Die Reformierten im Jahr 2016
Die Vorbereitungen fürs Reformationsjubiläum beschäftigten die Kantonalkirchen. Der Kirchenbund befragte ihre Leitungen zu einer neuen Verfassung. In hunderten Kirchgemeinden setzten sich Menschen für Asylbewerber ein. Öffentliche Debatten zur Erschütterung Europas liefen weitgehend ohne prägnante Einwürfe von Reformierten ab. Die Berner diskutierten die Zukunft der Kirche. Der Zürcher Kirchenrat drängte auf Gemeindefusionen. – Streiflichter.
Der Rat des Kirchenbundes SEK legte im Juni den Entwurf der neuen Verfassung den kantonalen Kirchenleitungen vor. Ihre Stellungnahmen lassen Debatten zum Namen (Kirchenbund, Kirche, Kirchengemeinschaft?), zur Präambel, zu den Kompetenzen des Präsidenten und zur Einbindung der Konferenz der kantonalen Kirchenpräsidien erwarten.
Der Kirchenbund hat das internationale Jubiläum 500 Jahre Reformation Anfang November in Genf eröffnet. Bundesrat Alain Berset sagte, die Schweiz sei ein Epizentrum dieses geistigen Erdbebens gewesen. Er unterstrich die prägende Wirkung der Reformation und der folgenden konfessionellen Spaltung für die Entwicklung der modernen Eidgenossenschaft. Gottfried Locher vom SEK und Bischof Heinrich Bedford-Strohm von der EKD weihten den Reformationstruck ein, der Anfang 2017 mehrere Reformationsstädte der Schweiz anfährt.
Zum Schweizer Reformationsjubiläum hat die Aargauer Kirche den Mitgliedkirchen eine hochkirchliche Abendmahlsliturgie mit drei Partituren geschenkt (Kirchenmusik, Pop, Jodel).
Die Aargauer Landeskirche führte am 17. September zusammen mit den Katholiken die erste «Lange Nacht der Kirchen» durch. 400 Veranstaltungen in 80 Kirchen wurden von über 8000 Personen besucht: Konzerte, Theater, Filme, Führungen, Atempausen und Kulinarisches. Die Kirche in Basel-Stadt mussten ihre für Juni 2017 geplante nächste «Nacht des Glaubens» absagen, wegen Kollision mit der vorhersehbaren Meisterfeier des FCB.
Die Aargauer Synode, die im Juni ihr 150-jähriges Bestehen feierte, stimmte im November einem gemeinsamen Erscheinungsbild der 75 Kirchgemeinden erst im Grundsatz zu. Vor einem verbindlichen Entscheid werden die Kirchgemeinden befragt.
Die Synode Basel-Stadt stellte im April die vom Kirchenrat unter Lukas Kundert praktizierte Mittelzuweisung an Kirchgemeinden in Frage, welche die Aktivitäten und Kollekten der Gemeinden stark gewichtet. Bei einem anhaltenden Mitgliederrückgang hat die Kirche durch intensives Werben den Rückgang der Steuern in den letzten Jahren durch Spenden ausgeglichen.
Die Synodalen der Reformierten Kirchen Bern-Jura-Solothurn diskutierten im August mit Gästen 13 Spannungsfelder des Kirche-Seins. In diese waren über 5500 Fragen gruppiert worden, welche Mitglieder in der ersten Phase des Prozesses Vision Kirche 21 formuliert hatten. Aus dem Ergebnis der Gesprächssynode wird eine Arbeitsgruppe eine Vision formulieren, die am Kirchenfest «Doppelpunkt 21“ am 10. September 2017 proklamiert wird.
Die Berner Synode billigte im Dezember die Stellungnahme des Synodalrats zum Entwurf des neuen Landeskirchengesetzes. Die Kirche soll die Pfarrer-Anstellungen vom Kanton übernehmen; sie wird dabei seine personalrechtlichen Bestimmungen übernehmen (dieser Forderung des Pfarrverein gab der Synodalrat statt). Der Kanton finanziert die universitäre Ausbildung der Pfarrer weiterhin.
Der Zürcher Kirchenrat schlug im Frühjahr die Zusammenlegung der über 170 Kirchgemeinden zu 39 Regional- und Grossgemeinden vor. Nach kontroverser Debatte stimmte die Kirchensynode einer Vernehmlassung zu: Die Kirchenpflegen haben bis Januar 2017 Stellung zu nehmen, mit welchen Nachbargemeinden sie wie und wann zusammengehen wollen. Neben dem Zusammenschluss stehen fünf Formen der Zusammenarbeit zur Wahl. Der Kirchenrat will die Strukturreform «KirchGemeindePlus» bis 2023 abschliessen.
Die Reformierten der Stadt Zürich suchen nach dem Beschluss 2014, eine Stadtkirchgemeinde mit über 80‘000 Gliedern zu bilden, eine Struktur. Wie sowohl Mobilität zwischen den Quartiergemeinden wie auch sinnvolle Kompetenzen für sie (und für Kirchenkreise?) ermöglicht werden, ist noch umstritten.
Aufschlussreiche Tagungen umkreisten das Werk des grossen Zürcher Theologen Emil Brunner (50. Todestag) und die Theologie des Zweiten Helvetischen Bekenntnisses von Heinrich Bullinger, der international verbreitetsten reformierten Bekenntnisschrift. Die Studientage in Fribourg suchten mit Referenten aus vier Ländern neue Bilder für die Kirche des 21. Jahrhunderts. Das Landeskirchen-Forum bewegte an seinen Tagungen das Geheimnis des Abendmahls und thematisierte die Förderung von Freiwilligen.
Im Februar scheiterte die CVP-Initiative «Für Ehe und Familie – gegen die Heiratsstrafe» in der eidgenössischen Volksabstimmung knapp. Das geltende Eheverständnis wurde nicht in der Bundesverfassung verankert. Der Kirchenbund hatte keine Empfehlung abgegeben.
Angesichts der Menge an Migranten und Asylbewerbern, der islamistischen Anschläge und überraschender Abstimmungs- und Wahlausgänge wurde in der Öffentlichkeit intensiver und grundsätzlicher über Werte und Grundlagen westlicher Gesellschaften diskutiert. Die reformierten Landeskirchen schienen weithin mit sich selbst und den bereits beackerten Handlungsfeldern beschäftigt.
Niklaus Peter, Pfarrer am Zürcher Fraumünster, war nach dem grossen Interview Ende 2015 im «Magazin» von Tamedia mit Kolumnen präsent. Anstelle der „Reformierten Presse“ brachten die Reformierten Medien Anfang Jahr das 14-täglich erscheinende Magazin «bref» auf den Markt. Es lieferte weniger Informationen für Theologen und warb um eine jüngere, kirchendistanzierte Leserschaft. Das «idea Spektrum Schweiz» thematisierte in mehreren Ausgaben die Herausforderungen in der Pfarrerausbildung.
Landesweite Schlagzeilen machte im Juni der Lausanner Pfarrer Daniel Fatzer mit einem Hungerstreik, nachdem ihn der Synodalrat fristlos entlassen hatte. Fatzer protestierte gegen die Arbeitsbedingungen der Waadtländer Pfarrer und Mängel in der Personalführung. In einer Vereinbarung mit dem ebenfalls entlassenen Pfarrer Martin Hoegger räumte der Synodalrat im Herbst Fehler ein.
Der Direktor des HEKS Andreas Kressler hat das Hilfswerk nach 18-monatiger Tätigkeit Ende 2016 verlassen. Als Grund nennt der Stiftungsrat Differenzen bezüglich der operationellen und strategischen Führung.