«Erinnerung heilen – Jesus Christus bezeugen»

Protestanten und Katholiken in Deutschland sollen das Reformationsjubiläum 2017 auch ökumenisch als «Christusfest» begehen. Der Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland und die Bischofskonferenz des Landes haben dazu ein Gemeinsames Wort zum Jahr 2017 veröffentlicht. Papst Franziskus reist Ende Oktober nach Schweden.

Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx, und der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm, stellten die Schrift zum Reformationsjahr 2017 «Erinnerung heilen – Jesus Christus bezeugen» am 16. September in München gemeinsam vor.

Das Papier dient laut der EKD der Suche nach einem gemeinsamen Verständnis der kirchlichen Entwicklungen, ausgehend von der Reformation. Es nehme theologische Schlüsselbegriffe und Erinnerungsorte auf, die das kollektive Gedächtnis bis heute prägen, «um gleichzeitig auf die Fortschritte der ökumenischen Bewegung zu schauen, die offenen Fragen in den Blick zu nehmen und Wege in die Zukunft aufzuzeigen».

Reformation auch ökumenisch feiern

Mit dem Papier bekunden die Vorsitzenden der beiden Landeskirchen den Willen, 2017 «erstmals in der Geschichte der getrennten Kirchen die Erinnerung an den 500. Jahrestag der Reformation auch in ökumenischer Gemeinschaft (zu) feiern». Kardinal Marx hob hervor, dass das ökumenische Bestreben, 2017 als Christusfest zu feiern, ganz der Person Martin Luthers entspreche: «Wir können heute auch als Katholiken unumwunden sagen, dass er eigentlich keine neue Kirche gründen wollte. Er wollte den Blick auf den gnädigen und barmherzigen Gott lenken und den Menschen seiner Zeit Mut machen, ihr Leben ohne Angst in diesem Gott festzumachen.»

Der EKD-Ratsvorsitzende Bedford-Strohm sagte: «Wir können mit den bleibenden Unterschieden besser umgehen als frühere Generationen.» Das sei der Lernwert des gemeinsamen Zugehens auf das Jubiläum. Die religiösen Konflikte von damals wirkten heute beschämend. «Wir müssen ehrlich eingestehen, dass lange gehegte Vorurteile bis heute wirksam sind», räumte Kardinal Marx ein. Gerade deshalb sei es notwendig, sich diesem Erbe in einem gemeinsamen Prozess zu stellen und Gott und einander um Vergebung zu bitten.

Kardinal Marx und Heinrich Bedford-Strohm von der EKD in München, 2. Juli 2016 (Bild: Miteinander für Europa/Graf).

Versöhnung: nicht zu befehlen
Der EKD-Ratsvorsitzende unterstrich die geistliche Dimension des Heilungsprozesses: «Aufrichtige Versöhnung kann man nicht kommandieren, sondern nur empfangen. Die Erinnerung an Vergangenes kann dann benannt werden, ohne dass die Wunde wieder schmerzt, denn: Eine Wunde ist geheilt, wenn sie nicht mehr verbunden werden muss …, wenn man die Narben … berühren kann, ohne dass es weh tut.»

Kardinal Marx fügte hinzu: «Ich bin mir sicher, dass der geistliche Prozess der ‹Heilung der Erinnerung› uns befähigt, künftig befreiter und versöhnter aufeinander zuzugehen in der ehrlichen Bereitschaft, den anderen in seinem Anliegen zu verstehen.»

Christusfest vervielfältigen
Der Prozess «Heilung der Erinnerung» gehört zu den gemeinsamen Initiativen, die dem von der EKD und der Deutschen Bischofskonferenz zur Feier des Reformationsgedenkens 2017 verabredeten Christusfest Gestalt geben. Mit dem Prozess werde von den Kirchen auch ein gesellschaftlicher und nicht nur innerkirchlicher Beitrag geleistet, sagten die Kirchenführer: Er bestärke Christen, gemeinsam in der Öffentlichkeit den Glauben zu bekennen und sich dem Dienst der Verständigung und Versöhnung zwischen verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen zu stellen.

Die zentrale Feier mit beiden Vorsitzenden findet am 11. März 2017 in der Kirche St. Michaelis in Hildesheim statt. Die Deutsche Bischofskonferenz und der Rat der EKD regen an, in der Folgezeit ähnliche Gottesdienste auf regionaler und lokaler Ebene zu feiern. Dazu ist dem Gemeinsamen Wort ein liturgischer Entwurf beigefügt, der dem Gottesdienst in Hildesheim zugrunde liegt. Schon bald, Mitte Oktober 2016, werden 18 Mitglieder des Rates der EKD und der Deutschen Bischofskonferenz gemeinsam ins Heilige Land pilgern.

Papstbesuch in Schweden
Am 31. Oktober 2016 reist Papst Franzikus ins schwedische Lund. Er tut dies für ein gemeinsames Gedenken anlässlich des 500. Reformationsjubiläums 2017. Es soll nach Angaben des Päpstlichen Rates zur Förderung der Einheit der Christen und des Lutherischen Weltbundes  LWB aus zwei Teilen bestehen: einer liturgischen Feier im Dom zu Lund und einer anschließenden öffentlichen Veranstaltung in der Malmö Arena.

Der gemeinsame Gottesdienst im Dom zu Lund und die Veranstaltung in Malmö werden von Papst Franziskus, LWB-Präsident Bischof Munib A. Younan und LWB-Generalsekretär Pfarrer Martin Junge zusammen mit Spitzenvertretern aus der Schwedischen Kirche und des katholischen Bistums in Stockholm geleitet. 

Kardinal Kurt Koch vom Päpstlichen Rat erklärte, durch die Konzentration auf die Frage nach Gott und auf Jesus Christus hätten «sowohl Lutheraner als auch Katholiken die Möglichkeit eines ökumenischen Reformationsgedenkens – und das nicht nur auf pragmatische Weise, sondern aus einem tiefen Glauben an den gekreuzigten und auferstandenen Christus heraus.»

Das katholisch-lutherische Reformationsgedenken stellt die Themen Dank, Schuldbekenntnis und die Verpflichtung zum gemeinsamen Zeugnis in den Mittelpunkt. Laut dem LWB ist es das Ziel, «den Gaben der Reformation Ausdruck zu verleihen und für die Spaltung um Vergebung zu bitten, die von Christen beider Traditionen aufrechterhalten wird».