Trinitarisch an Gott glauben
Wie leben Menschen mit Gott, dem Ewigen, der sich als Vater, Sohn und Heiliger Geist offenbart? Ein Studientag in Rüschlikon mit Wolfgang und Ulrike Bittner führte von persönlichen Erfahrungen zur Bibel und über die Kirchengeschichte zurück zum gemeinsamen Glauben.
Der ewige Gott offenbart sich, indem Jesus Christus als Sohn des Vaters uns entgegenkommt, unser Retter und Herr wird. Dies haben die Theologen der Alten Kirche auf dem Konzil von Nicäa 325 in ein Bekenntnis gefasst. Darin hielten sie fest, dass Gott der Sohn (in Ewigkeit) gezeugt, nicht geschaffen und gleichen Wesens mit dem Vater ist. Seit der Aufklärung wagen Theologen, die Lehre abzulehnen oder neu zu formulieren. Am Studientag der Fritz Blanke Gesellschaft, der am 2. April 2016 im Nidelbad in Rüschlikon stattfand, fragte Wolfgang Bittner eingangs nach der Erfahrung einzelner Gläubiger mit der Trinität. In der Folge wurden trinitätstheologische Gedankengänge und Glaubenserfahrungen miteinander vermittelt, indem die Teilnehmenden ihrem eigenen Lebensweg nachdachten und biblische Texte bewegten.
Triadische Formulierungen deuten auf Trinität
Das Neue Testament enthält triadische, d.h. dreigliedrige Formulierungen (Matthäus 28,19; 1. Korinther 12,4-6; 2. Korinther 13,13). Erst mehrere Generationen nach den Aposteln formulierten Theologen angesichts von Denkströmungen und Irrlehren das Drei-in-Eins (tri-unitas) des christlichen Gottes. Die Bibel gibt, so Bittner, einen guten Grund ab dafür, von Trinität zu reden. Diese ist keine Erfindung der Kirche, viel mehr Glauben mit Worten erläutert. «Das ist der Weg, den wir auch heute gehen. Die Bibel aufschlagend, finden wir die Trias. Auf dem Weg, sie zu verstehen, begegnet uns – auch heute – die trinitas.»
Der Referent wies hin auf die lange Geschichte der engagierten Auseinandersetzung – und dass es da um das Selbstverständnis der Kirche ging. «Die Art und Weise, wie sich Gott vorgestellt hat, ist nicht eine neben vielen anderen… Wie hat Gott selbst über sich selbst geredet? Wie wollte er Einstiegspunkte benennen, auf denen wir erkennend, denkend, betend zu ihm gelangen?»
Die Grenze der Erkenntnis hat laut Bittner das Vierte Laterankonzil (1215) formuliert: Je mehr wir etwas von Gott ahnen und erfassen, desto grösser wird uns das Geheimnis Gottes. Je mehr wir Gott verstehen, desto tiefer bleibt Gott der Unbegreifliche – sonst hat das Denken sein Mass verfehlt. Zu ahnen ist das Drei-Eins-Sein Gottes bereits auf den ersten Seiten der Bibel. «Im Anfang schuf Gott Himmel und Erde»: Das hebräische Wort für Gott Elohim deutet auf eine Mehrzahl, die sich in 1. Mose 1,26 aufs Verb überträgt: «Lasst uns Menschen machen …» – und doch ist es der eine Gott, der sie schafft (Einzahl in 1,28).
Das Geheimnis festhalten
Ulrike Bittner skizzierte die Debatten, die in der Alten Kirche geführt wurden: Von der Kirche sonderte sich zunehmend das Judenchristentum ab. Marcion propagierte andererseits einen Glauben ohne die Geschichte Gottes mit Israel. Die Montanisten richteten sich auf neue Prophetie aus. Mit Sprüche 8,22f betonten christliche Denker, dass Gottes Weisheit vor aller Zeit immer schon da war. Sie stellten sich gegen die Meinung, Gott habe Jesus als Sohn adoptiert (Monarchianismus), kämpften gegen die Lehre, er zeige verschiedene Gesichter, habe drei Erscheinungsformen (Modalismus – auch heute wahrzunehmen!), und verwarfen die sogenannte Gnosis, welche Erlösung nur für den göttlichen Teil des Menschen vorsah.
