Evangelische Einheit: Träume, Klärungen, Schritte
Die Zersplitterung nehmen evangelische Kirchen zu leicht hin. Ihr Herr, der sie inspiriert, will nicht Atomisierung, sondern Einheit. Davon zu träumen und – ganz nüchtern – Zäune und Barrieren zu besichtigen, wagte das Landeskirchen-Forum am 20. Juni 2014 an seiner Tagung in Bern. Matthias Zeindler und Judith Pörksen von den Reformierten und Kurt Kammermann und Walter Dürr von der Evangelischen Allianz regten an, alte Pfade zu verlassen und das Gemeinsame in die Mitte zu stellen.
"Durch Jesus Christus, mit dem Evangelium, führt Gott Menschen, die durch alle möglichen Trennungen zersplittert sind, zur Einheit zusammen". Prof. Dr. Matthias Zeindler, Leiter des Bereichs Theologie der Berner Landeskirche, betonte eingangs, dass sich Spaltungen nicht aufs Evangelium beziehen können. Die Evangelischen haben eine grosse gemeinsame Geschichte und teilen die Grundsätze der Reformation. Doch mit dem Durchbruch der Reformation setzte die evangelische Zersplitterung ein. Zeindler sprach die "liebgewordenen Klischees" an, die es Landes- und Freikirchlern noch immer leicht machen, sich in der Distanz voneinander einzurichten (Stündeler und Fundamentalisten vs. Papierchristen und Karteileichen).
Charismen füreinander einsetzen
Doch "Gott hat unterschiedliche Wege, Menschen für sich zu erreichen". Daher ist Vielfalt zu begrüssen - weil der Heilige Geist vielfältig wirkt und unterschiedliche Charismen schenkt. Zeindler benannte Charismen der Freikirchen und bekennenden Gemeinschaften wie auch der Landeskirche und lud dazu ein, sie füreinander einzusetzen. Die "Gemeinsame Erklärung" vom November 2013 könne Reformierten und Freikirchlern helfen, miteinander ins verbindliche Gespräch kommen.
Zusammenfassung von Matthias Zeindlers Vortrag
Jesus zuneigen
Dr. Walter Dürr, Leiter der Jahu-Gemeinschaft in Biel, schilderte Bemühungen um das evangelische Miteinander in seiner Stadt. Ein Mosaik aus Konstantinopel zeigt Johannes den Täufer und Maria, beide Jesus (in der Mitte) zugeneigt. In dieser Herzenshaltung, wenn sie sich Jesus zuneigen, kommen zwei Verschiedene einander näher, sagte Dürr. Das Bild sei für Bieler Christen wie ein Eisbrecher gewesen. Am kommenden Bettag sind zum zweiten Mal gesamtstädtische Gottesdienste geplant. "Keiner, der sich Christus zuneigen will, kann sich wegwenden von den andern, die das auch tun". Von der Viehzucht in Australien lässt sich laut Dürr auch lernen: Da wird um die weite Weide kein Zaun gezogen, sondern in der Mitte ein Brunnen aufgestellt.
Der Ball - zum Spielen da
Kurt Kammermann, Leiter der Evangelischen Allianz Bern, sprach über die "Leichtigkeit der Einheit". Einheit erwächst laut einer Definition daraus, dass Verschiedene von einem Leitprinzip durchdrungen sind. Aus aktuellem Anlass nahm Kammermann einen Fussball zur Hand. Dem Spiel wird alles untergeordnet. Welchem Team käme es in den Sinn, wegen unterschiedlicher Leibchen Streit anzuzetteln? Christen hingegen, so Kammermann, leisten sich den Luxus, über Temperamente, Gemeindekulturen und Stilfragen zu streiten. Zerschnitten ist ein Ball unnütz. Es gelte, von Jesus zu lernen und Freunde zu werden.
Leichtigkeit der Einheit: Gedanken von Kurt Kammermann
Stadtkirchenfest als Experiment
Pfrn Judith Pörksen Roder schilderte Beispiele der Zusammenarbeit unter evangelischen Christen in der Stadt Bern. Es sind Schritte auf einem teils steinigen Weg. An einem Gebetstreffen, zu dem die Freie Evangelische Gemeinde einlud, kannten die Reformierten die Lieder bis auf eines nicht. Anderseits liessen sie sich auf den "recht charismatisch gestalteten" Lobpreis ein, den Eritreer in einem gemeinsamen Gottesdienst am Flüchtlingssonntag beitrugen. Die Brassband Brassodio bezeichnete Pörksen als Beispiel von gelungener evangelischer Einheit. Die "Gemeinsame Erklärung" vom November 2013 ebnet den Weg, über Räumlichkeiten ins Gespräch zu kommen. Judith Pörksen Roder lud zum Stadtberner Kirchenfest Ende August ein: "Wir sehen es als gemeinsames Zeugnis".
Schritte auf steinigem Weg: Judith Pörksen Roder über Erfahrungen in Bern
Musik verbindet
Die Tagung im Gemeindezentrum Le Cap beim Kornhaus hatte das Landeskirchen-Forum in Zusammenarbeit mit den Reformierten Kirchen Bern-Jura-Solothurn und der Evangelischen Allianz Bern organisiert. Nach dem Stehimbiss setzten sich die 50 Teilnehmenden in kleinen Gruppen zusammen, um Erfahrungen auszutauschen. Anregungen dazu gaben auch pointierte Statements von Landes- und Freikirchlern, die an der Wand zu lesen waren.
Der Tagungsleiter Alfred Aeppli hatte eingangs darauf verwiesen, dass zur Einheit persönliche Beziehungen, Strukturen und gemeinsames Feiern beitragen. Im Fischglas-Gespräch nahmen Teilnehmende unter den Referenten Platz, um etwas loszuwerden. Zur Sprache kam, dass manche Freikirchen gut mit Jugendlichen unterwegs sind. Und welche ethischen Fragen machen wirklich einen Unterschied? Müssten Christen zusammenstehen, wenn es in Gesellschaft und Staat Bestrebungen gibt, die das biblische Menschenbild verwischen?
Länger wurde über Musik gesprochen, nachdem Judith Pörksen für ein Miteinander der Musikstile in der Kirche plädiert hatte. Matthias Zeindler räumte ein, das Thema brenne unter den Nägeln. Wo ist der Pulsschlag des Lobpreises zu vernehmen? Ermutigendes war aus Kirchberg zu hören: Dort sangen vier Chöre gemeinsam eine Gospelmesse.
Miteinander am Tisch des Herrn
Die Tagung umrahmte Martin Jufer am Flügel mit jazzigen und meditativen Stücken. Die Veranstaltung schloss mit dem stärksten Zeichen gelebter Einheit in Jesus Christus, dem Abendmahl. Es sollte als Stärkung für den gemeinsamen Weg dienen. Katrina Schachtler von New Life Bern und Pfr. Richard Stern luden gemeinsam dazu ein. Die in den Referaten zu Tage getretenen Unterschiede verblassen, wo Christen willig werden, gemeinsam zu feiern, Jesu geistliche Speise aufzunehmen und miteinander zu teilen.
Evangelische Einheit: Sieben Thesen des Landeskirchen-Forums