Kirche für die Postmoderne
Im grossen kulturellen Umbruch fallen die alten Gewissheiten dahin. Die Schweizerische Evangelische Pfarrgemeinschaft (SEP) nahm an ihrer Frühjahrstagung vom 12. bis 14. März in Männedorf auch die Chancen der Postmoderne in den Blick. Wenn es nichts mehr gibt, das die Welt im Innersten zusammenhält, kann die Kirche bei der Sehnsucht nach Beziehungen anknüpfen. Danz neu hat sie sich auf Menschen einzulassen.
Knapp fünfzig Teilnehmende versammelten sich im wunderschön gelegenen Bibelheim über dem Zürichsee. Als Referent zur Postmoderne war Dr. Felix Ruther vorgesehen. Leider gab es an seiner Feriendestination Probleme mit den Flügen, sodass er seine Vorträge nicht persönlich halten konnte. Drei Mitglieder des Arbeitskreises der SEP sprangen in die Lücke und trugen seine Gedanken mit Hilfe seiner Manuskripte vor. Es ging erstaunlich gut. Am Schluss waren alle zufrieden.
Bezugssystem weg
In den letzten fünfzig Jahren fand ein grosser Bruch im abendländischen Denken und Empfinden statt. Die Moderne war beseelt vom zuversichtlichen Glauben, dass der Mensch fähig ist, Wahrheit zu erfassen, Wissen zu erwerben und darauf aufbauend freie Gesellschaften zu organisieren.
Der Philosoph Friedrich Nietzsche hatte schon in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts den Tod Gottes propagiert. Dabei ging es um weit mehr als um eine atheistische Verneinung Gottes. Jede Metaphysik ist gestorben. Es gibt kein festes Bezugssystem mehr. Es gibt nichts, was die Welt im Innersten zusammenhält. Alle «grossen Erzählungen» wie Christentum, Kommunismus, Fortschrittsglaube usw. werden obsolet.
Beziehungsgeschehen
Die Postmoderne birgt auch Chancen. So sind z.B. Wunder wieder denkbar. Der platte Realismus des Wissenschaftsglaubens gilt nicht mehr. Spiritualität im weitesten Sinn ist wieder in. Gottesdienste in der Postmoderne sollen einen mystischen Touch haben. Gemäss dem hebräischen Denken ist Wahrheit ein Beziehungsgeschehen. Das kommt beim postmodernen Menschen gut an. Die Sehnsucht nach Sinn wohnt uns Menschen inne. Hier können wir als Kirche anknüpfen. Die Kirche der Postmoderne ist nahe bei den Menschen. Sie ist arm, bescheiden, ungesichert, dienend, nicht urteilend, nicht binnenzentriert, barmherzig und bunt.
Neben den vier Referaten waren der Gemeinschaftsabend mit Abendmahlsfeier, die Bibellese in Gruppen sowie der Austausch und die Gespräche unter Kolleginnen und Kollegen wie gewohnt wichtige Elemente der Tagung. Auch Pfarrerinnen und Pfarrer sind nicht nur moderne Einzelkämpfer – sondern auch postmoderne Beziehungsmenschen!
Pfr. Alex Nussbaumer