Nationaler Festgottesdienst zum Reformationsjubiläum

Im Berner Münster haben die Kirchen des Schweizerischen Evangelischen Kirchenbunds 500 Jahre Reformation mit Gästen gefeiert. Mit dem Dank für Gottes Beistand verband Gottfried Locher in der Predigt die Frage, wohin sich die Reformierten mit ihren Herzen ausrichten. Der Erzbischof von Canterbury Justin Welby rief zum Bezeugen des Auferstandenen auf, Kardinal Kurt Koch wünschte neue Freude an der reformatorischen Botschaft.

Der Festgottesdienst, zu dem die Synodalen der SEK-Mitgliedkirchen, die Verantwortlichen des Reformationsjubiläums und Vertreter von Partner-Kirchen und Dachverbänden eingeladen waren, stand im Zeichen des festlichen Psalms 100. «Nun jauchzt dem Herren, alle Welt!»

Hammerschlag
Bundesrat Johann Schneider-Ammann überbrachte die Grüsse der Landesregierung. Er erinnerte an Luthers Thesenanschlag in Wittenberg 1517 – ein mächtiger Hammerschlag für Europa – und würdigte den religiösen Frieden. Ihn gelte es durch Arbeit am Gemeinwesen zu erhalten.

Im Eingangsgebet, im Heft abgedruckt, dankten die Versammelten «für die Mütter und Väter, die uns vorausgegangen sind, für die Beharrlichen, die den Glauben an die nächste Generation weitergegeben haben». Damit verbunden bekannten sie Schuld: «Wir haben durch unser Denken, Reden und Handeln trennend gewirkt, und wir haben anderen ihren Glauben abgesprochen. Gegen Andersgläubige sind wir in den Krieg gezogen. Täufer haben wir ertränkt … Vor dir, Gott, bekennen wir auch alle Schuld, die uns heute belastet ... Jesus Christus, sei du unser Licht und stärke uns für unseren weiteren Weg, einen Weg der Beharrlichkeit und des Mutes, der Stille und der Dankbarkeit.»

Bundesrat Johann Schneider-Ammann, Co-Patron des Schweizer Reformationsjubiläums

Der wahre Schatz der Kirche
Eine moderne Motette – vier Sprecher hoch im Chor und auf der Empore – führte hin zur Predigt von Gottfried Locher zu Matthäus 6,19: «Wo dein Schatz ist, da ist auch dein Herz». Die irdischen Schätze fressen nach dem Wort von Jesus Rost und Motten.

«Liebe Kirche, woran hängt dein Herz?» fragte der SEK-Ratspräsident die Versammelten und rief sie auf, einen Schatz im Himmel anzuhäufen, darauf ihr Herz zu richten. Gott habe die Schweizer Kirchen 500 Jahre bewahrt und geführt – unverdiente grosse Gnade. In der Reformation, heute wie damals, gehe es ums Herz, um seine Ausrichtung: sursum corda!

Wer weiss, was kommt?
Für die Zukunft schloss Locher Schweres nicht aus. «Vielleicht müssen wir kämpfen für unsere Sache» – wie Christen im islamischen Raum es tun müssen für Gottesdienste, für Kirchen, für Taufen und das öffentliche Bekenntnis zum dreieinen Gott. Darum sollen die Gläubigen ihr «Herz nach oben ausrichten, komme, was wolle». Der Ratspräsident schloss mit dem Aufruf, den Glaubensschatz zu suchen. Die Reformierten sollten sich «freimachen, freiwerden für den Schatz im Himmel. Das ist Reformation.»

Hoffnung aus der Auferstehung
Nach einem weiteren festlichen Chorwerk sprachen die Gäste aus Partnerkirchen. Justin Welby, der Erzbischof von Canterbury, nannte es die doppelte Bestimmung der Kirche, Gott anzubeten und Zeugnis von der Auferstehung abzulegen. «Der Rest ist Deko.» Der Welt ist Zeugnis zu geben «vom endgültigen Sieg Gottes über die Sünde, über den Tod und über das Böse ... Das Böse wird besiegt durch die enorme, bahnbrechende,unaufhaltsame, wunderbare Liebe Gottes, die in Jesus Christus ist.»

