Gemeinde, Kirche, Kirchengemeinschaft

"In Ergänzung zu den Synoden der Mitgliedkirchen hat die Kirchengemeinschaft eine Schweizer Synode"“: Diesem Grundsatz haben die Abgeordneten der SEK-Mitgliedkirchen an ihrer Herbstversammlung zugestimmt. Damit sind die Schweizer Reformierten in der Verfassungsrevision einen Schritt weiter. Zudem beschäftigten sich die Abgeordneten mit der Diakonie und dem Völkerrecht. Sie forderten den Bundesrat auf, das Flüchtlingskontingent von 500 auf 5000 Personen zu erhöhen.Der SEK-Beitrag für Seelsorge in den Asylzentren des Bundes wurde erhöht.

Vier Grundaussagen des SEK-Rates fanden am 4. November die Zustimmung der Abgeordnetenversammlung. Ratspräsident Gottfried Locher forderte in seinem Eingangsvotum eine vertiefte Diskussion: "„Wir Reformierten müssen überlegen, wie wir miteinander Kirche sind".“ Angesichts der gesellschaftlichen Veränderungen sei der Augenblick gekommen, Farbe zu bekennen. „"Wollen wir miteinander Kirchengemeinschaft (communion d’églises) sein, und damit auch Kirche"?“

"Das Subsidiaritätsprinzip gilt unverändert“"
Der Rat schlug eine Schweizer Synode vor, in Ergänzung zu den kantonalen, wobei zur Kompetenzverteilung noch nichts gesagt ist. "„Das Subsidiaritätsprinzip gilt unverändert“", betonte Locher. Deutlich wurde in Bern, dass eine sprachregionale Gemeinschaft einfacher zu gestalten wäre. Die Zweisprachigkeit kompliziert die Arbeit auch terminologisch (Oberbegriff protestant vs. evangelisch/reformiert); die Romands kritisierten Übersetzungsfehler. Doch wollen die Reformierten auf Bundesebene organisiert sein.

Personale Leitung?
Zu reden gab in Bern, ob die anvisierte Kirchengemeinschaft neben Synode und Rat auch einer leitenden Persönlichkeit bedarf. Die Vorrangstellung der Synode sei unantastbar, doch stärker als bisher gebe es "„einen Leitungsauftrag, den man nicht kollegialisieren kann. Es gilt eine Wirklichkeit nachzuvollziehen, die längst mein Alltag ist"“, sagte Locher. Jean-Michel Sordet (VD) verwies auf kongregationalistische Prägungen und fand, neben der synodalen Leitung brauche es keine personale. Michel Müller (ZH) hielt fest, die Zustimmung zu den vier Aussagen impliziere „"die Offenhaltung der kritischen Fragen"“. Der St. Galler Kirchenratspräsident Martin Schmidt sagte, die Verfassungsrevision sei in den Kantonalkirchen eingehend zu erörtern.

Diskussion –- nach 40 Jahren
Pia Grossholz (BE) betonte: "„Wir sind weltweite Kirche. Man kann nicht an einem Ort für sich brösele".“ Die vorliegenden Formulierungen seien nicht in Stein gemeisselt. Die Verfassung müsse Aufgaben und Zuständigkeiten klar festlegen. Didier Halter (VS) plädierte dafür, im Schweizer Namen '‚reformiert'‘ wegzulassen. Lukas Kundert (BS) freute sich, dass endlich theologisch-ekklesiologisch diskutiert werde. "„Wir haben hier etwas nachzuholen, was wir 40 Jahre nicht getan haben".“ Gottfried Locher bekräftigte die Grundaussagen als „"lignes directrices. Sie sollen uns leiten in allem".“

Der SEK-Rat hat die Konferenz der Kirchenpräsidien als Gruppe anerkannt, die seine Vorschläge zuerst diskutiert und Empfehlungen abgibt; dieses Vorgehen wurde nach der unruhig verlaufenen Sommer-AV von Schuls erstmals praktiziert. Die Anregungen aus der AV wurden nach den Beratungen aufgenommen; der Rat ergänzte die vier Grundaussagen. Am Dienstag wurden sie von den Abgeordneten als Ausgangspunkt der weiteren Arbeit gebilligt:

Vier Eckpunkte für die Verfassungsrevision
«1. Die evangelisch-reformierte Kirche lebt als Kirchgemeinde (bzw. kirchliche Orts- oder Regionalstruktur), als Mitgliedkirche (bzw. Kantonalkirche) und als Kirchengemeinschaft.
2. Unsere Kirchengemeinschaft ist gesamtschweizerisch.
3. In Ergänzung zu den Synoden der Mitgliedkirchen hat die Kirchengemeinschaft eine Schweizer Synode.
4. Die Kirchengemeinschaft wird synodal, kollegial und personal geleitet.»
Eine fünfte Grundaussage zur internationalen kirchlichen Zusammenarbeit soll der Rat formulieren.

Einsatz für Flüchtlinge, Völkerrecht
Mit einer Resolution fordert die AV den Bundesrat auf, mehr Hilfe in den Krisengebieten zu leisten und das Flüchtlingskontigent für bedrohte Menschen aus Syrien und für vom UNHCR anerkannte Flüchtlinge von 500 auf 5000 zu erhöhen. Zudem wollen die Reformierten mehr tun für die Achtung des Rechtstaats und der Verfassung, auch Angriffen gegen das Völkerrecht und die Europäische Menschenrechtskonvention entgegentreten. Eine von den Baselbietern Reformierten eingebrachte Motion nahm der Rat entgegen. Er will mit Partnern ein Positionspapier erstellen.

Diakonie, Reformationsjubiläum
Die Schweizer Reformierten wollen die Gefässe und Gremien der Diakonie deutlich vereinfachen. Eine neue Dachorganisation mit Anbindung an den SEK und eine dreistufige Struktur (Konferenz, Ausschuss, Arbeitsgruppen) wurden von den Abgeordneten begrüsst. Die Reformierten führen die Seelsorge in den Asylzentren des Bundes weiter und setzen 2015 dafür 350'‘000 Franken ein. Die Planung des Reformationsjubiläums geht voran. Die Abgeordneten nahmen die Projektbeschriebe zur Kenntnis und bewilligten für 2015-2017 400‘'000 Franken. „"Jedes Projekt muss gendergerecht ausgearbeitet werden".“

Wechsel in Rat und Versammlungsleitung
Die AV wählte den Bernjurassier Jean-Marc Schmid zu ihrem Präsidenten für 2015-2016. Ihm werden die Zürcher Synodale Annelies Hegnauer und die methodistische Distriktsvorsteherin Claudia Haslebacher als Vize zur Seite stehen. Vom Rat des SEK wurden die Waadtländer Pfarrerin Kristin Rossier Buri und die Zürcherin Rita Famos verabschiedet; an ihre Stelle treten Esther Gaillard und Daniel Reuter aus denselben Kirchen.

Website zur Herbst-Abgeordnetenversammlung mit Traktanden und Beschlussprotokoll