesungen aus der Bibel, Gebete, Predigt, Zeugnisse, Lieder und Musik geschehen in der Erwartung, dass Gott dadurch der Gemeinde begegnet. Mit dem sakramentalen Essen und Trinken im Abendmahl verlässt man den Raum des intellektuell Verstehbaren. Es eröffnet eine überrationale Dimension, die die eigenen Ressourcen übersteigt.

Verantwortung Kontrovers behandelt wurde die Frage, wer letztlich zuständig ist für die Abwicklung der eucharistischen Feier. Wenn es das Kerngeschäft des Pfarrers ist, dann müsste er fähig und willens sein, mit Ministranten und Ministrantinnen auf Augenhöhe zu kommunizieren. Er soll seinen Dienst nicht missverstehen als Pfarrer-zentrierte Amtshandlung. Hier zeigt sich, ob der Verbi Divini Minister (Diener des Göttlichen Wortes) das Laienpriestertum zu Herzen genommen hat und vollzieht. Die Pfarrperson also als Entwicklerin einer ur-reformatorischen Form der eucharistischen Mahlfeier. Warum es nicht wagen mit Zwinglis Formular -– und sei es nach 500 Jahren?