Entflechtung auf Berner Art
Der Berner Grosse Rat hat am 15. und 16. September grünes Licht für die Arbeit an einem neuen Kirchengesetz gegeben und die Leitlinien beschlossen. Die Kantonsverfassung wird dafür nicht geändert. Künftig werden die Pfarrer der drei Landeskirchen von ihnen angestellt.
Das Kantonsparlament bestätigte den moderaten, teils als mutlos gescholtenen Reformkurs, den der Regierungsrat im März vorgeschlagen hatte. Der Grosse Rat wollte das Fuder nicht mit dem Auftrag zu einer «kantonalen Religionspolitik» oder einem Anerkennungsgesetz überladen. Die Finanzierung der Landeskirchen soll geändert, aber nicht beschnitten werden. Das Parlament lehnte auch die Trennung von Staat und Kirche klar ab.
Pfarrerinnen und Pfarrer von Kirchen anzustellen
Doch Änderungen sind angesagt, namentlich bei der Anstellung der Pfarrer. Der Berner Pfarrverein scheiterte im Bemühen, die staatliche Anstellung der Geistlichen beizubehalten. Vergeblich führte ein SP-Grossrat ins Feld, die reformierten Pfarrer wollten «grösstmehrheitlich» nicht von ihrer Landeskirche angestellt werden. Im Rathaus verfing auch das Argument nicht, die drei Landeskirchen würden wohl viermal mehr Stellenprozente für die Personalführung brauchen als der Staat, der dies für alle zentral mache.
Dem Grossen Rat lagen acht Leitsätze der Regierung und 32 Anträge vor, welche die Staatspolitische Kommission unter Leitung von Adrian Wüthrich (SP) übersichtlich aufbereitet hatte. Die sachliche Debatte liess erkennen, wie die Landeskirchen in der Öffentlichkeit angesehen werden. In vielen Voten kam Wohlwollen und Wertschätzung für ihre Tätigkeit zum Ausdruck. Der Grosse Rat übernahm die Forderung der reformierten Synode, dass mit dem neuen Kirchengesetz nicht gespart wird: Er verwehrte der Regierung einen erweiterten Handlungsspielraum in der Finanzierung der Landeskirchen.
Wann kippt Aufsicht in Kontrolle?
Viele Votanten rieben sich an der Frage, wo das Sorgen des Staates, der weltanschaulich neutral sein will, für die Kirchen doch in Einmischung und Kontrolle kippt. Hat etwa der Kanton den Kirchen noch vorzuschreiben, wie sich ihre Pfarrer akademisch zu qualifizieren haben? Der Rat folgte der Mehrheit der Kommission, welche die Anforderungen an Geistliche «im heutigen Umfang» belassen wollte. Andererseits müssen sie nicht «Seelsorge und gesamtgesellschaftlich relevante Leistungen erbringen und so dem Wohl aller Menschen verpflichtet sein», wie Linke beantragt hatten. Ebenfalls keine Chance hatte die Forderung nach «vollständiger Gleichstellung der Geschlechter», die eine katholische Grünliberale im Blick auf die Ordnung ihrer Kirche erhob.
Historische Rechtstitel nicht abgelöst
Als Entschädigung für die Enteignung des reformierten Kirchenguts 1804 besoldet der Kanton seither die Pfarrer der Landeskirchen; die historischen Rechtstitel der Kirche sind der Anspruch darauf. Philippe Messerli von der EVP meinte, ohne Ablösung der Rechtstitel gebe es keine neue Grundlage für das Verhältnis Staat-Landeskirchen. Die Appelle auch von SP-Seite, die Ablösung zu erwägen und zu versuchen, fanden kein Gehör. Eine Ablösung wäre zu kostspielig, hiess es (der Kanton müsste den Reformierten mehrere Milliarden zahlen). Die Summe sei nicht zu berechnen, sagte Regierungsrat Christoph Neuhaus und fragte, wie denn einige hundert Mütt Getreide heute zu veranschlagen wären ...
Unternehmen in der Pflicht
Mit grossem Mehr wurden die Leitsätze des Regierungsrats, teils präzisiert durch Kommissionsanträge, schliesslich genehmigt. Der Kanton soll im Rahmen von Leistungsvereinbarungen weiterhin die Pfarrergehälter zahlen. Die Kirchensteuerpflicht für Unternehmen, von grünliberalen Freidenkern bekämpft, soll im Gesetz bleiben. Das wurde mit 114 zu 20 Stimmen beschlossen. Diese Mittel dürfen aber nicht mehr für gottesdienstliche und geistliche Zwecke eingesetzt werden (sogenannte negative Zweckbindung).
Die Regierung soll kein Anerkennungsgesetz ausarbeiten - was die EVP auch mit Blick auf das Evangelische Gemeinschaftswerk und Freikirchen gefordert hatte. Doch soll die «Förderung von Religionsgemeinschaften, die gesellschaftlich relevante Leistungen erbringen», geprüft werden.
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