Schweizer Kirchen: Jahresrückblick 2007
Im Juni wurde die neue Übersetzung der Zürcher Bibel vorgestellt. Die Deutschschweizer Freikirchen machten 2007 Schlagzeilen mit den Täufern, die im Zuge des Emmentaler Täuferjahrs porträtiert wurden. Auf Mennoniten und Neutäufer fielen freundliche Schlaglichter; manche Medien brachten die prägende Kraft ihres Glaubens zur Sprache.
Die Deutschschweizer Freikirchen machten 2007 kaum Schlagzeilen, sieht man von den Täufern ab, die im Zuge des Emmentaler Täuferjahrs porträtiert wurden. Auf Mennoniten und Neutäufer fielen freundliche Schlaglichter; manche Medien brachten die prägende Kraft ihres Glaubens zur Sprache.
Vielfältige Freikirchenszene
Die freikirchliche Szene umfasst nicht nur die im VFG verbundenen Freikirchen, sondern auch Jugendkirchen wie ICF, Hauskirchen-Netzwerke und über 100 Migranten-Gemeinden. Die VFG-Freikirchen konnten Abgänge insgesamt durch neue Mitglieder ausgleichen, wie VFG-Präsident Max Schläpfer bilanziert. Einzelne Verbände wachsen, andere verlieren Mitglieder. Die Pfingstkirchen verzichteten 100 Jahre nach der Entstehung der ersten pfingstlichen Gruppe in Zürich auf eine Jubiläumsfeier; in Oslo wurde der Anfänge in einer europäischen Konferenz gedacht. Im Herbst distanzierte sich der VFG von der Minarettverbots-Initiative (pdf). Gemeinsam mit der Schweizerischen Evangelischen Allianz schlug er im Dezember einen runden Tisch zu den umstrittenen Fragen vor.
Die Basis bröckelt
In den reformierten Landeskirchen waren kaum neue Ansätze zum Umgang mit der demografischen Herausforderung (zunehmende Überalterung und Mitgliederrückgang wegen tiefer Geburtenrate und Austritten) auszumachen. In der Berner Kirche kam die Abwanderung in andere Kantone und die Verstädterung zur Sprache, welche ländliche Gebiete zusätzlich trifft. Aktuell tiefere Austrittszahlen werden gerne zur Beschwichtigung derer herangezogen, die sich Sorgen machen. Allerdings kann jedes Kind voraussehen, dass bei der aktuellen Geburtenrate der Reformierten (etwa 1,3 Kinder) auf zehn Grossmütter bloss vier Enkelinnen folgen. Die Bevölkerungsbasis, auf der sich der privilegierte Status der Landeskirchen gründet, bröckelt fortwährend.
Umstrittene Wahlen in die Berner Kirchenleitung
Die beiden grössten Landeskirchen der Deutschschweiz waren mit Personalfragen beschäftigt. Bei den reformierten Kirchen Bern-Jura-Solothurn bewarben sich gleich drei Personen um das Präsidium des Synodalrats, was im Frühjahr zu einem intensiven, facettenreichen Wahlkampf führte. Nach dem Sieg des Favoriten Andreas Zeller im Mai wurde der unterlegene Gottfried Locher, bekennend-reformierter Ökumeniker, im Dezember als Mitglied der siebenköpfigen Kirchenleitung gewählt (Bild unten).
Im Kanton Zürich wurde neben Andrea Marco Bianca Daniel Reuter in den Kirchenrat gewählt - als erster Vertreter der Evangelisch-kirchlichen Fraktion. Locher und Reuter stehen für eine Erneuerung der Landeskirche auf biblisch-reformatorischer Grundlage ein.
Ein Gesetz für alle Zürcher Landeskirchen
Der Kanton Zürich hat ein neues Kirchengesetz. Es behandelt die katholische Körperschaft gleich wie die reformierte Landeskirche, die auf Zwingli zurückgeht und bis 1963 allein öffentlich-rechtlich anerkannt war. Die Landeskirchen gewinnen Autonomie; in einer neuen Kirchenordnung, deren Entwurf der Kirchenrat im Sommer vorlegte, soll sie ausgestaltet werden. Von einem Werben um neue Mitglieder und von Evangelisation ist im Entwurf nicht die Rede; Verkündigung geschieht im Gottesdienst.
