Zuger Kyrie

Wurde in der Schweiz je der Herr der Kirche derart um Vergebung für Schuld der Kirchen angefleht? «Kyrie eleison» sang die ökumenische Gemeinde am Samstag, 1. April, in der St. Michaelskirche in Zug. Sie tat es in Aufnahme des Schuldbekenntnisses, das Felix Gmür, der Bischof von Basel, und Gottfried Locher, Ratspräsident des Kirchenbundes, sprachen. Das Bekenntnis, das fünf Jahrhunderte überspannt, ist hier dokumentiert.

 

Alfredo Sacchi, Dekan von Zug   
Es ist uns nicht möglich, diesen Gedenktag heute redlich zu begehen,
ohne den Schmerz zu benennen, der untrennbar damit verbunden ist.
So wollen wir all das Zerteilende aussprechen,
auch wenn es unsere Identität als Christen und Christinnen in Frage stellt.
Und wir wollen zu unserer Schuld als Kirchen stehen.


Felix Gmür
Wir bekennen,
dass wir durch unser Denken, Reden und Handeln trennend gewirkt
und einander die rechte Gesinnung, den wahren Glauben
und das Kirche-Sein abgesprochen haben.

Gottfried Locher 
Wir bekennen,
dass wir einander Gewalt angetan haben und gegeneinander
gar in den Krieg gezogen sind. In die Kappelerkriege,
in die Schlacht am Gubel, in die Villmergerkriege.
Dass wir einander als Ketzer verfolgt, aus den Dörfern vertrieben,
ausgehungert, eingekerkert oder lebendigen Leibs verbrannt haben.

Felix Gmür
Wir bekennen,
dass wir als Geschwister im Glauben an den einen Gott
getrennte Schulhäuser, getrennte Räte, getrennte Landsgemeinden,
getrennte Kirchen, Gottesdienste und Tische errichtet haben
und das Brot noch immer nicht gemeinsam brechen.

Gottfried Locher 
Wir bekennen,
dass wir einander in den Alltagen viel zuleide getan haben.
Dass wir voreinander die Strassenseiten gewechselt,
die Beziehungen unserer Kinder, die sich in die ‹Falschen› verliebt haben,
abgelehnt, unsere Häuser nicht an Katholische oder Reformierte veräussert,
Andersgläubigen Anstellungen verweigert
und Wunden in Menschen geschlagen haben.

Felix Gmür     
Wir bekennen,
dass wir immer noch nicht fähig sind, gemeinsam zu erkennen,
welche Art Einheit dem Willen Christi entspricht,
und so immer noch getrennt sind.
Dass uns der Buchstabe des Rechts wichtiger war
als der Hunger der Menschen nach Einheit.
Dass der wirkliche ‹Skandal› die inneren Trennungen sind
und nicht die ungelenken Versuche, die Einheit zu vertiefen.

Gottfried Locher   
Wir bekennen,
dass wir einander ausgeladen haben,
wo doch nicht wir es sind, die einladen,
und einander vorenthalten haben, was uns nicht gehört.
Dass wir die Unterschiede als Trennungen begriffen,
die Verschiedenheit und nicht die Verbundenheit betont
und uns viel zu sehr mit uns selber beschäftigt
und viel zu wenig der Welt zugewandt
und Zeugnis für Gottes Liebe abgelegt haben.


Erbarme dich, Gott
Kyrie eleison.