An Heiligabend finden sich in der Stadtkirche Yverdon über 300 Personen ein. Die Christnachtfeier ist populär. Soll in ihr Abendmahl gefeiert werden? Angesichts der Frage, die den Gemeindevorstand bewegte, entfaltet Pfr. Olivier Bader Gedanken zur zeitgemässen Feier des Sakraments.
Die Menschen lieben die nächtliche Feststimmung, Lichter und Lieder. Wir stellen fest, dass die Mehrheit der Besucher im Jahr nur dieses eine Mal zur Kirche kommt.
Es ist unser Brauch, in der Christnacht das Abendmahl zu feiern. Der Kirchgemeinderat hat diskutiert, ob wir am Sakrament in dieser Feier festhalten sollen. Für die einen gilt es, die Tradition fortzuführen und Heiligabend feierlich zu begehen. Das Mahl des Herrn soll denen angeboten werden, die sonst nicht herkommen.
Dagegen gibt es Einspruch: Das Abendmahl ist für die, die Jesus als Herrn und Retter bekennen. Es verliert seinen Wert, wenn es von «Gelegenheitsgläubigen» im Sinn einer Tradition genommen wird. Und macht es theologisch überhaupt Sinn, an Weihnachten des Todes und der Auferstehung Jesu zu gedenken?
Die Abendmahlspraxis in unseren Volkskirchen ist fragwürdig: Was ist die «Funktion» des Mahls? Für wen ist es? Wir kommen um eine Debatte und Entscheide nicht herum. Wenn es eine Sammlung bekennender Christen ist, gehört es in gewöhnliche Sonntagsgottesdienste. Wird das Abendmahl jedoch als Einladung gesehen, am Leib Christi teilzuhaben, als Zeugnis dieser Teilhabe, ist das Anlass, es in populären Feiern auszuteilen.
Das Dilemma ist komplexer als hier skizziert. Ich bin überzeugt: Es kommt auf den Sinn an, der den Sakramenten - auch der Taufe - bei ihrer Feier gegeben wird. In welchem Kontext, in welcher Öffentlichkeit das Abendmahl auch ausgeteilt wird: Die Feier soll sinnträchtig sein. Ich versuche, ob ich regelmässige Kirchgänger vor mir habe oder nicht, das Abendmahl immer lebendig und anregend zu gestalten. Ich bete spontan, knüpfe an die Predigt an, verwende zeitgemässe Wörter, betone die lebendige Anwesenheit von Christus...
Die Anweisungen sind ebenfalls bedeutungsvoll: Jene, die nicht bereit sind zur Kommunion, müssen die Freiheit haben fernzubleiben. Das Abendmahl ist kein fröhliches Picknick, an dem jedermann teilnehmen muss. Aus Gewohnheit oder Tradition kann man nicht Teil haben am Leib Christi.
Jede Feier des Abendmahls ist daher ein Appell, heute und erneut die Gabe des Lebens Christi und seine lebendige Gegenwart unter uns zu vergegenwärtigen. Dem Gläubigen, ob engagiert oder nicht, muss seine Verantwortung vor Gott klar gemacht werden. Er ist aufzurufen, in aller Freiheit auf die Liebe Gottes zu antworten, die in Jesus Christus offenbar geworden ist. Das nimmt uns ganz in Anspruch: Körper, Seele und Geist!
Dieser Text erschien als Editorial im LKF-Bulletin 3-2015, im Original französisch.