Nach 300 behauptete Arius, der Logos (das Wort, Christus) sei geschaffen worden, sei also nicht immer beim Vater gewesen. Kaiser Konstantin berief 325 eine reichsweite Versammlung von Bischöfen ein, um den grossen Riss, der durch die Kirche ging, zu beheben. Das Konzil von Nicäa (heute Westtürkei) formulierte, wie von Gott und Jesus zu reden sei. Von Arius, so Wolfgang Bittner, wurde der Logos als Reaktion Gottes auf den Sündenfall verstanden. Die Kirche wollte aber Jesus nicht als blosses «Notfallprogramm» Gottes sehen, sondern hielt fest, er sei vor aller Zeit beim Vater gewesen.
«Immer schon drei»
Das Bekenntnis von Nicäa war ein Meilenstein der Kirchengeschichte; die Dispute beendete es nicht. Dies auch wegen eines Grundproblems im multikulturellen Römerreich: Hochkomplexe griechische Begriffe, in denen viel mitschwang, waren nicht ohne Bedeutungsverlust und Akzentverschiebung ins Lateinische zu übertragen. Doch der Kaiser verlangte für die Reichskirche, die er schaffen wollte, eine gültige Formel. Nicäa bezeichnet auch den Beginn der machtpolitischen Verzweckung von Theologie.
Am Nachmittag kam kurz die dritte Person der Gottheit zur Sprache. Im Alten Testament kommt der Geist Gottes als Dienstbegabung auf Menschen (4. Mose 11). Wolfgang Bittner sagte, auch in der Kirche habe sich erst langsam die Erkenntnis durchgesetzt, «dass ich, wenn ich es mit dem Geist zu tun habe, Gott als ganzem begegne».
Mit der Trinität bleibt das Zueinander des Vaters und des Sohns in der historischen Person Jesus von Nazareth geheimnisvoll. «Dass Gott drei ist, hängt nicht daran, dass Jesus Mensch wird. Sie waren immer schon drei und werden es in Ewigkeit bleiben.» Die Bibel spiegelt, wie die drei einander begegnen. Erhellend sind vor allem Aussagen des Johannesevangeliums, namentlich die Abschiedsreden Jesu an seine Jünger (Johannes 14 bis 17).
Sein in Beziehung
Am Studientag wurde ein Missverständnis der Trinität aufgegriffen: Das neuzeitliche Verständnis von Person (Wesen mit einem eigenen Willens- und Aktionszentrum, mit der Fähigkeit zu Rechten und zu Pflichten) ist nicht das der frühen Kirche. Nach diesem Verständnis würde die altkirchliche Aussage, Gott sei ein Wesen in drei Personen, ja bedeuten, in Gott gäbe es drei Willens- und Aktionszentren. Der Verdacht bzw. Vorwurf, die Christen würden drei Götter verehren, wäre dann gar nicht so verfehlt.
Genau das war jedoch die Vorstellung, die die Alte Kirche mit ihrem Bekenntnis ausschliessen wollte: Im dreieinigen Gott gibt es nur ein Willens- und Aktionszentrum. Diese innere und unauflösbare Einheit wird durch die Einheit von Vater, Sohn und Heiligem Geist gebildet. Als Einheit sind sie untrennbar, und dennoch sind sie drei. So suchte die Alte Kirche nach einem Begriff, der diese Einsicht zum Ausdruck bringt.
Der Kirchenvater Augustinus bezeichnete mit persona das, was für eine Beziehung (relatio) wesentlich ist. Was in der Beziehung zu einer Gruppe oder einem Menschen hervortritt, das ist seine persona. «Die relatio, die Beziehung, macht den einen zum Vater, den anderen zum Sohn. Der Vater ist Vater nur gegenüber dem Sohn, nicht dem Geist – zu ihm ist er der Sendende.» Allerdings, und damit zeigt sich die Schwierigkeit all dieser Vergleiche, ist der Vater in sich selbst von Anfang an bis in Ewigkeit Vater, Sohn und Geist. Er wird es nicht erst durch und ist es nicht nur in der jeweiligen Beziehung.
Der Trinität begegnen
Die Kirche habe erst lernen müssen, mit dem durch Konzilien festgelegten Person-Begriff umzugehen, sagte Wolfgang Bittner. Der anregende Tag endete mit der Frage, was Trinität zu unserem Glaubensleben beiträgt. Nach Wolfgang Bittners Urteil haben die Christen dieser Zeit «nicht geübt, der Trinität zu begegnen». Hilfe bieten die Worte Jesu im Johannesevangelium. «Da drängt sich der Gedanke auf, dass die drei personae Gottes in Liebe und im Gespräch einander zugeneigt sind… In der Liebe zueinander und in ihrer Sorge für diese Welt sind sie einander zugeneigt.»
Bild:
Trinität. Keramik von Christine Hochstrasser-Schoch, Bischofszell