Beichten tut wohl

Den Menschen Sünde aufladen ist out. Doch damit sind wir Schuld nicht los. Wer Versagen in Worte fasst und bekennt, lebt auf. Bekennen tut gut, wirkt vielleicht Wunder. „Ohne Aussprache, Annahme und Entlastung keine seelische Gesundheit!“, schreibt Peter Zimmerling, praktischer Theologe in Leipzig, in einem Büchlein über die Beichte.

Die Weichen gut stellen, die Welt ein bisschen verbessern, innere Harmonie finden, das Schöne geniessen und andere beglücken: Wer genügt seinen eigenen Ansprüchen, der Idee vom guten Leben? Auch der gerät in den roten Bereich, der über sich keinen Gott anerkennt, auch jener, der sich Fehler, Versagen und Schuld nicht eingestehen will.

Wer hingegen Worte findet, wer bereut und bekennt, was schief ging, erlebt Entlastung. Und vielleicht Genesung. Psychosomatische Zusammenhänge klingen im Rat von Jakobus an (5,16): „Überhaupt soll jeder, der krank ist, den Brüdern seine Verfehlungen bekennen, und sie sollen für ihn beten; dann wird er gesund werden.“ Peter Zimmerling, Professor für praktische Theologie an der Uni Leipzig, schreibt: „Ohne Aussprache, Annahme und Entlastung keine seelische Gesundheit!“

Was Beichte der Therapie voraus hat
Versagen wird heute eingestanden ohne Gott, in Talkshows oder beim Therapeuten. In seinem Büchlein „Beichte. Gottes vergessenes Angebot“ betont Zimmerling, was Beichte der Therapie voraus hat: Ihr geht es um Vergebung, der Therapie ums Erhellen der Hintergründe und den Umgang mit Schuldgefühlen. „Die Beichte eröffnet einen Weg, auch dann mit Schuld und Versagen fertig zu werden, wenn sie nicht wieder gutgemacht werden können.“ Zimmerling plädiert dafür, das entlastende Bekennen von Schuld in der Form der Beichte für den Alltag wieder zu entdecken.

Besser als verdrängen
Neu ist die Sache nicht. Schuld verdrängen und abschieben: das kennen wir von Adam und Eva. Karl Marx setzte an die Stelle von Schuld Entfremdung, Sigmund Freud fokussierte auf Schuldgefühle. In den letzten Jahrzehnten geht in der pluralistischen Gesellschaft vieles, was zuvor unschicklich oder unsittlich war. Zimmerling sieht ein „schwindendes gesamtgesellschaftliches Schuldbewusstsein“. Manches gilt als Kavaliersdelikt – wenn nicht der (steuerhungrige) Staat dreinfährt. „Auch die neue Sehnsucht nach Spiritualität ist mit der Erkenntnis von Sünde und Schuld nicht unmittelbar verbunden.“ Wird das Böse verharmlost und relativiert, verschwimmt auch das Gute und Erstrebenswerte.

Grenzen annehmen
Peter Zimmerling stellt die Seelsorge als „Brücke zur Wiedergewinnung der Beichte“ hin. Er fordert, hinzuhören statt anzupredigen, „Wegbegleitung statt Wegweisung“. Heute gehe es darum, „dem einzelnen Menschen einerseits zur Selbstwerdung, andererseits zur Selbstvergewisserung durch heilsame Selbstbegrenzung zu verhelfen“. Begrenzung schon darum, weil die autonome Gestaltung des Lebens viele überfordert. „Ich muss mich nicht selbst erlösen. Ich darf Mensch sein und meine menschlichen Grenzen bewusst annehmen.“ Seelsorge und Beichte sind ein Ausweg aus Einsamkeit. Zimmerling meint, auch kirchenferne Menschen seien heute offen für „niederschwellige spirituelle Angebote in der Seelsorge“, etwa ein Gebet, oder „leicht mitvollziehbare geistliche Rituale“ wie die Einzelbeichte.

In der Gemeinde üben
Die Sorge für die Seele soll in der Gemeinde geübt werden – auch von ganz normalen Gemeindegliedern, aneinander und an Aussenstehenden. Die „merkwürdige Unfähigkeit von Theologie und Kirche, verständlich und verbindlich von Schuld und Vergebung zu sprechen“, ist durch die Beschäftigung mit der Bibel und den Reformatoren zu überwinden. Das Büchlein endet mit Anregungen zur Praxis, wobei der Verfasser auch Gefahren der Beichte nicht verschweigt.

Peter Zimmerling: Beichte. Gottes vergessenes Angebot
Evangelische Verlagsanstalt Leipzig, 2014, ISBN 978-3-374-03738-4

Lesenswert zum Thema: Richard Foster: Nachfolge feiern, Witten, 4. Auflage, 2010, Seiten 127-139.