Die Christen der Antike am Tisch des Herrn
Wie wurde das Mahl des Herrn in der Alten Kirche gefeiert? Am Rand einer STH-Tagung im November 2015 gab Prof. Mark Edwards Auskunft. Er ist Professor für frühchristliche Studien in Christ Church, Oxford.
LKF: Wie feierten die ersten Christen das Abendmahl?
Mark Edwards: Die früheste Schilderung des Abendmahls, wie wir es kennen, findet sich in der ersten Apologie von Justin dem Märtyrer (gest. 165). Da reichte ein Vorsteher Brot und Wein. Die Teilnehmenden glaubten, dass sie damit an Christi Leib und Blut Anteil bekamen. Justin erwähnt auch Evangeliums-Lesungen. Wahrscheinlich wurden Einsetzungsworte gesprochen.
Von Opfer spricht Justin nicht. Ignatius von Antiochien (gest. um 110) tut es, aber ob er Selbsthingabe, das Darbringen von Erstlingsfrüchten oder Opfer meint, ist unklar. Für die Didache (1. Jahrhundert) stellt das Abendmahl nicht das Opfer Christi dar, sondern eher das Darbringen von Erstlingen.
Das ist weit weg von aller Dogmatisierung, wie wir sie aus dem Mittelalter kennen.
Die frühchristlichen Autoren brauchen jedenfalls keine philosophischen oder metaphysischen Begriffe, auch wenn Kirchenväter (Tertullian um 200, Augustinus nach 400) von symbolon und figura sprechen. Diese Feststellung schliesst den Glauben an die Realpräsenz Christi nicht aus. Aber viele später aufgeworfene Fragen scheinen die altkirchlichen Autoren gar nicht zu beschäftigen.
Geht es ihnen darum, des Todes Jesu zu gedenken und vorauszublicken auf sein Wiederkommen?
Und um communio, Gemeinschaft mit Christus. Doch bei Origenes (gest. um 254) gewinnt man den Eindruck, dass es neben der Feier des Abendmahls ebenso wichtig ist, die Bibel meditierend zu lesen und sich so von Christus zu nähren.
Wissen wir, wie das Abendmahl gefeiert wurde?
Zur Zeit des Eusebius (gest. 340) sicherlich jede Woche. Viele der ersten Christen waren Analphabeten. Ihr Verständnis des Abendmahls erwuchs aus dem, was sie in der Gemeinde hörten. Die Gottesdienste dauerten lang. Ich vermute, dass man grössere Abschnitte der Schrift las. Im Lauf eines Jahres wurde vielleicht der grössere Teil der Bibel zu Gehör gebracht.
Was ändert sich durch Kaiser Konstantin?
Konstantin fördert das Lesen der Bibel in den Gottesdiensten. Er sorgt dafür, dass Gemeinden in Palästina Bibeln erhielten. Die Kirche von Cäsarea hat für sie 50 Kopien des Neuen Testaments anzufertigen. Vermutlich wird das auch für andere Teile des Reichs angeordnet.
Es fällt auf, dass Konstantin die Gemeindeleiter hoher Ehre würdigt, indem er sie als Priesterschaft anspricht. Der Diener der Gemeinde wird nach Konstantin ganz offensichtlich ein hochgestellter Priester. Und schon für Ambrosius, ab 374 Bischof von Mailand, sind Bischöfe die wahren Berater des Kaisers und herrschen unter ihm.
Dazu kommt, dass das heidnische Opfer aus dem öffentlichen Leben verschwindet. Deshalb scheuen die Christen die Idee des Opfers viel weniger und das Abendmahl kann eher von ihm her verstanden werden. Nach dem Ende heidnischer Opfer droht kein Missverständnis im Verstehen der Eucharistie mehr.
Sie sprechen von öffentlichen Opfern. Privat hat man Göttern noch Opfer gebracht?
Ja. Die heidnischen Opfer wurden vielleicht schon von Konstantin, aber gewiss von seinem Sohn Konstantius förmlich verboten. Damit endeten die öffentlichen Zeremonien. In der Mitte des 5. Jahrhunderts zerstörte man die alten Tempel.
Bild oben: Trajan, römischer Kaiser 98-117 (Uffizien, Florenz)