Was unterscheidet Pfarrern von Diakonen?
Im Entwurf wird das Pfarramt (Verkündigung und Leitung) stärker von anderen Ämtern und Diensten abgehoben; so soll allein fürs Pfarramt ordiniert werden, nicht für diakonische Tätigkeit. Dieser vor allem in der Ostschweiz gehegten Auffassung von Ordination steht die Praxis in der West- und Nordwestschweiz entgegen, wo auch Diakone/diacres ordiniert (bzw. durch consécration eingesetzt) werden. Der föderalistisch strukturierte Schweizer Protestantismus tut sich mit dem komplexen Themenfeld schwer; immerhin wurde dem Kirchenbund SEK in der Debatte um eine Studie zugestanden, die Arbeiten in den Mitgliedkirchen zu koordinieren, "mit dem Anliegen einer Annäherung". 2009 soll ein Bericht vorliegen.
Das Buch des Jahres
Das Ereignis des Jahres war die Vorstellung der neu übersetzten Zürcher Bibel. Sie soll dem Bibelleser den Zugang zum Neuen und Alten Testament mit einer präzisen, zeitgemässen Sprache erleichtern, die die Fremdheit jener Welt für die Leserinnen und Leser des 21. Jahrhunderts nicht aufhebt. Das epochale Werk ist neben der privat finanzierten Neuen Genfer Übersetzung das einzige in der Schweiz - mit ihm verbessern sich die Chancen, dass sich Bibellektüre nicht in subjektiven Eindrücken (immer weiter auseinander liegende Übersetzungen und teils willkürlich verfremdende Übertragungen) verliert.
Die Zürcher Bibel will dem Anspruch genügen, Volks-, Gottesdienst- und Studienbibel zu sein. Aus evangelikalen Kreisen wurde der Wunsch nach einer Ausgabe laut, die auf verwirrliche Einleitungen und Worterläuterungen verzichtet. Der über Erwarten gute Verkauf auch in Deutschland erweitert den Handlungsspielraum des Herausgebers.
Bitterer Streit ohne Ende
In der römisch-katholischen Kirche gab nichts so zu reden wie der Streit um die Pfarrei Röschenz. Als das Baselbieter Gericht urteilte, Bischof Kurt Koch habe dem Priester Franz Sabo das rechtliche Gehör nicht gewährt, stellte der bitter enttäuschte Bischof die landeskirchliche Parallelstruktur der katholischen Kirche, mit welcher dieser Rechtsweg gegeben ist, in Frage. Es gehe darum, ob eine staatliche Instanz letztgültig über die Sendung eines Priesters befinden könne, sagte er einer Zeitung. Im Sommer hatte Koch dem Ratspräsidenten des SEK, Pfarrer Thomas Wipf, einen Offenen Brief mit emotionalen Passagen gesandt. Darin legte er - nach der protestantischen Verärgerung über die Ökumene-Weisung aus dem Vatikan - dar, was ihn an reformierten Stellungsbezügen störte.
Spät zur Sterbehilfe
Was trugen die Reformierten zu den laufenden gesellschaftlichen Debatten bei? Die Ethiker des SEK versuchten es mit einem soliden Positionspapier über Grundwerte und einer späten Stellungnahme zur Sterbehilfe. Darin forderten sie einen Rechtsanspruch auf palliative Pflege und sprachen sich gegen ein Recht auf Suizidbeihilfe aus. Zudem liess der Kirchenbund eine Stellungnahme zum Umgang mit Wahrheit im interreligiösen Dialog erstellen.
2007... 2008... 2009... 2010
Sowohl die Evangelische Allianz und mit ihr verbundene Kreise wie auch die Landeskirchen bereiteten sich auf die Fussball-EM im Juni 2008 vor. Die Weichenstellungen für den nächsten Christustag, wegen des Calvin-Jahrs 2009 auf 2010 angesetzt, verliefen nicht ohne hörbares Quietschen; der Kirchenbund, der sich einen reformierten Kirchentag nicht vorstellen kann, forderte das OK-Vizepräsidium des evangelikal geprägten Christustages und mehr programmliche Mitsprache.