Die ökumenischen Gäste mit SEK-Vizepräsident Peter Schmid (links, Bild: SEK).

Angesichts der Anschläge von Manchester und London hätten auch Menschen ohne Glauben durch das Zeugnis der Christen einen Widerhall gespürt von der tief verankerten Geschichte über das Leiden Christi und das leere Grab. Ihretwegen könnten Christen «Menschen der Hoffnung, daher des Mutes und der Überzeugung» sein.

Die Schwäche der alten Kirchen verschwieg Welby nicht: «Wenn ein Zeuge schweigt, dann entweder, weil er nichts zu sagen hat oder weil er Angst hat, etwas zu sagen.» Er bemerkte, dass seine Kirche, wenn sie in England vom Sieg Gottes redet, Menschen findet, die nach dieser Botschaft hungern: nach «Hoffnung, wenn der Terrorismus zuschlägt», nach Vergebung und Versöhnung.

«Gegenwart des lebendigen Gottes bezeugen»
Dem kämpferischen Wort des Briten folgte ein tiefgehendes von Kardinal Kurt Koch. In der säkularen Gesellschaft werde «Gott, der wahre Schatz unseres Lebens, oft genug mit weltlichen Wirklichkeiten verwechselt». Da gebe es nichts Wichtigeres, als Gott den Lebendigen zu bezeugen. Dies bezeichnete Koch als die grösste Herausforderung an die Ökumene. Zwingli sei es vor allem um die Ehre Gottes und von daher um den Trost der Gewissen der Menschen gegangen.

Sabine Brändlin, Esther Gaillard und Claudia Haslebacher lasen die Fürbitten der Mitgliedkirchen.

Es gelte, dieses Zeugnis – wie es die Reformatoren vorgelebt hätten – mit dem Hören auf Christus allein zu verbinden. Wenn Katholiken und Reformierte sich heute gemeinsam darauf konzentrieren, geben sie, so Koch, «ihren Beitrag für die Überwindung der Spaltung, die uns seit 500 Jahren belastet». Der Kardinal wünschte den Reformierten «neue Freude an der reformatorischen Botschaft des solus Christus, dem wahren Schatz unseres Herzens».

Verlangen nach Erneuerung
Weitere Botschaften gaben Jerry Pillay, Präsident der Weltgemeinschaft Reformierter Kirchen, und Olav Fykse Tveit vom Weltkirchenrat in Genf. Laut Pillay ist das Verlangen nach Erneuerung und Transformation von Kirche und Gesellschaft heute noch grösser als vor 500 Jahren. Die Weltgemeinschaft spüre den Bedarf nach theologischer Erneuerung. Viel zu lange sei die theologische Ausbildung «aus der westlichen Perspektive heraus» gestaltet worden, sagte Pillay. Die Reformierten sollten sich mutig einsetzen und um Einheit ringen, dabei vermehrt die Stimmen aus dem globalen Süden ernst nehmen.

Stabübergabe im 500-Jahr-Jubiläum: Die deutsche Reformationsbotschafterin Margot Kässmann sprach nach dem Gottesdienst im Festzelt auf dem Münsterplatz.

Die Vielfalt der Kantonalkirchen stand allen im Münster in Form von Kerzen vor Augen, die Kinder zu Beginn des Gottesdienstes hereingetragen und auf den Abendmahlstisch gestellt hatten, Kerzen mit den kantonalen R-Jubiläumslogos. Während die drei Liturginnen des Kirchenbunds, Sabine Brändlin, Esther Gaillard und Claudia Haslebacher, Fürbitten der Kirchen verlasen, zündeten die Kinder die entsprechenden Kerzen an. Der Gottesdienst schloss mit dem Lob des Ewigen.

Website mit den Ansprachen des Gottesdienstes